Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 10. August 1817 (Teil 2 von 2)

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Bayard. (Beschluß.)

Bianka’s Rolle, die meist auf sehr tragischen Kothurnen einherschreitet, wurde ganz in der Intention des Dichters von Mlle. Schubert so leidenschaftlich gegeben, daß lauter und wiederholter Beifall ihr lohnte. Die erste Zusammenkunft mit Bayard im zweiten Akt giebt einer denkenden Schauspielerin den erwünschten Spielraum, ihre ganze Kunst im Ausbruch und im Zurückdrängen der Leidenschaft zu entwickeln. Unsere Künstlerin zeigte darin ein sehr aufmerksames und gelungendes Studium. – Miranda wurde von Mad. Schirmer mit allem ausgestattet, was der Dichter selbst diesem ächt romantischen Charakter, in welchem sich wieder, wie in der klugen Frau im Walde, ein Vorstudium zu seinem Schutzgeist abgeschattet hat, nur immer in dichterischer Machtvollkommenheit zugedacht haben konnte. Der Kampf der jungfräulichen Schüchternheit mit der schnell auflodernden Reizbarkeit, wo Eifersucht ins Spiel tritt, der immer höher gesteigerte Heroismus der Selbstverleugnung und Selbstaufopferung wurde auch hier mit eigenthümlicher Anmuth und Wahrheit durchgeführt. Vielleicht würde da, wo Miranda ihr eifersüchtelndes Unrecht dem höchstgeliebten Bayard laut abbittet, ein innigeres Ergreifen und Andrücken der Hand mit der zartesten Jungfräulichkeit noch immer verträglich gewesen seyn. Allein inniger, eingreifender in Ton, Mienen, Stellung, kann schwerlich etwas gesprochen werden, als die sinnvolle Künstlerin die Schlußworte des ersten Akts vorträgt. Treff¦lich hatte sie schon das forschende, sprechende Aufhorchen bei Bayards Geständniß seiner ersten und einzigen Liebe in ihrem Mienenspiel ausgedrückt. Doch die Liebe überwältigt die Horcherin. Jungfräuliche Sitte und Zucht sind gleichsam nur der Schleier, zu welchem sich die Hauptzäge gestalten müssen, durch welchen aber die innere Glut unaufhaltsam durchbricht. Nach einer Pause bekommt die Leidenschaft Zunge:

Ich liebte nie und muß nun ewig lieben.

Wie viel kommt, damit das Ganze einen erfreulichen Eindruck hinterlasse, auch auf die Besetzung der Nebenrollen an. Dem wackern Ligny (Hrn. Christ) gelang, wie immer, die Schilderung der Kriegsgreuel, wovon zu unsrer Freude diesmal nichts wegblieb. Tardieu (Herr Schirmer) wurde in seiner treuherzigen Derbheit und Loyauté mit Recht beklatscht. In der einzigen Scene wo König Franz (Herr Helwig) auftritt, geschah es mit Würde und ächt ritterlich. Selbst die kleine Scene mit dem Arzt gewann durch Hrn. Herrmann’s linden Ton; den Maler machte Hr. Wilhelmi mit allem erlaubten Stolz eines Künstlers, und dem jungen Eisenfresser Volteggio genügte Herr Heuser. Nur des Basco unzeitige Spaßhaftigkeit beim Einpacken des Mantelsacks schickt sich, unseres Bedünkens, wenig zu der Achtung, die Bayard selbst der Tochter des Hauses so ausgezeichnet beweiset. Trocken, abschneidend kann der Ton seyn; aber er darf bei dem lachlustigen Theil des Publikums kein Echo hervorbringen!

B.

Editorial

Summary

Aufführungsbericht Dresden: “Bayard” von Kotzebue am 10. 8. 1817

Creation

vor 23. August 1817

Responsibilities

Übertragung
Veit, Joachim

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 202 (23. August 1817), f 2v

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