Aufführungsbesprechung Leipzig: Jubelkantate von Carl Maria von Weber, 19. Oktober 1818

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Nachfeier des Regierungs-Jubiläum’s Friedrich Augusts, Königs von Sachsen.

So wie jenes schöne und einzige Fest, das dem Gemüthe immer so nahe bleibt, ungeachtet es mit jedem neuen Tage sich tiefer in den Schoos der Vergangenheit senkt, an mehrern Orten und auch in unserm geliebten Leipzig mehrere Vorfeiern erfuhr: so ließ sich auch leicht schließen, daß unstreitig auch eine Nachfeier jenes seltenen Festes veranstaltet werden würde. Leipzig war es wieder, von woher zuerst die Anzeige gemacht werden kann, daß eine solche Nachfeier wirklich Statt fand.– Wir hatten jetzt überhaupt mehrere ausgezeichnete musikalische Genüsse. Denn nicht nur unser ehrwürdiger Musikdirector Schicht erfreuet uns an jedem Sonn- und Feiertage durch die ausgesuchtesten Kirchenmusiken, nicht nur unsere so befriedigend besetzte Oper, verbunden mit einem aus lauter Künstlern ¦ bestehenden Orchester zaubert uns oft in höhere Gefilde und läßt uns in der Musik eines der schönsten Kinder des Himmels erblicken; nicht nur unser gewöhnliches großes Abonnements-Concert auf dem Gewandhause hat wieder von Neuem kräftig und rühmlichst begonnen, sondern auch Außergewöhnliches ward zu unserer Freude gegeben. Herr Karl Maria von Bocklet aus Prag gab ein zweites großes Vokal- und Instrumental-Concert auf dem Gewandhause und beurkundete dadurch von neuem die schönen Eigenschaften, die gleich nach dem ersten Concerte in diesem Blatte von ihm gerühmt wurden. Herr Franz Grassi hat sich auch bei dieser Gelegenheit als einen Freund und Beschützer der schönen Künste bewiesen, indem er jede Mühe übernahm, daß dieses Concert zu Stande kam. Demoiselle Schneider aus Berlin und Herr August Klengel unterstützten und hoben dieses Concert noch durch ihren schönen und gefühlvollen Gesang.– | Ferner sind wir so glücklich, Madame Campi, erste Hof- und Opersängerin von Wien in Leipzig zu haben. Sie ließ sich schon einige Mal im Theater, und zwar im Titus, im Don Juan, in der Entführung aus dem Serail und in einem Lustspiele hören, in welchem sie zwischen den Acten zwei Arien und Variationen so meisterhaft sang, daß Kenner und Nichtkenner des Gesanges von dieser Kunstfertigkeit, von dieser Anmuth und Schönheit der Stimme, die schon vor zwanzig Jahren die Leipziger einmal gefesselt hatte, entzückt und bezaubert wurden.–

An diese Kunstgenüsse schloß sich nun noch die eigentliche Nachfeier des Regierungsjubiläums unseres guten Königs. Die Singakademieen, geleitet von dem Herrn Universitäts-Musikdirector Schulz, hatten drei Stücke einstudirt, durch deren Vortrag diese Nachfeier bewerkstelliget werden sollte und wozu wohl besonders die Jubel-Cantate, gedichtet von Friedrich Kind, und in Musik gesetzt von dem Königl. Sächs. Capellmeister Carl Maria von Weber, die Veranlassung gegeben hatte. Die Universitätskirche in Leipzig war zu dieser musikalischen Akademie ausersehen worden und die Aufführung selbst ging den 19ten October Abends um halb 7 Uhr vor sich. Die Kirche war zwar nur einfach, aber doch sehr schön für diesen Zweck erleuchtet, so wie noch andere Vorkehrungen getroffen waren, welche von ¦ der Ausführung des Ganzen erheischt wurden. Gewiß an 150 Sängerinnen, Sänger und Instrumentisten waren thätig, um in der mit Zuhörern ganz angefüllten Kirche das schöne Ganze eben so schön und kräftig auszuführen. Zuerst vernahmen wir die schöne Jubel-Cantate. Sie war freilich nicht zunächst für die Kirche komponirt, mußte aber doch auch in Dresden, in Ermangelung eines andern Platzes, in einer Kirche aufgeführt werden und gefiel auch dort gleich so sehr, daß die Dresdner Bürger eine Deputation aus ihrer Mitte an Herrn Capellmeister von Weber abschickten, welche das Geschäft über sich hatten, ihm im Namen der Dresdner Bürger für diese herrliche Musik zu danken. Auch in Leipzig ward diese Cantate vortrefflich aufgeführt. Text und Musik wetteiferten, Geist und Gefühl gefangen zu nehmen. Denn wer konnte ungerührt bleiben, wenn er Stellen, wie folgende, eben so schön ausgesprochen als componirt vortragen hörte:

Wohl lächelst freundlich du vor allen,Du vaterländ’sche Flur,Du Garten Gottes, Tempel der Natur! –Schön prangen deine HallenMit Fruchtgewinden, bunter Blumenschnur,Mit körnerreicher Aehren goldnem Glanze,Mit traubenschwerer Reben dunklem Kranze!Und, wie am Lichte durch smaragdnes MoosDie Silberströme schimmernd wallen, | So winden in der Erde finsterm SchoosSich Adern hin von glänzenden Metallen.Dir, Vaterland, schmückt sich mit Frucht und PrachtDie Oberwelt, das stille Reich der Nacht!Glücklich Volk, dem SegenspendenLiebend die Natur geschenkt,Wenn, die Wohlfahrt zu vollenden,Es ein guter König lenkt! –Laßt der Vorsicht Huld uns preisen;Dem ihr heil’ger Rathschluß gabDem gerechten, sanften WeisenUeber uns den Herrscherstab! –Was der Jüngling schön begonnen,Sieht der Greis vollendet heut’,Da, bestrahlt von funfzig Sonnen,Ihm der Jubelkranz sich beut!

Eben so schön war der Eindruck, welchen die Stelle hervorbrachte:

Herr voll Allmacht und voll Milde!Ew’ger! hast von unserm LandDu dein Antlitz abgewandt? – u. s. w.

Erschütternd, aber wohlthuend ward auch vernommen:

Ein Lichtstrahl drang durch die Gewitternacht,Und hehr erklang der Ruf: "Ich lohne!Fest, unerschütterlich ist des Gerechten Krone!" –

Ferner machten wohl den stärksten und bleibendsten Eindruck die Worte: ¦

Sey, König, uns willkommen!Augusta’s, seyd willkommen!Geschwister, seyd willkommen,In Euerm Elbethal!Das Leid ist nun entnommen,Die Luft aufs neu erglommen,Da Ihr zurückgekommen;Seyd Alle uns willkommen,Willkommen tausendmal!

Eben so vortrefflich war der herrliche Schluß komponirt:

König! mög’ an deinem ThroneStets der Segen sich erhöhn! u. s. w. bisDer Herr halte seinen Schild über Dichund gebe uns seinen Frieden. Amen!

Hierauf folgte der Hymnus solemnis von Schulz, Salvum fac Regem, Domine etc. und wurde eben so schön aufgeführt, wie am 20. September.

Den Beschluß machte die Hymne von Mozart:

Gottheit! Dir sey Preis und Ehre! &c. und krönte diese ganze Nachfeier auf die würdigste Weise. – Unstreitig würde die Kirche noch voller und der Dank für diese Nachfeier noch allgemeiner und inniger gewesen seyn, wenn sie nicht gerade auf den 19. Oct. veranstaltet gewesen wäre.

Apparat

Zusammenfassung

Besprechung der Nachfeier des Regierungsjubiläums des sächsischen Königs in Leipzig

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Allergnädigst privilegirtes Leipziger Tageblatt, Nr. 113 (23. Oktober 1818), S. 475–477

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