Aufführungsbesprechung München, königliches Hoftheater: „Preciosa“ von Carl Maria von Weber am 2. Juni 1822
Juni 1822.
[…]Den 2. k. Hoftheater z. E. „Preciosa,“ von Wolff. Der Name, so wie der Ruf, versprochener Kleinodien, und ich machte mich schon bereit, ihre Aechtheit zu untersuchen, doch weder des Smaragden Strahl, noch der Rubinen Glanz blendeten mein Auge, und statt ihrer zeigte sich recht zum Erschrecken, eine sehr unpreciöse Zigeuner-Favoritinn Namens Preciosa, so zu sagen, als Bettelschirmerinn der Gittano’s, welche in Spanien umherziehen, wahrsagen, Kunststückchen machen, ein wenig stehlen und dazu tanzen. Wahrhaft, erhabner konnte Herr Wolff nicht irre gehen im Gebiethe der Romantik. Unsere bestiefelten und bespornten Gittanno’s strengten im Schweiße ihres Angesichtes alle Leibeskräfte an, um den ohnehin sehr saftlosen Kern des Machwerks nieder zu tanzen und nieder zu spornen, und – zu ihrer Ehre sey’s gesagt – es gelang dermassen gut, daß kaum ein Vierttheil von der dünnen Schaale übrig blieb. Sie mögen süß ausruhen nach der schweren Arbeit! Preciosa lernt unter Zigeunern deklamiren, und erhebt sich zu einer Art von Seherinn, während der Zuschauer nichts sieht und hört. Auffallend verletzt ist überall die Basis des dramatischen, so wie jede psychologische Wahrheit. Es wäre zu wünschen Preciosa kehrte in ihr bescheidenes Diminutivum: Preciöschen, und endlich gar in ihre ursprüngliche Nullität zurück. Weber, durch seine liebliche, im orientalischen Geschmack ausgeführte Musik, und Horschelt’s treffliche Arrangements zogen in der That einen goldenen Reif um den rohen ungeschliffenen Stein, und erhoben ihn zu etwas, was er nicht war. Der lautgewordene Beifall galt allein ihren Bemühungen. – […]
Apparat
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Amiryan-Stein, Aida
Überlieferung
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Textzeuge: Wiener allgemeine Theaterzeitung, Jg. 15, Nr. 86 (18. Juli 1822), S. 342