Friedrich Kind to Helmina von Chézy
Dresden, Thursday, March 11, 1824
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- 1823-12-31: to unknown
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- 1824-09-23: to Gerhard
- 1824-08-30: from Blümner
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- 1819-05-29: to Chézy
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- 1826-04-06: to Chézy
Verehrte Freundin,
Es bedarf wohl keiner Versicherung, daß mir Ihr Aufsatz über den Freischützen in Wien viel Vergnügen gemacht und mich Ihnen sehr verpflichtet hat. Auch werden Sie es gewiß billigen, daß er nicht auf meine Veranlaßung, sondern auf Vermittlung unsres gemeinschaftlichen Freundes Kraukling, der mir oft von Ihnen etwas erzählen muß, in die Ab. Zeit. gerückt worden – will sagen in den Wegweiser! beinahe zweifelte ich, daß es geschehen würde.
Den Inhalt anlangend, so bin ich zu sehr von kleinlicher Eigenliebe entfernt, um nicht gar Manches, was Sie von mir sagen, Ihrer Freundschaft zuzuschreiben, aber auch zu oft von obscuren Scriblern – zum Theil auf ächte Straßenbuben[ma]‡nier – genekt‡ worden, um mir | nicht ein frohes Gefühl über das Urtheil einer allgemein anerkannten Dichterin gestatten zu dürfen, der man ja nachgerade anfängt die verdiente Oberstelle unter den deutschen Dichterinnen auch öffentlich zuzugestehen. Selbst vertheidigen kann man sich nicht füglich, besonders gegen gewiße Angriffe; Dank daher dem Freunde, der Muth, guten Willen und Kraft genug hat, mit offnem Visier aufzutreten!
Übrigens kann das, was Sie über die Stellung der Dichter und Componisten berührt haben, nicht oft genug gesagt werden, falls die deutsche Oper wirklich etwas werden soll. Ich denke diesen Gegenstand auch einmal gelegentlich zu berühren und habe einstweilen eine Parthie | Meinungen berühmter alter Componisten gesammelt, die wohl erkannten, daß der Componist allein wohl ein gutes Musikstück, aber im Leben nicht eine gute Oper allein zu stande bringen könne. Dieß liegt freilich so offen am Tage, daß es eigentlich gar keiner Autorität bedürfte. Aber die Menschen unsrer Zeit haben gewöhnlich kein Urtheil, sie mögen nicht selbst denken. sie glauben nur das, was Andre gesagt haben und betens dann nach.
Um doch nicht ganz ohne Neuigkeit zu enden, melde ich Ihnen daß, dem Vernehmen nach, Eurrianthe :/ nachdem Mad. Devient aus dem Wochenbette /: künftigen 1sten April zum ersten Male hier gege|ben werden soll*. Ein närrischer Tag! sagen Sie vielleicht. Indeß eher geht es nicht, wie ich höre, und mit dem 3ten April enden die Vorstellungen vor Ostern. – Ich zweifle nicht im mindesten an einer splendiden Aufnahme allhier – hat man sich doch am Fastnachttage auf der Harmonie Webers und Rossini’s gegenseitige Vorzüge durch Ohrfeigen und Rippenstöße begreiflich gemacht!* – allein eine andre Frage ist es freilich, ob oft bei vollem Hause Wiederholungen statt finden werden – was wenigstens für die Sommermonate nicht gleichgültig ist.
Meine Frau und Töchter empfehlen sich bestens, mit freundschaftlicher Hochachtung
Ihr
Kind.
Dresden, 11. März
1824.
Editorial
Summary
Kind dankt Chézy für ihren Aufsatz über die Aufführung des Freischütz in Wien und teilt ihr mit, dass Euryanthe baldmöglichst in Dresden aufgeführt werden wird
Incipit
“Es bedarf wohl keiner Versicherung, daß mir Ihr Aufsatz”
Tradition
-
Text Source: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
Shelf mark: Mscr. Dresd. App. 232,100oPhysical Description
- 4 S. 8°
Provenance
- Liepmannssohn Kat. 123 (1896), Nr. 786 (unter 14. März)
- Liepmannssohn Kat. 174 (o.J.) Nr. 2227
- Liepmannssohn Kat. 163 (o.J.) Nr. 875
Text Constitution
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“ma”supplied by the editors
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“genekt”uncertain transcription
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“… darin. Ich bin darauf begierig.”Nachschrift auf Bl. 2v am linken Rand quer
Commentary
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“… Ohrfeigen und Rippenstöße begreiflich gemacht!”Vgl. dazu auch Webers Brief an F. Philippi vom 3. März 1824 sowie Webers Tagebuchnotiz vom 2. März 1824.