Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 15. November 1817 (Teil 3 von 4)

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Der Weinberg an der Elbe.

(Fortsetzung.)

Doch so groß und gerecht auch der dadurch geweckte Enthusiasmus war, das gelungenste im Stück blieb die originelle und bisher – wir dürfen es ohne Scheu behaupten – so noch nirgends versuchte Anwendung der auf antiken Vasen befindlichen Monochromen (einfarbiger Figuren) zu drei Gemäldestellungen. Mag auch die Kritik der Alterthumskunde diese Malerei auf Gefäßen, welche die Erde Jahrtausende lang in ihrem Schooße barg, nicht mehr für die Arbeit der frühern Bewohner Toscanas, der Hetrurier, sondern für rein griechisch erklären; es ist doch in ganz Europa angenommen, diese Malerei à l’Etrusque zu nennen und so bekam diese Schaustellung heute eine heimathliche Anspielung, die abgerechnet, daß wirklich, wie der Dichter sagt, zwei Florenze (wir haben im Königl. Antiken-Kabinet mehrere sehr merkwürdige Vasen mit solchen Gemälden) dergleichen Sammlung besitzen. Die Hauptsache bleibt immer die überraschende Neuheit des Versuchs, drei Gruppen aus noch vorhandenen Vasen durch lebende Personen, die vom Scheitel bis zur Fußsohle durch Schminkung und Costümirung bloß gelbroth erscheinen, so darzustellen, wie wir seit langer Zeit schon vielfarbige Tableaux nicht nur im geselligen Kreise, sondern auch auf Schaubühnen zu stellen gewohnt waren. Bekanntlich haben diese auf Eine Farbe durchweg beschränkte Figuren gar keinen Schatten. Die Glieder sind nur durch Linien, die Gewänder oft nur durch schwarze Arabesken-Borduren angedeutet. Sie entbehren also alles Farbenreizes und aller Rundung durchs Helldunkel und erscheinen völlig flach, wie rothe Silhouetten auf schwarzem Boden. Was Wunder, daß die Idee des Dichters, solches Bildwerk durch lebende Personen zu ¦ verkörpern, sobald er sie ausgesprochen hatte, bald lauten Widerspruch, bald leisen Spott erfuhr. Aber er blieb unerschütterlich und genießt nun die lohnende Genugthuung, durch thätige Beihülfe unsers verständigen Hoftheatermalers Winkler, durch eifrige Mitwirkung der Regie, und der hiezu willigen Choristen, aus deren weiblichen und männlichen Personal die Gruppen sich ordneten, eine Schaustellung, die durch wundersamen Zauber alle Zuschauer überraschte, die erste in ihrer Art, hervorgerufen zu haben.

Mannigfaltig mögen die Gründe seyn, die, was vorausurtheilende Muthmaßung für unstatthaft und ungereimt erklärte, das nun wirklich dargestellte dem Auge wohlgefällig erscheinen ließen. Die fast zur Ungebühr vervielfältigten sogenannten Tableaux, oder Stellungen lebender Personen zum Ausdruck bestimmter Gemälde von ältern und neuern Meistern, mit allem Farbenspiel der Gewänder und Carnation, bleiben stets eine unnatürliche und zwitterarige Vermischung der Plastik, die durch runde Formen, und der Malerei, die durch Schatten und Licht wirkt. Sie erinnern die Kenner stets an das Widrige eines Kabinets von buntfarbig-ausstaffirten Wachsfiguren, ja die schönsten Männer und Frauen entadeln sich dadurch zu erstarrten Wachspuppen. Bei unsern Monochromen, oder gelbrothen Gestaltungen in Einer Farbe, tritt der bloße Umriß in schärfster Umzeichnung gegen den schwarzen Grund rein hervor. Sie machen durchaus keinen Anspruch auf den Zauber des Colorits und der Licht- und Schattenmassen, aber sie gestalten sich kräftig als Körper eines einzigen Stoffes. Sie wollen nur Bilder seyn, nicht durch Nachäffung der Natürlichkeit täuschen. Ihr höchster, den sinnigen Zuschauer am meisten ansprechender Reiz ist die unsägliche Zierlichkeit der Stellungen und Gruppirungen.

(Der Beschluß folgt.)

Editorial

Summary

Aufführungsbericht Dresden: “Der Weinberg an der Elbe” von Friedrich Kind am 15. November 1817

Creation

vor 26. November 1817

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 283 (26. November 1817), f 2v

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