Aufführungsbesprechung Wien: „Euryanthe“ von Carl Maria von Weber, Kärntnertortheater, 25.–30. Oktober 1823 (Teil 1)

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Correspondenz.

An die Redaktion der Zeitschrift Flora.

[…] ¦ […] Die wichtigste Begebenheit aus dem Gebiete der Kunstleistungen dieses Monats ist unstreitig die Aufführung der großen romantischen Oper: Euryanthe, mit Text von Helm. v. Chezy und Musik von C. M. v. Weber, dem Compositeur des Freischützen, wovon alle öffentlichen Blätter schon im voraus so viel geredet haben. Von dieser Musikdichtung versprach man sich allgemein, daß sie das bisher einigermassen verkannte Verdienst der deutschen Musik auf das glänzendste wieder emporheben, und deutsche Arbeit vor allen andern glänzend auf das schon vorbereitete Gerüste im allgemeinen europäischen Kunsttempel zur Andetung aufstellen würde. Die erste Vorstellung dieser Oper hatte am 25. Oct. im k. k. Hoftheater nächst dem Kärnthnerthor unter der eignen Leitung des Compositeurs statt, ihr folgte die zweite am Montage, den 27., und die dritte am Donnerstage, den 30., zum Besten der Dlle. Sontag. Zu den ersten Vorstellungen waren alle Logenplätze und gesperrten Sitze schon lange Zeit im voraus bestellt, und wenn von der äussern Aufnahme des Stückes die Rede ist, so kann man dieselbe allerdings glänzend, ja geräuschvoll nennen, denn nicht nur die Ouvertüre und die meisten Musikstücke wurden lärmend bekla[t]scht, sondern es ward auch der Compositeur nicht blos am Ende des Stücks, sondern auch nach jedem Akte hervorgerufen. Besondern Beifall erhielten bei den ersten beiden Vorstellungen (der dritten wohnte der Berichterstatter nicht bei) die Cavatine von Adolar im ersten Akte (eine Art von Romanze), die Arie der vierten Scene dieses Aktes von Eglantine (Mad. Grünbaum) mit Emphase und manchmal in einer bedeutenden Höhe schön gesungen; ein schöner Chor der Landleute und Ritter, endlich der Schlußchor dieses Aktes, worin Dlle. Sontag (Euryanthe) und Hr. Forti (Lysiart) gut sangen. Im zweiten Akte zeichnete man die erste Scene, vorgetragen von Hrn. Forti, das Duett Eglantinens mit Lysiart, Adolars Cavatine und den Zweigesang Euryanthens mit Adolar aus. Den dritten Akt hob Dlle. Sontag durch wahrhaft schönes tragisches Spiel und Gesang, und ein Jäger-Chor gefiel so, daß er auf Verlangen des Publikums zweimal wiederholt werden mußte. Artig war auch ein Chor der Landleute, und Mad. Grünbaum sang und spielte die Verzweiflung sehr brav, sah aber dabei nicht vortheilhaft aus… Man war überhaupt mit dem Beifalle nicht karg, und das Stück endete jedesmal unter den glänzendsten Zu friedenheits-Bezeugungen… Nach diesem wahren Berichte wird man an dem glänzenden Erfolge nicht zweifeln, auch werden wahrscheinlich die Gelehrten aus der „Ludlams Hö[h]le“ diese Oper als ein Meisterstück preisen. Wenn wir inzwischen unser eignes Gefühl aussprechen sollen, so müssen wir gestehen, daß diese Oper unsre Erwartungen nicht befriedigt hat, und hiermit stimmen auch die meisten Aeusserungen Unbefangener, die wir in gebildeten Privatzirkeln vernahmen, überein. Die Musik ist freilich im Allgemeinen gehaltreich und dramatisch, allein sie spricht, den in der That vortrefflichen Jägerchor ausgenommen, nicht an; sie genügt zwar den Regeln der dramatischen Composition, ist auch in der Instrumentirung schön und einigemal genial gehalten, allein sie enthält wenig durchaus neues Cantabiles in den Gesangstücken, überhaupt wenig hervorstechende Melodien, so daß sie nie, wie die vorzüglichsten Stücke des Freischützen, Furor machen, und die Gesänge der Euryanthe wie jene auf den Strassen werden gesungen werden. Die Ursache hiervon scheint uns vorzüglich in dem Mechanismus und in der Dichtung des Operntextes zu liegen.     (Forts. f.)

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Bandur, Markus

Überlieferung

  • Textzeuge: Flora. Ein Unterhaltungs-Blatt, Jg. 1823, Nr. 178 (11. November), S. 710f.

    Einzelstellenerläuterung

    • Andetungrecte „Anbetung“.

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