Franz Weber an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
London, Montag, 18. April 1881

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Geehrter Herr Professor,

Meine Antwort auf Ihren werthen Brief vom 11ten vor. Mts hat sich leider (!) wieder verzögert und inzwischen habe ich meine Wohnung gewechselt wie Sie aus obiger Adresse ersehen, von welcher ich Sie bitte Vormerkung zu nehmen. Ich wohne jetzt näher der Stadt, was mir in meiner Beschäftigung besser zusagt und eigentlich schon längst hätte geschehen sollen.

Doch zur Sache. Mein Thema muß heute nur der „Hassan“ sein, doch verspreche ich Ihnen daß auch der „Freischütz“ jetzt in den nächsten Tagen abgehandelt werden soll; es ist ja ganz unverantwortendlich von mir Sie so lange damit hinzuhalten!

Also gleich wenigstens zum „Hassan“, und hier thut es mir unendlich leid daß ich Ihnen Confusion und Mühe verursacht habe, da sich doch alles so leicht aufklärt. Ich habe keine Copie meines ersten Berichtes (v. October 1879) behalten und so hat mir mein Gedächtniß einen Streich gespielt in Betreff der von „Preciosa“ entlehnten Nummer. Wenn ich also sagte daß meine, auf das Textbuch gestützten, Vermuthungen völlig bestätigt seien, bei Durchsicht der Musik im British Museum, so bezieht sich dies doch nur auf 2 Nummern nämlich „Im Wald“ (No 7 im einliegenden Verzeichniß II) u. „Es blinken“ No 9 im Verz. II) während ich mich in Betreff des Chor’s „Heil Preciosa“ (No I in meinem Verzeichniß, von October ’79) offenbar geirrt habe, denn der englische Text „Hail Hail“ ist, wie ich hernach gefunden, dem Chor „Heil ist dem Haus“ angepasst und es war mir entfallen daß ich Ihnen früher, nach dem Textbuch*, jene erste Vermuthung mitgetheilt hatte. So erklärt es sich nun leicht daß ich im ersten Bericht, nach Vermuthungen, 6 Stücke aus Hassan und 3 Stücke aus Preciosa 10 Stücke im Ganzen und später, nach thatsächlicher Forschung, 7 Stücke aus „Hassan“ 2 Stücke aus „Preciosa10 Stücke im Ganzen angeführt habe. Ersteres ist falsch, Letzteres richtig und zuverlässig.

Ich rekapitulire nun wie folgt:

  1. Es handelt sich in meinen beiden Berichten um ein und dieselbe Aufführung des „Hassan“, nämlich die vom 1 April 1825* im Theatre Drury Lane, welche viel Beifall fand.
  2. Alles von mir in meinem ersten Bericht Gesagte ist Zuverlässig, mit Ausnahme der muthmaßlichen Angabe der Musik.
  3. In Bezug auf die Musik-Nummern der Londoner Aufführung ist mein zweiter Bericht zuverlässig, welcher den ersten Chor mit dem „Heil ist dem Haus“ des W’schenHassan“ identifizirt u. a. m. Bitte also, was den musikalischen Theil betrifft, ganz das Verzeichniß No II (wie einliegend zurück) zu adoptiren.
  4. Die Orthographie des Englischen betreffend (Verzeichniß No II (wie einliegend) habe ich drei Correkturen eingeschaltet, in den Worten thou (No 7) ev’ning (No 9) u. shining (No 9).
  5. Schließlich bemerke ich noch, im Allgemeinen, daß das Stück in London unter dem Titel „Abon Hassan“ aufgeführt wurde; daß der Hiemer’sche Text dabei kaum benutzt worden ist, indem Dimond einfach das Sujet auf höchst originelle Art behandelt (siehe meinen ersten Bericht) und daß das Ganze mehr den Charakter eines Singspieles wie den einer Oper trägt. Im Vergleich zu dem ersten „Freischütz“ in England, muß man aber sagen daß der „Hassan“ ungleich pietätvoller behandelt worden ist.

Ueber Letzteren, nämlich den „Freischützen“, konnte ich Ihnen schon heute Act I u II schicken, es handelt sich jedoch nur um einen Nachmittag im British Museum bevor ich Ihnen das ganze pasticcio auftischen kann, und so lasse ich es lieber noch ein paar Tage anstehen.

Nun, zum heutigen Schluß, noch eine Bitte. Ich habe mich seit einiger Zeit, durch meine wachsende musik-literarische Thätigkeit veranlasst, und auf dringenden Rath mehrer intimer Freunde, entschlossen eine aufreibende Doppel-Stellung aufzugeben und mich ganz einer Sphäre zu widmen die mir zusagt, und zunächst auch meine geistige Thätigkeit freier entfalten lässt. Seit mehr als 15 Jahren mit den englischen Verhältnißen vertraut war mir ein solcher Uebergang, namentlich in Hinsicht zu meiner Stellung zur „Musical Times“, nicht schwer. Gerne aber würde ich, behufs der Ausdehnung meiner Verbindungen, mit einigen deutschen musik. Zeitschriften, etwa als Londoner Correspondent, in Verbindung treten, und vielleicht können Sie mir in dieser Hinsicht behülflich sein. Sie kennen, so ziemlich, meine Fähigkeiten. Der kürzlich verstorbene Max Schlesinger dürfte manche Lücke in dieser Hinsicht offen gelassen haben, die ich gerne ausfüllen würde, um so mehr da er kaum ein Fach-Musiker war.

Also au revoir in Sachen des „Freischütz“ Ihr immer zu Gebote Stehender
F.Weber

Sehr leid hat es mir gethan zu hören daß Sie so unwohl gewesen sind; hoffentlich sind Sie wieder ganz hergestellt.

[Beilage von Jähns:] Abu Hassan

Inhalts-Verzeichnisse

1825

Die[s] Blatt erbitte ich ergebenst zurück.

Habe ich das Englische orthographisch richtig copirt?

Bl. 1v: Das einfach Unterstrichene ist genaue Copie Ihrer Mittheilung, das Übrige Zusatz von mir.

I. Ihr Textbuch im Briefe v. 20. Oct. 79

  • Preciosa: (Erster Chor in Preciosa. Neuste Ausg. „JähnsN. 2: in Abu HassanChor (das Stück eröffnend) Heil Preciosa“ — „Preciosa
  • Arie (Zulima) „wird Philomele.: (Abu N. 5.)
  • Chor. (Gläubiger)Geld! Geld!“: (Abu N. 3)
  • Duett. (Abu u. Zulima) „Liebes Weibchen“: (Abu N. 1.)
  • Quartett. (mit 8 Hörnern) „Im Wald“ (Preciosa N. 6.)
  • Finale (I Akt) Ballet Musik: „Es blinken“ (Preciosa N. 12a)
  • Duett.(Hassan, Zulima) „Umgaukelt“ (Abu N. 4. der 2te Theil. Allo. 6/8. Es dur.)
  • Arie (Zulima) „Hier liegt“. (Abu No. 8. Nachkomp., deshalb auch früher: N. 10.)
  • Anfangs chor wiederholt (aus) Preciosa. „Heil Preciosa!“ (N. 2 aus Preciosa)

(Zu pag. 3.)

Act II

  • 10. DuettHear me though Love’s first wild hour be over“ (anal.Thränen sollst du nicht vergießenAbu. N. 4. Erster Satz: Andante Allegretto moderato 6/8 C dur. Der 2te Satz: „Du Trauter nur beseligst mich“ Allegro moderato. ¾. Cdur.
  • 11. March Finale: 2 Tacte mit Chor am Ende „Hail, hail unbekannt, jedenfalls nicht aus dem Hassan u. nicht Weberisch?

Bl. 2r: Die Musik im British Museum Brief v. 8. März 81.

Wie drüben; soll heißen in der Ordnung „wie sie in dies Stück eingelegt waren“.

Act I.

  1. Ouverture (Ganz nach Bonner Clavierauszug.)
  2. Chor der SclavenHail, Hail, the Royal Beauty“ (analog mit „Heil ist dem Haus beschieden“) Abu-Schlusschor N. 10.
  3. Solo „The bird whose song of gladness“ (anal. Wird Philomele) das Allegro (7 Takte) sind hier weggelassen. Abu: N. 5.
  4. Chor u. Hassan. „Pay, pay, pay!“ (anal. Geld! Geld! einige Takte ausgelassen. Abu: N. 3.
  5. Duett. „Wine, my fairest, juice divine“ (anal: „Liebes Weibchenvollständig.) Abu: N. 1.
  6. Recit. u. Arie: „Kind genii hear me“ (anal.Was nun zu machen“) Abu: N. 2.
  7. Chor. „Away, thow broadly glaring eye of day,introduced from „Preciosa“ (anal.Im Wald)“ Preciosa No. 6.
  8. Zwei kurze Stücke für Orchester:
  • I: Allegro. Sclaven bringen eine Kolossalpfeife für den Kaliphen.
  • II: Vivace. Die Sultana erscheint. Beide Stücke rühren offenbar nicht v. Weber her.
  • 9. Finale des I Akts. Grand Ballet and Chorus. „Now the first Star of evering is skiningintroducecd from „Preciosa“. (Anal. „Es blinken so freundlich“). — Preciosa N. 12a.

Bl. 2v: Resumé aus Umstehendem:

Zu Abu (in Brief I und II) sind aus Abu (Orig. Ausg.) verwendet:

  • Ouverture
  • N. I. DuettLiebes Weibchen
  • N. 3. ChorGeld, Geld, Geld!
  • N. 5. ArieWird Philomele
  • Zu Abu (in Brief I) sind im Ganzen aus Abu (Orig. Ausg) verwendet:
  • Ouverture.
  • N. 5. ArieWird Philomele
  • N. 3. ChorGeld, Geld, Geld!
  • N. 1. „Liebes WeibchenDuett
  • N. 4. (Doch nur den 2ten Theil davon): „Umgaukelt“, Duett
  • N. 8. ArieHier liegt
  • Zu Abu (in Brief II) sind im Ganzen aus Abu (Orig.Ausgabe) verwendet:
  • Ouverture.
  • N 10. ChorHeil ist dem Haus beschieden“.
  • N. 5 ArieWird Philomele
  • N. 3. Chor: „Geld, Geld, Geld!
  • N. 1. DuettLiebes Weibchen
  • N. 1. ArieWas nun zu machen
  • N. 4. Duett (doch nur der 1ste Theil davon:) „Thränen sollst du nicht vergießen
  • In Brief I fehlt aus Weber’s Abu:
  • N. 4 (Theil 1. „Thränen sollst du“) und N. 6, 7 u. 9.
  • In Brief II fehlt aus W’s Abu: N. 4 (Theil 2 „Umgaukelt“ u. N. 6. 7. 8 u. 9.
  • In Brief I und II fehlen zugleich N. 7. 8 u. 9.

Forts. Bl. 1r unten:

Aus Preciosa verwendet in Abu:

  • In Brief I: Preciosa N. 2. Chor „Heil Preciosa
  • ----- N. 7. ChorIm Wald
  • ----- N. 12a Chor u. BalletEs blinken
  • Im Brief II: Preciosa N. 7. ChorIm Wald
  • ------- N. 12a. Chor u. Ballet: Es blinken

12 Mai 23. 4. Juli 1870 wurde Abu ital. aufgef. auf Druryl. übers. von Marchesi mit Rec. von Arditi. Fatima Monbelli Hassan = Trebelli […]

Der Ab. wird mir in 2 lieben Br. von Ihnen bespr. einem v. 20. Oct. 79, einem v. 8. März 81, den gestern heut empf. Sie sprech. in beiden von einem Abu H., der zuerst 1 Apr. 1825 in Drurl. aufgef. worden sei In Brief N. 1 (v. 20. Oct. 79) theilen Sie mir aus dem Textb. In Ihr. Besitz mit, daß dasselbe von W. Dimond frei verfaßt sei. In Brief N. 2 (v. 8. März 81) theilen Sie mir mit, daß Sie die musik. Num. des Abu im British Mus. mit denen ihres Textb. Von 1825 verglichen u. Ihre Vermuthungen bestätigt gefunden haben, daß alle Numm. (fast gänzlich) aus Weber angehörender Musik bestehn. In jedem der beiden Briefe theilen Sie mir die Nummern mit. Ich habe von Anfang nicht ein Wort Ihrer Vermuthungen angezweifelt, dennoch aber weichen der von Ihnen gegebene Inhalt nicht ganz unbedeutend ab. Ich erlaube mir auf einem bes. Blatt diese Abweich. aus den Briefen also des Textb. u. der Musik im British. Mus. gegenüber zu stellen. um zu fragen Ich müßte in meinem Nachtrag doch genau angeben, welche Stücke dem Abu aus s. eigentl. Gestalt verblieben u. welche Stücke aus Prec. In ihn hineingebracht sind. Das erfahre ich nicht klar aus Ihren beiden allerdings abweichenden Inhaltsverzeichnissen u. bitte Sie l. Fr. deshalb bescheid. um gütige Ausk.

Apparat

Zusammenfassung

stellt einiges im Brief vom 20. Oktober 1879 Gesagte im Hinblick auf die verwendete Musik Webers im englischen Abon Hassan richtig; ist interessiert, für deutsche Musikzeitschriften als Auslandskorrespondent zu arbeiten und bittet J. um Vermittlung

Incipit

Meine Antwort auf Ihren werthen Brief vom 11ten vor. Mts

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 657

    Quellenbeschreibung

    • 2 DBl. (8 b. S. o. Adr.)
    • 1 DBl. (4 b. S.) von F. W. Jähns u. 2 Bl. (3 b. S.) Notizen von Jähns in Blei zu seinem Brief an F. W., auf den obiger die Antwort ist
    • am oberen linken Rand Bl. 1r Briefnumerierung von F. W. Jähns (rote Tinte):„ 7.“ .
    • das Konzeptblatt (Blei) zum „Inhaltsverzeichnis“ stimmt mit diesem überein bis auf einen Passus: „Beiden I u. II fehlen 6. 7. 9.“; Abu Orig., auf Bl. 2v der Reinschrift heißt es: „In Brief I und II fehlen zugleich N. 7. 8. 9.“

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Tv in: Weberiana 18 (2008), S. 107

Textkonstitution

  • „… “Auf Bl. 1r quer zur Schriftrichtung:
  • Andantedurchgestrichen
  • unleserliche Stelle (ca. 1 Wort)
  • „gestern“durchgestrichen
  • „um zu fragen“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… Ihnen früher, nach dem Textbuch“Textdruck „ABON HASSAN; | A COMIC DRAMA | IN | TWO ACTS; | AS ACTED | At the Theatre Royal, Drury Lane; | WITH DISTINGUISHED SUCCESS. [...]“, London: R. S. Kirby, 1825; Exemplar u. a. D-B, 50 MA 16599.
  • „… die vom 1 April 1825“Die Londoner Erstaufführung fand am 4. April 1825 statt.
  • thowrecte „thou“.
  • everingrecte „ev’ning“.
  • skiningrecte „shining“.
  • Rec.Abk. von „Recitativen“.
  • l. Fr.Abk. von „lieber Freund“.

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