Aufführungsbesprechung in Darmstadt (Hofoper): Euryanthe von Carl Maria von Weber am 27. November 1825

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Theaterkorrespondenz.

(Beschluß.)

Die seit geraumer Zeit sehnlichst erwartete Euryanthe, große romantische Oper in drei Handlungen, Dichtung von Helmine Chezy, geborne Freiin Klenke, Musik von Carl Maria von Weber, hat gestern ihren ersten Besuch auf den Brettern abgelegt. Kenner, welche das Gedicht vorher lasen, haben es sehr lobenswerth gefundenT. Die Oper ist im großen Styl durchaus recitativisch gesetzt, und in ihrer Anlage von dem zur gemischten Gattung gehörenden Freischützen sehr verschieden. Die Ansichten über ihren Gehalt und Werth sind ausserordentlich von einander abweichend. Tot capita tot sensus! Sie hier einzeln auszuheben, würde zu weit führen, wir verweisen daher diejenigen unserer Leser, welche die von einander so sehr verschiedenen Meinungen und Urtheile genauer kennen, und sich von denselben ausführlich vollständig unterrichten wollen, auf

  1. Literarisches Conversationsblatt, No. 278, vom 3. Dezember 1825, und No. 279, vom 4. Dezember 1825, in den Artikeln Wien und Dresden
  2. Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode, No. 115 vom Jahr 1823, desgleichen in demselben Blatt No. 15 vom Jahr 1824*.
  3. Leipziger musikalische Zeitung, No. 52 vom Jahr 1824.

Die ausführliche Analyse, auch unpartheiischste Kritik, welche das Gepräge ächter Kunstliebe und der vertraulichsten Kunst-Kenntniß an sich trägt, und unstreitig vor den genannten Vorgängern den Vorzug verdient, enthalten die No. 239, 240, 241, 242, 243, 244 | und 246 vom Jahr 1825 der Didaskalia*) unter der Rubrik Frankfurter Volksbühne. Auffallend ist die unverdiente Verachtung, welche der Berliner Correspondent in dem oben unter No. 2 angeführten Journal, Monat Februar 1824, über die Euryanthe sich auszusprechen erlaubte, und welche wir unsern Lesern, wegen ihrer lästernden Partheilichkeit, doch ausheben müssen. Der Ungenannte sagt Seite 93: Den unbedingten Verehrern des vielgerühmten Maria von Weber geht es wie allen, die sich einen tüchtigen Rausch getrunken haben. Sie leiden zum Erbarmen am kläglichsten Katzenjammer, denn sie sind plötzlich durch die Euryanthe nüchtern geworden. Die Ouverture hat so wenig als das Jägerchor im Concerte gefallen, und es wollte verlauten, daß die ganze Composition kein rechtes Ganzes seye. Risum teneatae amicit! Nur hämischer Neid kann einem so boshaften Urtheil zum Grunde liegen. Weber hätte antworten können:

Von Dir verachtet, bin ich geachtet, Von Dir getadelt, bin ich geadelt.

Seine geniale und klassische Euryanthe, welche man den vorzüglichsten deutschen romantischen Opern, z. B. der Zauberflöte anreihen kann, wurde denn auch hier mit ausserordentlichem Beifall aufgenommen. Den größten Applaus erzielten folgende Nummern: Die Ouverture, das Terzett mit dem Chor: Du kannst u. s. w., das Duett zwischen Euryanthe und Eglantine, die Arie der Eglantine, und im ersten Acte das Finale. Die Arie von Lysiart und dessen Duett mit Eglantine gefielen ausserordentlich im zweiten, und im dritten Act die Cavatine: Hier dicht am Quelle, so wie die Arie: Zu ihm, zu ihm.

Sehr vortheilhaften Eindruck machte das Jägerchor.

Dem. Madler war als Euryanthe sehr vorzüglich; ihre Stimme ist für diese Rolle ganz geeignet, und sie löste die schwere Aufgabe derselben mit allgemeinem Beifalle. Lysiart, Herr Delcher, erwarb sich großen Applaus durch seinen männlichen schönen Gesang. Sein Spiel konnte jedoch weniger bewundert werden. Eglantine, Madame Krüger-Aschenbrenner, die holde Philomele, gefiel und wurde auch ungemein gefeiert. Ihr Spiel und Vortrag sprach zum Herzen. In der Singkunst thun Gefühl und Methode alles; wo diese beiden wesentlichen Eigenschaften fehlen, hat auch das schönste Organ keine Bedeutung, nie wird es die Zuhörer hinreißen.

Die übrigen Darstellenden leisteten das Mögliche.

Die Präcision und Reinheit der Chöre verdienen dankbare Anerkennung.

Auch das Orchester that Wunder, und bewährte die vortreffliche Leitung der Herrn Kapellmeisters Mangold.

Garderobe, Decoration und die ganze Scenerie geschmackvoll und passend. ¦

Möge ein solcher genußreicher Abend für den aufmerksamen und sinnigen Zuhörer, der sich gerne den Anregungen des wahrhaft schaffenden und bildenden Genius hingiebt, wiederkehren!

[…]

[Originale Fußnoten]

  • Dieselbe wurde aus dem Dresdner Merkur entlehnt.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Bandur, Markus

Überlieferung

  • Textzeuge: Didaskalia oder Blätter für Geist, Gemüth und Publizität, Nr. 358 (24. Dezember 1825), S. 3f.

    Einzelstellenerläuterung

    • „… No. 15 vom Jahr 1824“Es handelt sich um die Zusammenfassung einer Kritik aus der Allgemeinen musikalischen Zeitung, Jg. 25, Nr. 52 (24. Dezember 1823), Sp. 860–865.
    • 1824recte „1823“.
    • 246recte „247“.
    • kannstrecte „kennst“.

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