Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, 14.–15. Mai 1814
Ständisches Theater in Prag.
Am 14. Mai erfreuten sich die Freunde der Kunst eines hohen und und seltenen Genusses. Hr. Mattausch betrat als Macbeth (nach Schillers Bearbeitung) unsere Bühne an der Seite der Mad. Schröder als Lady Macbeth. Mit Recht können wir den Genuß, den uns dieses treffliche Künstlerpaar heute gewährte einen seltenen nennen; denn nur selten entfaltet sich vor unserer Anschauung eine solche reine Exposition der schwierigsten Charaktere, und noch seltener spricht die Darstellung zugleich unser Gemüth mit dieser lebendigen Wahrheit, mit dieser schauerlichen Größe an, als in dem Meisterspiele dieses talentvollen Künstlerpaars, das im reinsten Einklang zusammenwirke – das Gigantische menschlicher Ausartung, das schreckliche Bild von Furien gepeitschter Verbrecher, so wahr, und doch stets in dem Kreise des Schönen gehalten, darzustellen. – Schon das kriegerische Kostüm Macbeths war von Hrn. M. mit wahrem Künstlerstudium gewählt – es erweckte ein unwillkührliches Grauen, das des Künstlers scheuer Ton, die Unruhe seiner Seele, das Gesicht, worin Gefährliches geschrieben steht, schon in der ersten Scene mit den Hexen fortpflanzte. In gleicher, tiefbrütender Seelenstimmung, wahr und kräftig, doch ohne tragischen Pathos, rufte Mad. Schröder die Geister alle zu Hülfe, die in der Seele Mordgedanken sä’n, sie zu entweihen, sie vom Wirbel bis zur Zehe mit Tigers Grimm zu füllen etc. stählte sie Macbeths Vorsatz und ermannte den Kleinmüthigen, der sich fürchtete in Kraft und That derselbe zu seyn. Meisterhaft gab die Künstlerin diese Scene im selbsterzeugten Ton innerhalb tobender Leidenschaft, mit einem, Hohn und Wuth verschmelzenden, Ausdruck des Gesichts, und einer | sich an den Schwachen anschmiegenden Körperhaltung, die die Wahrheit dieser Scene vollendete, und den mit sich selbst kämpfenden Macbeth nun zur That stärkt. Wir finden es, nach der Kunstwirkung dieser Lady, natürlich, Macbeth mit Kraft erwachen zu sehen, und ausrufen zu hören: Weib! Ich bin entschlossen,
Und all meine Sehnen spannen sich
Zu dieser That des Schreckens an – u. s. w.
Schon vorbereitet sind wir durch die charakteristische Darstellung Macbeths in seinen ersten Auftritten, die Wahrheit des Monologs im zweiten Act: Ist dies ein Dolch, was ich da vor mir sehe?
in der trefflichen Diction und der sprechenden Mimik des Künstlers mit hohem Beifall anzuerkennen, denn Furcht und Aberglaube schrecken ihn schon vor der That mit ihren luftigen Bildern, und nur der Glocke Ruf reißt ihn zur blutgen That. – Mit dieser psychologischen Haltung führte der denkende Künstler den Charakter fort, und zeichnete dem Dichter treu das schreckliche Gemälde des aus Herrschsucht gebornen Tyrannen nach, den die Schuld zu Grunde richtet. Mit schauderhaften Farben malte er bei der Tafelscene das Schrecken bei Banquos Geistererscheinung, und mit starrem Entsetzen sagte er die Worte: Die Tafel ist voll! – Die wahnsinnige Scene der Lady im fünften Acte machte durch das kunstvolle Spiel der Mad. Schröder einen grausenden Eindruck auf den Zuschauer. Niedergebeugt von innern Martern einer schuldbeladnen Seele, erscheint sie wankend, wie die Lichtflamme in ihrer Hand, ein wahres Jammerbild, auf der Bühne, rein zu waschen die befleckten Hände, und der Wahnsinn ihrer Rede spricht sich in herzerschütternden Tönen aus. – Mit der Angst der Verzweiflung tritt endlich der getäuschte Macbeth in die Schranken des Zweikampfes mit Macduff, den Hr. Bayer mit hoher Wahrheit darstellte, und fällt, ein Opfer der gerechten Vergeltung. So feierte dies würdige Künstlerpaar in dieser meisterhaften Darstellung den Triumpf des Verdienstes, das uns in dieser Größe auf der deutschen Bühne immer nur eine seltene Erscheinung bleiben wird.
Am 15.Mai ward bei Gelegenheit des eintretenden Johannes Festes in böhmischer Sprache, von dem Verein der böhmischen Theater-Dilletanten, zum Besten der hiesigen Wohlthätigkeits-Anstalten auf dem Ständischen Theater aufgeführt: Johann von Nepomuck, historisches Trauerspiel in fünf Aufzügen, neu bearbeitet von J. N. Stiepanek. Reinere Sprache, ein gedrängter Dialog, und die im letzten Act vernäherte Handlung, welche in den ältern Bearbeitungen sich ins Breite zog, sind die Verdienste des neuen Bearbeiters, der zugleich die schwierige Rolle des Königs Wenzel übernommen ¦ hatte, und sie mit Einsicht und Energie beifällig durchführte. Wo wir im Lesen des Stücks die leicht zu bethörende Eifersucht Wenzels unbegreiflich finden, wirkt ein stets entflammtes Gemüth, das sich keiner Besinnung zu erlauben vermag, in dem Spiele, des Hrn. St. entschuldigend, und motivirt den Charakter hinlänglich. Das Publikum erkannte den Fleiß des Darstellers laut an, und rufte ihn nach der Endigung des Stücks heraus. Hr. Wildt gab den Johnann von Nepomuk, eine täuschende Aehnlichkeit mit diesem verehrten Märtirer der Wahrheit, interessirte allgemein, und sein einfaches herzliches Spiel erhöhte diese Theilnahme. Den Feldherrn Cytho gab Hr. Swoboda mit sprechender Mimik brütender Bosheit. Den alten würdigen Rath Oslaw stellte Hr. Pleskot mit Innigkeit dar, und die Königinn Johanna (Mad. Karl) Ludmilla (Mad. Schwamberg) und Graf Guido (Hr. Nigrin) trugen durch ein fleißiges Spiel dazu bei, zur beifälligen Aufnahme dieser Vorstellung mitzuwirken, die durch das totale Interesse dem hiesigen Publikum stets anziehend bleiben wird.
Apparat
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Schaffer, Sebastian
Überlieferung
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Textzeuge: Allgemeiner Deutscher Theater-Anzeiger, Jg. 4 (1814), Nr. 28, S. 110–111