Besprechung der Magdeburger Preciosa-Aufführung am 2. April 1826

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Theater.

Sonntag den 2ten April 1826:

Preciosa, Schauspiel von Wolf, mit Musik von C. M. v. Weber.

Das Schauspiel: Preciosa verdankt seine Entstehung einer spanischen Novelle, die Herrn Wolf so hinriß, daß er nicht unterlassen konnte, aus ihr ein Schauspiel zu drechseln. Wie unbefriedigend diese dramatische Aufgabe nun gelöst, welch’ ein schwaches Erzeugniß dies melodramatische Wunderkind Preciosa ist, wird ein Jeder leicht beurtheilen können, der die Wolfsche Dichtung mit den niedlichen Reimchen und den unlogischen Redensarten durchzulesen sich die Mühe nimmt*. Der Leser sitzt still, mit kaltem Blute in seinem Zimmer, hört nicht die zauberischen Töne der melodiereichen Weberschen Musik, er sieht nicht die reizenden Gegenden Spaniens, weder die Ruinen im Walde mit der Zigeuner-Horde, noch Don Azevedo’s erleuchtetes Schloß, kein Ton ergötzt sein Ohr und seine Blicke schweifen nicht in Spaniens Gebirgen, sondern nur auf dem Papiere unter Wolf’s holprigen Versen umher – da stößt sein kritisches Auge auf das rührende „Einsam bin ich nicht alleine“ &c. (wohl der größte Fehler gegen die Logik, den Herr Wolf nur begehen konnte) und bald überzeugt er sich, welch’ ein fades Thema hier variirt wurde. Die Intrigue ist für 4 Akte viel zu dürftig, die Charaktere sind zu schwach gezeichnet, die Späße des französirten Schloßvoigt’s verlieren unter den romantischen Spaniern alle Wirkung – genug, das ganze Ding ist ein Mixtum compositum, welches ohne Weber’s liebliche Musik, ohne Dekorationen und Kostüme, ohne Lampen und Feuerwerk einer langen Rede mit kurzem Sinne gleicht, der man den Titel: „Viel Geschrey und wenig Wolle!“ geben könnte.

Herr Wolf läßt die alte Viarda sagen: „Ist man wo gut aufgenommen,Soll man ja nicht zwey Mal kommen!“

Diese poetische Floskel ist durch die gestrige Darstellung der Preciosa widerlegt worden. Mad. Henne kam zum 2ten Male nach Magdeburg und erntete trotz der Wolfschen Prophezeihung als Preciosa – Beyfall ein. Diesmal aber möchten wir doch der Meynung der alten Viarda beytreten, und den gezollten Beyfall des Publikums nur für eine Gunstbezeigung halten, die man wohl aus Anhänglichkeit einem alten Freunde, der lange Zeit abwesend war, zukommen läßt. – Preciosa soll seyn: ein junges schönes aufblühendes Mädchen, dessen Schönheit und Liebreiz alle Köpfe in Spanien verrückt, sie soll sprechen wie Corinna, singen wie Mamsell Sonntag, und tanzen wie Mamsell Lewin* – kurz sie soll das Ideal von Schönheit und Grazie seyn. – Entsprach Mad. Henne diesen Anforderungen? –Wenn wir nun auch viel, sehr viel ablassen von dem, was da sollte seyn, so darf doch der Liebreiz aufblühender Jugend und Grazie einer Preciosa nicht fehlen; ob Mad. Henne damit ausgestattet war, überlasse ich Jedem zu beurtheilen. Die Persönlichkeit von Mad. H. scheint uns besonders für gesetztere Liebhaberinnen geeignet, z. B. Camilla im Bilde, Johanna v. Montfaucon u. a., wenn sie sonst dazu Talent besitzt, aber auf das Parade-Pferd Preciosa muß sie sich nicht setzen! –

Hr. Kriete entsprach als Alonzo nicht ganz unsern Erwartungen; der verliebte Schwärmer verlangt einen nicht unbedeutenden Aufwand von jugendlichem Feuer, welches wir bey unserm jungen Künstler heute vermißten.

Hr. Wohlbrück spielte den Schloßvoigt mit der gehörigen Mäßigung, und führte seine Rolle belustigend durch, die so leicht in ihrer Flachheit zum Popanz der Gallerie wird.

Das ausgezeichnete Talent der Demois. Boicke (Viarda), welches – ein seltener Fall! – weibliche Eitelkeit besiegte, verdient den Dank des gebildeten Publikums. – Alle Uebrigen waren nicht störend. –

Der Tanz der drey Dem. Lewin war eine überraschende Zugabe, die den Schluß des Schauspiels sehr verherrlichte.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung der Preciosa

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler; Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Magdeburgische Zeitung, Jg. 1826, Nr. 40 (4. April 1826)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… durchzulesen sich die Mühe nimmt“Ein anderer Kritiker hatte zur Magdeburger Neueinstudierung der Preciosa am 25. August 1825 (mit neuen Dekorationen und Kostümen) im Widerspruch dazu geurteilt, dass „dieses oft gehörte Stück durch seine lebendige Handlung, seine wohlklingenden Verse und seine originelle Musik das Publikum immer noch anzieht“; vgl. Magdeburgische Zeitung, 1825, Nr. 103 (27. August).
    • „… und tanzen wie Mamsell Lewin“Fraglich, welche Tochter des Pantomimenmeisters Joseph L. Lewin gemeint, Rosa Lewin (eigentlich Rosette Sophie Caroline L., später verh. Price, 1810–1887) oder Flora (Mathilde Henriette, später verh. Price, 1813–1863).

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