Helmina von Chézy an einen befreundeten Schriftsteller und Hofrat
Dresden, Samstag, 3. Januar 1818

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Verehrter Freund!

Ihre Theilnahme an meinen Leiden ist für mich so ehrenvoll, u bewegt mich so sehr, daß schon in ihr ein Trost für mich liegt, wenn auch alle Ihre freundlichen Bemühungen mir Arbeit wie ich sie wünsche, zu verschaffen, fehlschlagen sollten. Sie wissen, aus allen meinen Ihnen bekannten Werken, daß ich eine ernste Richtung genommen habe, u mich vor dem Verderben gescheut, welches dem eignem Herzen, u der Welt daraus erwächst, wenn man aus Romanenschreiben einen ErwerbZweig macht. Ich habe mir gründliche Kenntnisse zu erwerben gestrebt, u nur gedichtet, wenn ich innern Drang dazu fühlte, sonst aber, um Brod zu verdienen die trockensten, auch die undankbarsten Arbeiten nicht gescheut, Übersetzungen, Auszüge, u.s.w. aus fremden Sprachen; u Sie werden gefunden haben, daß die Meisten meiner Arbeiten aus Aufsätzen bestehn, die entweder eine religiöse u sittliche, oder eine wissenschaftliche u künstlerische Bestrebung zum Ziel haben. Nun würde es mir lieb seyn, wenn ich wieder einen Mann, wie unsern unvergeßlichen Bertuch, fände, eine ruhige, dauernde Arbeit, die regelmäßig honorirt wird, das Zersplittern der Thätigkeit, die vielen Korrespondenzen, mit mehrern Herausgebern nehmen Zeit u Gedanken weg, u von Zeit zu Zeit wird hat man die Unannehmlichkeit umsonst gearbeitet zu haben.

Dies bey Seit, Sie fragen mich, verehrter Freund! warum ich mich denn so eifrig um Arbeit bemühe? Ich darf es Ihnen wohl sagen, ich habe einen alten, kränkelnden Vater*, den Unglücksfälle seines Vermögens beraubt haben, u dem ich in glücklichen Zeiten jährlich eine Unterstützung zukommen | ließ, wie ich es Ihnen aus seinen Briefen belegen kann. Ich habe zwey hoffnungsvolle Söhne, denen ich gern das Einzige geben möchte, was Aeltern im Tod beruhigt: eine vortrefliche Erziehung. Ich lebe hier in der Fremde, in möblirten Zimmern, ich kann plötzlich krank werden, wie gut ist es, wenn man für den Nothfall versorgt ist! Was ich von meiner höchst einfachen, aber vollständigen Einrichtung in Heidelberg 1815 zurückgelassen habe, ist mir durch die Treulosigkeit meiner Hauswirthin zum Theil entwendet, zum Theil verdorben. Mit genauer Noth hat mein Mädchen einen Theil meiner Betten u meiner Wäsche gerettet, u nach Berlin gebracht; ich hatte, als ich Heidelberg verlies, um mit den mir anvertrauten Pränumerationsgeldern auf meine Auserlesnen Schriften (von welchen ich die Ehre habe ein Exemplar beyzulegen)* nach dem Rhein zu unsern Verwundeten zu gehn, vermeint, ich könne bald wiederkommen, u war so unvorsichtig gewesen der Wirthin meine Schlüssel zu geben, ohne sie vorher eine Specifikation unterzeichnen zu lassen. Ich kann ihr nunmehr nichts beweisen; u eine Hauswirthin ist aber nicht der Gegenstand des Mißtrauens, so daß ich keinen Argwohn hegte. Während meiner Abwesenheit habe ich Dreyviertel Jahr in Heidelberg Miethe bezahlt, indeß ich auch in Aachen u Cölln bezahlte. Ich | kann Ihnen, mein würdiger Freund, nicht eine Vorstellung geben, wie der Aufenthalt in der Fremde zurückbringt, wenn man daselbst mit einer Haushaltung beschwert ist, u was Reisen, so genau man glaubt, sie voraus berechnen zu können, für unvorgesehne Ausgaben nach sich ziehe. Sr Majestät der König, haben geruht in Berlin Rücksicht darauf zu nehmen, u mir mit mehrern Hundert Thalern zu Hülfe zu kommen, allein, wenn ein Riß einmahl geschehn ist, läßt sich nicht Alles so leicht wieder ausgleichen. Diese Huld des Königs Majestät, u die glänzende Genugthuung, welche das Erkenntniß des h. k. Kammergerichts mir gewährt hat, haben mich in der unverdient u lange erlittenen Verfolgung sehr getröstet. Ich würde sehr gern in meiner Vaterstadt, wo mir dies, u so Manches Andre Beruhigende zu Theil wurde, geblieben seyn, wenn nicht die Aussicht hier meinen Kindern mit wenigen Unkosten eine gute Erziehung zu geben, die Nähe schöner Umgebungen, u der Wunsch liebe Freunde hier wiederzusehn mich entschieden hätten eine Zeitlang das anmuthige Dresden zu bewohnen. Ich würde auch, wenn gleich mit Entbehrungen, subsistiren können, wenn nicht die Unkosten meines Werkes sich auf 895 Florin ohne Emballage Porto u.s.w. beliefen, die ich bald zu berichtigen habe, u zu denen einige noch ausstehende Subskriptionsgelder, u mehrere Arbeiten, die ich für den Buchdrucker gemacht (das Taschenbuch über Heidelberg, einige Kleinigkeiten in der Cornelia, u. v. A.*) nur wenig Beytrag liefern, so daß ein großer Theil auf mich fällt. […]

Sie fragen mich, ob mein Vaterland, der preußische Staat nichts für mich thut? Ich kann nicht beurtheilen, ob ich etwas von der Huld des Staates verdiene? Mein Bedürfniß ist kein Anspruch, u wenn ich einen Beweiß der Vorsorge u Theilnahme meines Vaterlandes zu empfangen das Glück hätte, so würde dies ein Antrieb für mich seyn, nun erst zu streben mich dessen werth zu zeigen. Freilich hat es in jedem Staat Europas niemand so traurig, als eben der Schriftsteller. Jede andre Kunst erwirbt ihrem Besitzer Wohlleben in der Jugend, u Zuversicht auf ein sorgenfreies Alter. Wir Andre aber, die wir einen höhern u umfassenden Zweck leben, als der Gegenwart, müssen unsre Tage in Einsamkeit, Entbehrungen u angestrengter Arbeit zubringen, werden schlecht, oder gar nicht bezahlt, u wenn die Kraft ausgeht, ein Drang der Sorgen die Fantasie abblaßt, so haben wir keine Aussicht auf ein ruhiges Alter. Es ist hart, sich so etwas nach zwanzig Jahren anhaltender Bemühungen sagen zu müssen, u sein | Streben zwar anerkannt, aber nicht belohnt zu sehn – ich gestehe auch, daß einiges Unglück gewaltet hat, daß ich in dem damahls wohlfeil zu lebenden Heidelberg fortleben konnte, wenn ich nicht nach den Niederlanden ging, allein ich that, was ich nicht lassen konnte, u es hat mich noch nie gereut. Wir leben ja nicht für das Zeitliche! Sollte der Drang meiner Sorgen zu schwer werden, sollten meine gemarterten Nerven noch schwächer, oder gereizter werden, so wend ich mich getrost an meinen König, Er wird mich nicht umkommen lassen, u es wird Ihm nicht, gleichgültig seyn, daß ich Ihm in meinen zwey Söhnen einst redliche u rühmliche Mitglieder des Staates zu hinterlassen strebe. Der König ist ernst, gerecht u einsichtsvoll; Er hat die Evidenz von meiner Redlichkeit u Treue in Händen. Ihm bezeugt das Urtheil des Kammergerichts, daß ich nicht blos unsträflich, nein, sogar lobenswerth gehandelt, authentische u unzweydeutige Zeugnisse würdiger Offiziere, u anderer Militair Aerzte weisen aus, daß ich in Seinem Dienst selbst Lebensgefahr nicht gescheut (diese Zeugnisse liegen im Original den Akten meines Prozesses bey) Er weiß, der König, daß nur Noth mich bewegen kann Ihn um Hülfe anzugehn, da ich eh noch gestrebt Hülfe | zu bringen, u Seine Gerechtigkeit u Milde wird mir gewiß einst Trost dafür geben, daß mich das Glück nicht begünstigt hat. Immer bin ich verläumdet worden, u die Stimmen der Verläumdung weiß auch zu Thronen hin zu dringen, allein sollte dagegen nicht mein Leben, die Achtung höchst Ehrwürdiger Freunde u Freundinnen, u die Unschuld u HerzensReinheit meiner Kinder ein siegreiches Zeugniß ablegen? Kein redlicher Mensch wird gegen mich auftreten, der mir etwas übles nachsagte, u ich wiederhole in jeder Hinsicht mit Franz dem Ersten: tout est perdu fors L’honneur!

Diese Auskunft, mein verehrungswürdiger Freund, war ich Ihrer edeln Theilnahme schuldig. Der ausgezeichnete Ruf, der Ihren Nahmen als Schriftsteller u als Mensch verherrlicht, ist mir Bürge dafür, daß Ihre Bemühungen | für mein Bestes gewiß nicht fruchtlos seyn werden. Genehmigen Sie den Ausdruck meiner innigen u dankbaren Hochachtung u Ergebenheit mit welcher ich die Ehre habe zu seyn Verehrungswürdiger Herr Hofrath
Ewr Wohlgeboren
Ergebenste
Helmina v. Chezy
geb. Freiin Klencke

Editorial

Summary

über ihren Umzug nach Dresden und ihr Dasein als Schriftstellerin

Responsibilities

Übertragung
Schreiter, Solveig

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (D-Bbbaw)
    Shelf mark: NL H. von Chézy 876

    Physical Description

    • 2 DBl. (7 b. S. o. Adr.)

Text Constitution

  • “wird”crossed out
  • “Erkenntniß”uncertain transcription

Commentary

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