Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Das Nachtlager in Granada” von Friedrich Kind und “Die Vertrauten” von A. Müllner am 8. Februar 1818

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Den 8ten Februar. Das Nachtlager von Granada, Schauspiel in 2 Aufzügen, von Fr. Kind.

Trotz den an diesem Tage statt findenden Privat-Maskenbällen und andern, einen großen Theil des Publikums in Anspruch nehmenden, Nachklängen der Faschingslust, fand doch diese Wiederholdung ein volles Haus, und verdiente es durch die gelungenste Rundung und Ausführung des Ganzen, wodurch die erste, gewiß lobenswürdige, Vorstellung doch nur auf der Linie einer guten Generalprobe gestellt wurde. Hr. Hellwig gab den Jäger Max mit sichtbarer Liebe und einer auch auf die Umgebung übergehenden Wärme im Vortrag, besonders den kleinen Monolog im ersten Akt, nachdem Gabriele weggegangen ist, um Erfrischungen zu holen. Heut wurde es glaublich, daß ihn um dieses holden Mädchens Willen die Fantasie anwandelte, ein Pastor fido zu werden. Man verstand es ganz, wenn er sprach: Was schadet’s wohl, ein wenig süß zu träumen. Die ruhigere Fassung, womit er liegend diesmal sein Theurdank-Schwert liebkosete, war ohnstreitig die würdigere. Der Kampf mit Vasco gelang weit besser, und dieser wurde zur Ehre deutscher Muskelkraft tüchtig fortgeschleudert. Mad. Schirmer, als Gabriele, hatte schon bei der ersten Vorstellung nichts zu wünschen übrig gelassen. Doch schien es uns, als gäbe sie das Erstaunen von dem geglaubten Heiligen noch malerischer, als spräche sie die Warnung auf der Leiter zum Gitter heran noch ergreifender, als stehe ihr die ängstliche Beklommenheit beim Geständniß, daß sie liebe, und der ihr ganz eigenthümliche Ausdruck ländlicher Unschuld im Halten und Zucken der Hände (sehr weit von bäurischer Unbeholfenheit verschieden, da ja auf der Bühne nie die rohe Natur zu Vorschein kommen soll), und besonders die steigende Verlegenheit am Schluß des Ganzen, wo Max sie für sich selbst behalten will, noch besser, mit einem Wort, als sey jetzt alles im sichersten Einklang und Ebenmaß. Hr. Julius, als Graf Otto, sprach seine Erzählung weit fester, und durfte es so wohl wagen, den Max laut zu warnen. Die Aufgabe, dies vor den umstehenden Spaniern mit Schicklichkeit zu thun, ist gewiß sehr schwierig und fordert eine eigne Stellung. Ueberall zeigte sich die aufmerkende Nachhülfe. Hr. Geyer gab seinen Vasco gleich in der er¦sten Scene mit noch entschlossenerer Verruchtheit. Des Gomez Hirtenmanier war gefälliger. Die Stimmen des Volks fielen richtiger ein, als sich ihm Max am Fenster zeigte. Wir sind überzeugt, daß die zartern Feinheiten und Anspielungen, wovon dies Stück so reich ist, nur durch öftere Wiederholung hervortreten, aber die Aufmerksamen gewiß reichlich belohnen. Ach wir haben diese Adler lieb.

Darauf wurden, zu ungemeiner Ergötzlichkeit des Publikums, die Vertrauten, von A. Müllner, wiederholt. Es ist der reizendste Fastnachts-Scherz auf unsrer Bühne, in wiefern Mummerei und neckende Täuschung fast aller Mitspielenden einen Bestandtheil von ächter dramatischer Faschingslust ausmachen. – Aber wie hoch steht diese Täuschung, für welche nur die französische Sprache das rechte Wort hat, Mystification, über die Plattheiten, die man uns auch für Scherzspiele der Art verkauft. Es kommt daher alles darauf an, daß außer der hier unerläßlichen Raschheit der Schlag auf Schlag eingreifenden, und durch die freiere Behandlung des Alexandriners allein möglichen Zusammenspiels, auch nie vergessen werde, daß Leute von der feinsten Bildung auf einem Landsitze, wo die städtische Eleganz wohnt, sich in solchen Mummereien auf Augenblicke belustigen. Hr. Hellwig, als der verkappte Major, Mad. Schirmer, als die mit dem verkappten Hauptmann einverstandene, Mad. Hartwig, als das verschmitzte, hinter jede Maske spöttisch guckende Kammermädchen, gewährten auch diesmal den größten Genuß. Dies Stück endet bekanntlich in jedem Aufzuge mit einem allerliebsten Muthwillen. Hätten bei der Ueberreichung des Selams, am Schluß des ersten Aufzugs, alle so fein zugespielt, als Mad. Schirmer das Vergißmeinnicht zurück gab, es wäre nichts zu wünschen übrig geblieben. Uns schien aber, als fiele der Gärtner Bock mit seinem schmelzenden, girrenden Schäferton doch etwas aus der Rolle. Denn es sind ja noch drei Personen da, die nicht enttäuscht werden dürfen. Auch geben wir billig zu bedenken, ob die fade, stutzerhafte Süßigkeit des Hrn. von Staar blos durch die gezierte Stellung einer Drahtpuppe und durch das Gucken durch die Lorgnette angedeutet, den Gecken, wie ihn der Dichter sich dachte und mit dessen Kameradschaft sich der Major noch am Ende trösten kann, befriedigend dargestellt?

Böttiger.

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Das Nachtlager in Granada” von Friedrich Kind und “Die Vertrauten” von A. Müllner.

Creation

Responsibilities

Übertragung
Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 44 (21. Februar 1818), f 2v

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