Hinrich Lichtenstein an Caroline von Weber in Dresden
(Berlin), (nach Samstag), 22. November 1851

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Theure Freundin!

Mit dem lebhaften Wunsche, daß Dich diese flüchtigen Zeilen bei leidlichem Wohlbefinden antreffen mögen, sende ich Dir hier das zur Weiterbeförderung an mich gelangte Königl. Dankschreiben. Ich weiß nicht, wie es lautet, denke mir aber, daß Du aus diesen hohen fürstlichen Worten nicht viel Wärme in Dein Herz aufzunehmen haben wirst. Laß mir oder Jähns die wenigen Worte in Abschrift zukommen, damit wir uns etwas danach halten.

Auf der Königl. Bibliothek war große Freude, als die Partitur (zufällig in meiner Gegenwart) mit ähnlichem blauem Couvert dort ankam. Das ganze Personal lief zusammen um das anspruchlose grüne Queerfolio zu bewundern, indessen Herrn v. Floto[w]‘s Martha | in violettem Sammet feiner Steindruck Hochfolio (gleichzeitig von S. M. der Bibliothek geschenkt,) völlig unbeachtet blieb. Wer auf die Bibl. kam, wurde mit der Nachricht, daß der Freischütz angekommen, empfangen, und die ersten Tage wird an kein Wegpacken zu denken sein. Selbst Dehn, der gerade wieder ankam (von Leipzig) und sonst mit seinem Lob gegen Weber etwas karg thut, hatte doch eine unverkennbar große Freude denn nun haben wir von jedem großen Opern-Componisten ein Werk eigner erster Handschrift. Aber so vollendet im ersten Wurf hat Keiner gearbeitet als Weber. Niemand will glauben, daß dies die OriginalPartitur sei. Denn noch ist es nicht gelungen, auch nur eine Correctur zu entdecken.

In Sachen der Pinto‘s habe ich mit einem Juristen gesprochen, der allerdings die Sache für qualificirt zum Proceß ansieht. | Er fragt nach schriftlichen Beweisen, die werden ihm ja in den eigenhändigen Briefen des berühmten Componisten in hinreichender Menge geliefert werden können, und diese müssen also sorgfältig zusammengesucht von 1826 an chronologisch geordnet und zum Lesen geheftet und paraphirt werden.

Wichtig wird der Brief, worin er den Empfang der ungedruckten früheren Weberschen Compositionen bescheinigt, denn dies ist nach dem Ermessen des Mannes ein Haupt-gravamen. Wir holen dann noch von andern Seiten Gutachten, ehe wir wirklich zur Klage schreiten.

Marie ist seit einigen Wochen wieder bei ihrem Mann und befindet sich dort wohler als hier. Doch wird sie im Frühling wieder herkommen müssen, die Cur zu vollenden.

Nun liebe Freundin, erhalte Dir Deinen guten Muth und gieb freundlich hoffendem Zuspruch Raum. Man gewöhnt sich an dauernde körperliche Leiden und kann dabei alt werden, so daß sie zum Leben gehören. So ermuthigt findet Dich im Frühling Dein treuer alter Freund
Lichtenstein

Editorial

Summary

Lichtenstein übermittelt Caroline das königliche Dankschreiben für das Freischütz-Autograph und erbittet eine Abschrift davon. Die Freischütz-Partitur traf zufällig in seiner Gegenwart in der Kgl. Bibliothek ein; es herrschte große Freude, besonders über die nahezu korrekturlose Reinschrift; er berührte dann noch die leidige Pintos-Angelegenheit, die mit Meyerbeer zu klären ist evtl. über einen Rechtsanwalt, es folgen persönliche Mitteilungen

Incipit

Mit dem lebhaften Wunsche, dass Dich diese flüchtigen Zeilen

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ms. theor. C. M. v. Weber WFN 7 (5)

    Physical Description

    • 1 DBl. (3 b. S.)

    Corresponding sources

    • (Auszug) Ziegler, Frank, ...den Autographen Webers sichere Freistätte. Die ersten Erwerbungen zur Berliner Weber‑Sammlung 1845–1881, in: Staatsbibliothek zu Berlin ‑ PK Mitteilungen , N. F. 6, 1997, Nr. 1, S. 94

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