Caroline von Weber an Ida Jähns in Berlin
Dresden, erhalten Samstag, 19. Oktober 1844

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Meine liebe Ida

Ich wollte Herrn Metz, welchen Du nun wohl schon wirst gesprochen haben, einen Brief an Dich mitgeben wurde aber durch ein Zusamentreffen von tausenderley Abhaltungen daran verhindert. Ich dachte auch, Brauer hätte Euch von allen was unsere heilige Angelegenheit betrifft! in Kenntniss gesetzt, weil er mir sagte dass er Euch ges[ch]rieb[e]n. Obgleich nun durch Herrn Metz ein lebender Brief an Euch gelangt ist, so ist es doch wohl besser wenn Ihr durch mich von allen Näheren in Kentniss gesetzt werdet. Es ist nehmlich ein, ganz unvorhergesehenes Hinderniss, durch eine vernachlässigte Formalität, eingetreten, so dass Webers Asche wohl erst anfangs November hier eintreffen wird. Auf jeden Fall erhaltet Ihr durch Brauer noch näher Nachricht, denn mir wollen sie den Zeitpunkt der Ankunft verschweigen. Wunderbar wäre es wenn die irdischen Reste an unsrer Hochzeit, oder Geburtstag einträfen. Mir würde es ein Zeichen seiner Liebe sein. Max ist gesund und heiter hier angekommen. Er sieht sehr wohl aus und komt mir gewachsen vor. Alex aber war immer noch recht pimplich und sah grün, und gelb aus. Da fasste ich rasch den Entschluss ihn noch einen Monat nach Loschwitz zu schiken. Damit er eine Luft, und Traubenkur brauchen könnte, und wie es scheint habe ich das Rechte getroffen denn er erholt sich zusehens, Natürlich ist er dadurch an jeder Arbeit gehindert und wird viel nachzuholen haben. Nach Berlin wird er da nun wohl erst nach Weihnachten komen können wo auch Max, welcher mit Meyerbeer viel wegen des Vaters Biographie zu sprechen hat, welche er zu schreiben gesonnen ist, auch komen wird. Recht b[e]trübt ist die Spannung in welcher ihr mit ihm seit, denn das schöne Verhältniss wird doch fast ganz dadurch gestört.

Dass er Unrecht gethan, fühlt Max sehr, aber eben das verhindert eine Annäherung von seiner Seite. Mir scheint es komt auch noch ein ganz klein wenig Neid auf Alex mit in’s Spiel, welcher sich einen Spass daraus macht recht viel von Dir zu sprechen. Ehe die Kinder nach Berlin komen muss ich Dir noch ausführlich einmal meine Ansicht sagen wie ich glaube dass sie am besten zu behandlen sind. Mit der gröss[ten] Liebe aber spricht jetzt Max von seiner Braut und ich fange an zu hoffen dass noch alles gut gehen wird. Alles was er mir so von der Familie und dem Mädchen sagt, gefällt mir sehr, und es ist kein Gedanke daran dass es getaufte Juden sind. Ich fühle auch die Nothwendigkeit mich mit dem Gedanken an diese Verbindung zu befreunden, denn Max wird sich nicht davon abbringen lassen und so ohne Segen, ohne Liebe wie Quandt* will ich meinen Max doch einmal nicht zum Altar gehen lassen. Recht fatal ist es Max dass Schlesinger seine Verlobung weiss und in Berlin ausposaunt, weil Max dem guten Papa Lichtenstein noch nichts gesagt, und auch nicht hat fragen können, der wird Max wohl für recht undankbar halten dass er ihm den wichtigste[n] Schritt seines Lebens verschwieg[en] hat. Ich bitte sagt Ihr nur nicht dass ihr etwas davon wisst denn sonst sieht die Sache noch liebloser aus. Mit meiner Gesundheit geht es leidlich, nur an kurzathmigkeit leide ich seit ein paar Tagen, doch dagegen wird eine tägliche frühpromenade zu welcher mich Ida Jagemann abholt wohl helfen.

Täglich unterhalte ich mich jetzt mit der Todtenmaske Webers, und schöpfe Ruhe und Trost aus dem seelig entschlafenen Zügen des Geliebten. Ach wohl dem der so stirbt wie er! Wenn Ihr einmal diese überirdische Ruhe in den Zügen sehen werdet, dann werdet ihr mit mir denken dass der Todesengel ihn durch einen Kuss von des Lebens Bürde befreite: Gott sey mit Euch ihr Lieben.Stets Eure Mutter

Editorial

Summary

teilt mit, dass Webers Asche wohl erst Anfang November eintreffen wird, sie erhalten durch Brauer nähere Nachricht, sie hofft, dass sie entweder an ihrem Hochzeits- oder Geburtstag ankommen möge; Alex ist zur Kur in Loschwitz; Alex wird wohl erst nach Weihnachten nach Berlin kommen können, wohin auch Max reisen wird, um mit Meyerbeer über die Biographie seines Vaters, die er zu schreiben gedenkt, sprechen will; Spannung zwischen F. W. Jähns und Max; Max hat sich verlobt, sie sollen es aber nicht verbreiten; sie unterhält sich täglich mit der Totenmaske, die Max mitgebracht hat, und schöpft Trost und Ruhe daraus

Incipit

Ich wollte Herrn Metz, welchen Du

Responsibilities

Übertragung
Frank Ziegler; Eveline Bartlitz

Tradition

  • Text Source: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Shelf mark: Mscr. Dresd. App. 2097, 95

    Physical Description

    • masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 95 des Konvoluts)
    • 3 S.
    • am Kopf die Notiz: “Empfangen 19. Oct. 44.”

Text Constitution

  • “dem”sic!

Commentary

  • “… Segen, ohne Liebe wie Quandt”Vermutlich Gustav von Quandt (1822–1908), der Sohn von Johann Gottlob und Bianca von Quandt, Heirat 1844, Scheidung 1849.

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