Aufführungsbesprechung Leipzig: Oberon von Carl Maria von Weber am 24. und 29. Dezember 1826 (Teil 2 von 2)
Correspondenz.
(Beschluß.)
Leipzig, am 30. Dec. 1826.Außer dem singenden Personale ist noch ein starkes nichtsingendes in der Oper verflochten, und es verdient allen Dank des Publicums, daß die besseren Schauspieler und Schauspielerinnen sich diesen Rollen unterzogen haben. Mad. Miedke, Roschana, ärndtete sogar starken Applaus in ihrer unbedeutenden Rolle ein.
Die äußere Ausschmückung, obwohl nicht ganz den Vorschriften des Dichters gemäß, ist für eine Privatbühne ausgezeichnet zu nennen. Der Hofrath Küstner verdient daher den Dank des Publicums unbedingt. Zu bemerken fand ich etwa Folgendes: Würde es nicht einen noch schöneren Effect gemacht haben, wenn Oberon während des ersten Chors, auf einem schönen Lager, wirklich auf der Bühne schlafend, vorgestellt worden wäre, so daß die Gruppen der tanzenden Feen, sich, so wie in dem Gesange, auch in den Bewegungen auf ihn bezogen hätten? Auch waren die Bewegungen bei diesem Tanze, und bei den Uebergängen aus einer Gruppe in die andere nicht leicht und schwebend genug, wie dieß so schön in der Musik angedeutet ist. – Die Maschinerien sind etwas zu langsam und das durchaus verticale Aufsteigen des Wagens mit vorgespannten Schwänen, macht einen komischen Eindruck. Warum erschien ferner der Wolkenwagen mit Oberon immer in der ersten Coulisse? Nur eine Coulisse tiefer mußte der Effect schon schöner seyn. Ein neuer Saal zu Anfang des zweiten Actes ist von Hrn. Gropius; nach meiner Ansicht aber etwas zu bunt. Auch scheint es mir, als habe Hr. Gropius sowohl bei dieser, als bei einigen anderen Decorationen, den Horizont ein wenig zu hoch gelegt. Ein neuer Hintergrund, welcher das Ufer des Meeres mit einigen Schiffen darstellt, hat hinsichtlich des Lichteffects Wahrheit, oder‡ das Wasser ist zu kleinlich behandelt, und die Perspective der Kuppel des stärksten Thurmes unmöglich richtig. Die Hauptvorzüge des Herrn Gropius sind schöner Farben- und Lichteffect. – Von einem anderen Maler, Hrn. Georgi, ist eine neue Decoration zum Schlusse des zweiten Acts geliefert, und stellt erst einen bewölkten Himmel mit Blitzen vor, welches recht hübsch ausgeführt ist; aber die darauf folgende wirkliche Darstellung der Sonne ist ein großes Wagestück. Sollte die Sonne durchaus dargestellt werden, so konnte man sie doch wenigstens zum größten Theil verhüllen. Auch steht sie erst eine sehr geraume Zeit völlig fest, und wird dann ganz plötzlich niedergezogen. Kann man, der Vorrichtung wegen, die Sonne vielleicht nicht selbst bewegen, so kann man den|selben Effect durch Täuschung erlangen, indem man den Horizont der See nach und nach etwas in die Höhe zieht. Die darauf folgende Mondbeleuchtung war weit schöner. – Einen sehr schönen Effect gewährte die Schlußgruppe des zweiten Actes. Die Feen und Elfen führen nämlich während des Chors einen Tanz mit chinesischen Laternen aus, wozwischen verschiedene Gruppirungen angebracht sind; die Schlußgruppe ist so gestellt, daß alle Laternen ein wie mit Puncten regelmäßig ausgefülltes Dreieck bilden, auf ein Zeichen werden plötzlich alle Laternen zugleich herumgedreht und jede stellt nun einen hellstrahlenden, weißen Stern vor. Ob sich aber das Dreieck selbst gerade hierbei am schönsten ausnimmt, glaube ich nicht; gewiß wäre dafür eine schönere Gruppe aufzufinden. Auch der Tanz im dritten Acte ist mit Geschmack gewählt. Herr Wenzel, welcher diese Tänze anordnet und einstudirt, ist zugleich Maler, was ihm zur Darstellung schöner Bilder sehr behülflich ist. – Einen guckkastenartigen Eindruck macht es aber, wenn, während Puck’s Beschwörungs-Arie in der Höhle, die angerufenen Geister durch von Zeit zu Zeit illuminirte transparente Fratzenköpfe zur Darstellung gebracht werden, da überdem der ganz Chor hinter der Scene bleibt. – Der Schluß der Oper war auf eine unbegreifliche Weise ganz vernachlässigt. Als Oberon von dem treuen Paar Abschied genommen, zertheilen sich die Wolken, und Carl’s des Großen Thronsaal, kaum einem Rittersaale ähnlich, und ohne alle Ausschmückung, wird sichtbar. Carl der Große schreitet ohne Anstand und Würde mit sechs einfachen Rittern auf seinen Thron zu, dann erscheinen Hüon und Rezia, und ein Chor beschließt das Ganze. Entweder mußte nach so viel Pracht dieser Festsaal und die Umgebung im größten Glanze dargestellt seyn, und dann konnte der Marsch gespielt werden, während die Wolken das Theater noch eingehüllt haben (wodurch zugleich die Fantasie rege gemacht worden wäre), damit nach Zertheilung der Wolken Kaiser Carl mit seinem Hofe schon an Ort und Stelle gelangt wäre (jeder Zug hat auf dem Theater etwas Comisches), wodurch bei guter geschmackvoller Anordnung ein schöner Effect hervorgebracht worden wäre; oder der Schluß hätte mit Oberon’s Abschiede herbeigeführt werden können, zu welchem Zwecke in einer tiefen Wolkendecoration alle Feen und Elfen in schönen Gruppen, vielleicht auf terrassenförmig hinter einander liegenden Wolkenmassen, aufgestellt werden könnten*.
Auch die Costüme waren sehr schön, vielleicht das des Hüon’s am unvortheilhaftesten gewählt. Die Figur und Größe der Person muß, sowohl in Schnitt als Farbe, den Maaßstab abgeben.
Der Herzog von Braunschweig wohnte dieser Vorstellung bei. ¦
Ein Beispiel, wie comisch manche Menschen urtheilen, ist die Bemerkung, welche mir gemacht wurde, daß man in der Composition dieser Oper deutlich das Vorgefühl zu Weber’s Tode wahrnehmen könne, wegen der Schwermuth, die darin herrsche.
Eine andere Neuigkeit brachte uns der folgende Abend im Declamatorio. Die Frau unsers Regisseurs v. Ziethen sang als ersten Versuch ein Duett mit Mad. Streit, und ärndtete entschiedenen lauten Beifall ein. Ihre Stimme ist angenehm, zart und von bedeutender Biegsamkeit und Beweglichkeit. Diese Eigenschaften, und ein schönes Aeußeres damit verbunden, werden diese Frau bald zu einer angenehmen Erscheinung in der Oper machen. Ihr Rollenfach dürfte vorzüglich in Parthien wie Fanchon, Zerline, Amazili u. s. w. zu finden seyn.
Am 28. Dec. ward uns ein angenehmer Genuß durch das gemeinschaftliche Spiel der Brüder Devrient, im Don Carlos. Herr Devrient aus Dresden gastirte als Don Carlos, und Herr Devrient aus Leipzig betrat nach einer schweren Krankheit zum Erstenmal die Bühne wieder, als Posa. Die einzige Bemerkung, welche ich mir bei dieser Gelegenheit erlaube, ist die, daß ich sehr wünschte, unseren Devrient mal als Hamlet zu sehen, es ist manches in seiner Persönlichkeit und seinem Spiel, was ihn sehr unterstützen würde.
Nächstens mehr, wenn dieß nicht schon zu viel ist.
W.Apparat
Zusammenfassung
Teil 2 von 2
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Frank Ziegler
Überlieferung
-
Textzeuge: Journal für Literatur, Kunst und geselliges Leben, Jg. 42, Nr. 8 (18. Januar 1827), Sp. 62–64
Einzelstellenerläuterung
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„oder“recte „aber“.
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„… liegenden Wolkenmassen, aufgestellt werden könnten“In einem weiteren (ungezeichneten) Korrespondenzbericht aus Leipzig vom 8. Februar 1827 in derselben Zeitschrift, Nr. 26 (1. März 1827), Sp. 207 heißt es: „Was das Repertoir dieses neuen Jahres betrifft, so ist es erfreulich, daß Oberon bis jetzt darauf den Hauptraum einnimmt, und wöchentlich bei stets gefülltem Hause gegeben wird. Der Schluß dieser Oper ist dahin geändert, daß der Marsch und König Carl ganz wegbleiben und der Schlußchor von den auf und in Wolken gruppirten Feen und Elfen gesungen wird.“