Besprechung der zweiten Preciosa-Aufführung in Münster am 16. November 1823

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Theater-Nachrichten.

Den 16. d. wurde auf hiesiger Bühne zum zweitenmal Preciosa gegeben.

Ein Mädchen, welches als Kind von Zigeunern geraubt worden, hat sich, unter seinen wilden Umgebungen, zur reizenden Jungfrau entwickelt und erfüllt mit dem Ruf seiner Talente und Liebenswürdigkeit das von der Horde durchstrichene Spanien. In Madrid entzündet Preciosa das Herz eines jungen Edlen und büßt mit dem Verluste ihres eigenen. Der Jüngling wird aus Liebe zu ihr Zigeuner und führt, mit ihr und der Bande in das Schloß ihrer Geburt gerathen, durch seine Eifersucht die glückliche Katastrophe herbei, in welcher sich das Wiederfinden ihrer Eltern und die Vermählung mit dem Geliebten vereinigen. Dieses mehrfältig benutzte Süjet ist von dem Verfasser der Preciosa einfach durchgeführt; bei aller Simplicität der Intrigue erhält das Stück durch das interessante Mädchen und das abentheuerliche Zigeunerwesen einen leichten Reiz der Romantik, welcher durch eingewebte Tänze und schöne, passende Musik lebhaft erhöht wird. Es finden sich darin nur zwei mit Fleiß ausgeführte Charactere; der reichste davon ist Preciosa, von welcher, als der Sonne des Stücks, fast dessen ganze Wirkung ausgeht und deren Bedingniß daher eine sehr gewandte Schauspielerin ist.

Die talentvolle Dem. Pichler entfaltete in dieser Rolle den Erfolg ihres glücklichen, jugendlichen Kunststrebens; ihre Deklamation war richtig und gefühlvoll, ihr Spiel angemessen und lebhaft. Die Schilderung häuslichen Glückes, bei welcher Preciosen die Trostlosigkeit ihres eigenen verwaisten Zustandes ergreift; das Schwärmen in Schmerz und Liebe und bald darauf das Entzücken, als sich ihr Daseyn mit dem des Geliebten verkettet; endlich der leidenschaftliche Schmerz bei der Trennung von dem wieder Entrissenen, um sich in das kalte, freudenlose Leben zurückzustürzen, waren Scenen, welche Dem. Pichler mit Innigkeit und Natur ergreifend darstellte.

Neben ihr zeichnete sich vorzüglich Mad. Trautmann aus, welche den zweiten Character, die alte spitzbübische Zigeunermutter treffend aufgefaßt hatte, und künstlerisch wiedergab. Herr Bißler ist bei seiner großen Retirade mit Ehren davon gekommen. Der Vortrag des Herrn Spengler fiel zu häufig in den unpassenden, schleppenden Kanzelton; auch Herr Kramer würde mehr gefallen, wenn er, in Momenten der Empfindung, seinem Organ das Weinerliche abgewöhnte. Bei dem Zigeunerhauptmann (Herrn Fries), blieb eine deutlichere Aussprache zu wünschen übrig, indem er, besonders im Affect, die Worte hastig heraus zu poltern und ihre letzten Silben zu verschlucken pflegt.

Brav und zumal im zweiten Act von romantischer Wirkung, waren die Chöre des Stücks.

–e–

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung der Preciosa in Münster

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler; Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Westfälischer Merkur, Jg. 1823, Nr. 256 (18. November 1823), S. 1103

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