Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 11. November 1816 (Teil 3 von 3)
Vandycks Landleben.
(Beschluß.)
In der zweiten Vorstellung, da so Schauspieler als Zuschauer schon weit mehr die Unbehaglichkeit des Fremdartigen abgelegt hatten, war alles schon beweglicher und in regerer Wechselwirkung. Hier wurden auch schon gelungenere Tableaux, wie der Bauerntanz nach Teniers, oder die herrliche Feuerscene in der Küche des Schöffen, ein vollendeter Schalken im Lichteffect, und endlich die ganz in niederländischer Manier mit Blumen- und Fruchtstücken decorirte Putzstube des Schöffen, worin er den vornehmen Besuch der römischen Gäste empfängt, mit lautem Beifall sinniger Kunstfreunde begrüßt. Nur beim letzten Akt, wo Gemälde an Gemälde sich eben so drängt, als das Interesse des Spiels aufs Aeußerste gesteigert wird, siegte die Schaulust über jeden beweglichen Ausbruch des freudigeren Beifalls und gebot Ruhe, bis der herabrollende Vorhang alles lösete und in Bewegung setzte.
Wo jeder Künstler so an seiner Stelle steht und diese so vollkommen ausfüllt, mag dem Einzelnen kaum ein anderes Lob gespendet werden, als daß er ein würdiger Theil des Ganzen gewesen. Herr Kanow als Rubens war in seinem kräftigen Auftritt in Spiel, Haltung und Ton wirklich der stolze Fürst der Kunst, wie ihn sich der Dichter gedacht hatte. Demois. Schubert gab ihre kleine Rolle als Rubens Gatting und begeisterndes Vorbild Vandycks mit gewinnender Anmuth, Wahrheit und Grazie. Herr Geyer als Ritter Nanni bot alle ihm zu Gebot stehende Mittel auf, um hinter der gediegenen Vornehmheit seiner Rolle nicht zurückzubleiben. Das vielleicht zu lang verhaltene Feuer bricht gewaltsam los, als er zur Kapelle heraurstürzt, und wirkt nun doppelt. Er hatte sein auch sonst geschätztes Malertalent hier in Erschaffung einer eignen Gesichtsmaske und des sehr würdigen Costüms beurkundet. Mad. Hartwig als dessen Nichte Paola lösete eine der schwersten Aufgaben, in diese niederländischen Naturen als eine Escheinung aus einer höhern Kunstwelt zu treten und doch mit sänftigende Weiblichkeit alles zu ebnen und auszugleichen, mit dem ihr eignen tiefen Eindringen in den Geist der Rolle meisterhaft, und hatte in Stellung und Declamation begeisternde Momente, weil sie selbst begeistert war. Wer in der Römerin noch festere Haltung, stolzern Anstand verlangt, tadelt den Dichter. Herr Hellwig als Leiter ¦ des Ganzen bewundernswerth, als Darsteller Vandycks (zumal wenn man das Störende des ihm obliegenden Anordnens mit in Anschlag bringt) sehr brav und in vielen Scenen, z. B. wo er, durch gereizte Eitelkeit sich offner mittheilend, an Paola den (von vielen übersehenen) Schlüssel zu Roß ein wahrer Kunstheros. Wer ihn noch weicher und inniger wünscht, denk auch auf andre Mittel und Wege, ihn dann vom Liedeszauber zu lösen. Aber Mad. Schirmer als Lenchen war in der That einzig in diesem Stück und übertraf sich in naiver Befangenheit, kindlicher Reinheit und im süßesten Liedreiz ländlicher Unschuld eben so sehr, als in der anspruchlosen Hoheit, welche ihr die Tugend und Selbstüberwindung giebt. Ihre Kunst rechtfertigt Vandycks verliebten Wahnsinn und die seltsame Verwechselung zweier Helenen, welche nach des Dichters Idee sogar beide von einer Schauspielerin gespielt werden können. Gewiß die Verführung war groß, hier auf dem Charakter der Tochter des Schöffen von Savelthem zu fallen. Aber sie weicht auch nicht einen Moment aus ihrem Kreise und ist dieselbe, sie mag den Reigen vortanzen oder die Myrtenkrone empfangen. Viel, sehr viel beruht auf dem angemessenen Spiel in dieser Rolle, und nur da, wo ihr, wie hier, Gnüge geleistet wird, mag Kind’s Vandyck ein Lieblingsstück des Publikums werden. Herr Schirmer als Schöffe mußte den Bocksbeutel und das Förmliche seines Amtes gerade so ehren, wie er that, und wer hie und da über Langweile sich beschwert, gat es mit dem Dichter zu thun. Herr Müller als Niclas und Lenchens Verlobter hätte bei seiner vielversprecheden Gewandheit sich leicht interessanter machen können; aber wo wäre dann die flamändische Natur geblieben? Hier that ihm noch überdieß seine sehr jugendliche Figur Schaden. Auch alle übrigen untergeordneten weiblichen und männlichen Rollen wurden von Künstlern, nict von Lückenbüßern gespielt. Wie brav nahm Base Anna (Mad. Drewitz ihre kleine Rolle! Die Herren Christ, Hafner, Drewitz, Herrmann, Künzel, welce Figuren! Herr Bösenberg, als wär’ausgeschnitten aus einem unsrer Teniers. – Doch genung im Allgemeinen von einer Vorstellung, wo es schwer wird zu bestimmen, ob der geniale und sinnreiche Dichter mehr für die Schauspieler, oder diese mehr für den Dicter gethan haben, wo aber das Resultat höchst erfreulich für Hoffnung gebende Bestrebung und Befriedigung gewährende Leistung ausfiel.
Editorial
Summary
Aufführungsbericht Dresden: “Van Dyks Landleben” von Friedrich Kind am 11. November 1816 (Teil 3 von 3)
Creation
vor 7. Januar 1817
Responsibilities
- Übertragung
- Albrecht, Christoph
Tradition
-
Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 6 (7. Januar 1817), f 2v