Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
München, Montag, 19. und Dienstag, 20. Juni 1815 (Nr. 2)

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2 Briefe habe ich hier gefunden, und keinen von meiner Lina. mit welcher Haßt eilte ich hieher, in jener wogenden Stimmung die nicht weis was sie fürchten, hoffen und wünschen soll. Welcher Gedankenwechsel bestürmte mich auf der Reise. hat Lina geschrieben, wie hat Sie geschrieben, ist Sie gesund ruhig – – gedenkt Sie mit einer ruhig liebevollen Stimmung an Ihren Carl und seine Liebe, oder haben schon wieder die lieben Freunde und eigne Quälsucht Sie gepeinigt? – Sie hat also nicht geschrieben.      Nun, eigentlich finde ich dieß auch billig, meinen Brief von Hradek konntest Du noch nicht haben und zuerst wolltest Du nicht schreiben. – ich hatte mich so sehr, so schmerzlich süß darauf gefreut. warum freue ich mich denn noch; ich soll und darf es ja nicht mehr.

gute Nacht! gute gute Nacht. Möge es dir wohl recht wohl gehen, dieß ist ja doch der einzige Wunsch deines dich innigst liebenden Carls.

Gott sey Dank! meine Lina hat mich nicht ganz vergeßen, Sie will nicht kalt und fremd mir werden.      Verzeihe wenn vor wenigen Stunden ich dir noch Unrecht that. Meinen Brief von Hradek konntest du freylich noch nicht haben, als du schriebst, da von dort die Post so selten geht, und Umwege machen muß.      Also du bist wohl, ists aber auch gewiß wahr? gewiß?      ich sehe daß ich nicht unrichtig geschloßen habe, daß man sich Mühe giebt Dich auf jene elende Weise aufheitern zu wollen, die freylich auch nur wieder elenden Menschen eigen ist. Es wäre höchst traurig wenn meine Lina nur einen Augenblik sich könnte von diesem erbärmlichen Geschwäzze betrüben laßen. Daß es etwas auf dich gewirkt hat fühle ich doch aus manchen Äußerungen deines Briefes. warum hast du Unrecht gehandelt? daß du […] mich liebst. du littest mehr als du verdienst? leidest Du deßhalb? Du wünschest mir ich möge das nie empfinden? – Es ist schmerzlich sich so etwas sagen laßen zu müßen, wenn man sieht daß selbst die geliebten Menschen die doch einen kennen sollten, sich so äußern. man wikkelt sich dann immer bitterer gegen alles was Mensch heißt, in sich zusammen, und freut sich sogar, recht in sich selbst vergehen, weil dann die Menschen mit Gewalt einen verkennen wollten.      O meine theure geliebte Lina, mit Schrekken | sehe ich daß du ganz wieder auf demselben Wege wie voriges Jahr bist.      Du verschwärmst dich in dich, und suchst eine Größe darin, auch einen dir nicht würdigen Gegenstand treu zu lieben. – ich habe keine Wünsche mehr, selbst wenn du mir deren Erfüllung nicht so seltsam wünschtest. Wenn sich so die Herren und Damen Mühe geben, dadurch mich dir in schönem Lichte zu zeigen, so bedenke daß es dieselben sind die mir alles Mögliche von dir und namentlich die Geschichte mit H:* im gehäßigsten Lichte zeigten – sieh deinen Carl an, und frage dich in der Errinnerung an so manche schöne Stunde, an mein ganzes Handeln ob das möglich ist. – wahrlich je länger ich daran denke, je mehr ich deinen Brief lese, desto mehr muß mich das aufs bitterste aufregen. Warum soll die Erwähnung an unser Verhältniß mich schmerzen? wahrlich nicht in dem Sinne in dem du es nimmst.      Ja. es ist wahr. Die Trennung von dir hat einen ewigen Schmerz über mein Leben ausgegoßen. der doppelt groß ist da ich sehe, da ich daß mein Umgang, meine Vorstellungen pp alles nicht im Stande war Dich zu einer festeren Selbstständigkeit, zu einem festhalten Deiner Ueberzeugung zu bringen. die flüchtig hingeworfenen Äußerungen oder Wizze der elendesten Menschen sind im Stande alles was Jahre lange Liebe und Einsicht aufstellten, umzublasen. Du unglükliches Gemüth wann wirst Du aufhören dich und alles was dich liebt dadurch zu quälen. –

Dieselben Versuche derselben Menschen sind immer an mir gescheitert, mich noch konnte nichts in meinem Glauben an dich wanken machen.      Geliebte theure Lina, suche Ruhe, aber suche sie nicht darin den Geliebten zu verkleinern und dich dadurch zu heben.      Gott schenke dir Kraft und ruhige Einsicht und Gesundheit. Möge es dir doch wohl gehen und du dann dich zuweilen in süßen Gefühlen an ein treues Wesen errinnern das wahrlich nur in dir lebt.

Nie vergißt dich dein ewig treuer innigst liebender Carl.

Editorial

Summary

private Unstimmigkeiten

Incipit

2 Briefe habe ich hier gefunden und keinen von

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 1. 6

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • Auf der Rectoseite oben links Vermerk von Jähns: Carl Maria von Weber eigenhändig an seine Braut. und Ergänzung mit Bleistift: (No 2); oben rechts: Juni 1815

    Provenance

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

    Corresponding sources

    • Bartliz (Muks), S. 129–131 (Nr. 19)

Text Constitution

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Commentary

  • “… namentlich die Geschichte mit H:”Vermutlich identisch mit jenem Herrn von H., der auch in den Briefen vom 14. und 18./19. Juli 1815 erwähnt wird.

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