Rezension von J. Fröhlichs “Vollständiger theoretisch praktischer Musikschule”

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Vollständige theoretisch praktische Musikschule für alle beym Orchester gebräuchliche wichtigere Instrumente, zum Gebrauch für Musik-Direktoren -Lehrer und -Liebhaber systematisch mit Benutzung der besten bisher erschienenen Anweisungen bearbeitet von J. Fröhlich, Professor und Direktor des musikalischen Instituts in Wirzburg. Bonn, bei Simrok. 325 Folioseiten, theils Steindruck, theils Zinnstich. (Preis des ganzen Werkes 45 Francs.)

Ein zusammenhängender und nach übereinstimmenden Grundsätzen bearbeiteter Ciclus von Anleitungen zur Behandlung nicht allein, wie der Titel sagt, aller gebräuchlichern Orchester-Instrumente, sondern auch der menschlichen Kehle, folglich: Singschule, Flötenschule – Violoncellschule u.s.w. Die Paukenschule fehlt.

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Das ganze Werk ist in vier Hauptabtheilungen zerfällt. Die Ite enthält, nach einer kurzen Einleitung, die „allgemeinen Grundsätze der Musik“ und dann die Singschule.

Schon im Jahr 1811 erschien dieser Haupttheil des jetzt im Ganzen vorliegenden Werkes einzeln, unter dem Titel: „Allgemeine Singschule.“ Rec. hat denselben in No. 65. der Heidelb. Jahrb. desselben Jahres mit gebührendem Lobe angezeigt.

Die IIte Hauptabtheilung umfaßt die Lehre von den Blase-Instrumenten, und trägt zuerst allgemeine Bemerkungen für Blase-Instrumente überhaupt und Rohr-Instrumente insbesondere vor, dann einzeln die Clarinett- Oboe- Fagott- und Flötenschule.

Die IIIte Abtheilung beschäftigt sich mit den „Becher-Instrumenten“ (eigentlich Blech-Instrumente und Serpent, welche nämlich durch ein becherförmiges Mundstück zum Ansprechen gebracht werden), schickt ebenfalls allgemeine Bemerkungen über diese Instrumente voraus, und handelt dann einzeln über Horn, Trompete, Posaune und Serpent.

Die IVte Abtheilung endlich hat die Geigen-Instrumente zum Gegenstand, und handelt ebenmäßig nach vorausgeschickten allgemeinen Bemerkungen der Reihe nach von Violin, Viola, Violoncell und Contrabaß.

Neben der Ausgabe des Werkes im Ganzen ist auch jede einzelne Schule besonders ab- und ihr die allgemeinen Bemerkungen vorgedruckt, und unter den Titeln: Flötenschule, Violoncellschule, Singschule u. s. w. einzeln zu haben.

Über die, vor Erscheinung des ganzen Werkes, also einzeln erschienene Singschule, und die derselben vorangeschickten „allgemeinen Grundsätze der Musik,“ so wie solche der Verf. seinem ganzen Werke zum Grunde legte, hat Rec. am oben angeführten Orte schon ausführlich genug gesprochen, und da somit die Ite und Hauptabtheilung und Basis des ganzen Werkes schon früher beleuchtet ist, so bleibt hier nur noch das Geschäft der Beurtheilung der die einzelnen Zweige enthaltenden | IIten, IIIten und IVten Abtheilung übrig; ein Geschäft, welches der generellern Tendenz dieser Blätter gemäß nur kurz ausfallen darf.

In der IIten Abtheilung werden zuförderst die zu Erlernung eines Blase-Instrumentes erforderlichen körperlichen Eigenschaften des Subjects aufgezählt, allgemeine Regeln für das Athemholen anempfohlen, und practische Lehren über den Bau der Blase-Instrumente gegeben.

Jeder der darauf folgenden einzelnen Schulen für Clarinette, für Oboe und Fagott sind dann noch insbesondre sehr ausführliche und nützliche Anleitungen zu Ausfertigung der Blätter und Rohre vorangeschickt.

Bey Durchgehung der einzelnen Schulen fiel Rec. auf, daß die Tabellen der Griffe sowohl zur Erzeugung einzelner Töne, als zu Angabe der möglichen Triller mancher Vervollständigung fähig wären.

Namentlich ist in den Tablaturen überall nur von den gewöhnlichen Klappen Notiz genommen, ein Umstand, der dem Werke allerdings zu einigem Vorwurf gereicht, da doch die sonst ungewöhnlichern Klappen, z. B. f- as- b- und c-Klappe für Flöte, eben dieselben und zumal auch cis für Oboe, für Fagott die tiefe und mittlere b-Klappe, und für das Clarinett wenigstens die Klappe für tief b und mittel f, so wie die für das untere cis und die sehr nöthige für mittel gis oder as dermalen schon sehr (und mit Recht) an die Tagesordnung zu kommen anfangen, – der Iwan Müllerschen neuern Bereicherung des letzterwähnten Instruments gar nicht zu gedenken.

Ein eigner Vorzug der vorliegenden Anleitungen hingegen besteht darin, daß der Verf. bey jedem Instrument eine sehr ins Detail gehende Kritik der Tonqualität jedes einzelnen Griffes liefert, und die Mittel anzeigt, wie diesem oder jenem von Natur etwa stumpfen, oder schwankenden, oder sonst fehlerhaften Tone oder Triller doch möglichster Klang, Haltung und Gleichheit verschafft werden könne u. s. w.

Übrigens ist die Flötenschule ein bloßer Auszug aus dem Tromlip, woher es denn auch kömmt, daß Herr Fr. keine andern Zungenstöße lehrt, als t, d und r, die gewöhnliche sogenannte Doppelzunge aber (dde) und den noch viel | schönern stackierten Zungenstoß dk ganz übergeht: eben so hat er Tromlipen die arge Uebertreibung nachgeschrieben, ohne es- und dis-Klappe, Pfropfschraube und Register sey es unmöglich, rein zu spielen.

Der Clarinettschule ist ein kurzer Anhang über Bassethorn, oder Baßclarinett, und der Oboeschule über Englisch-Horn beygefügt. Am Ende der Fagottschule hätte Rec. gleichmäßig ein Wort über Quart- oder Quintfagott, wo nicht auch über Doppelfagott zu finden gewünscht.

Bey der IIIten Abtheilung wüßten wir in der Hornschule nur allenfalls an der vorgezeichneten Stellung des Spielens und Haltung des Instrumentes dieses auszusetzen, daß jener ohne Noth mit etwas zur Erde gebücktem Gesicht abgebildet ist, daß er das Instrument mit der äußern Hand zu hoch oben (beym Anfang der geraden Röhre), mit der innern Hand aber beynahe gar nicht hält, indem empfohlen wird, es nicht einmal fest an den Körper anzulehnen (S. 6).

Die Trompetenschule scheint der Verf. ganz aus sich selbst neu gebildet zu haben. Sie ist sehr kurz, und doch vollständig, consequent und verständlich.

Die Posaunenschule ist ganz nach B. Braun’s Gamme et Methode de Trombonnes gebildet, doch sehr vervollständigt und weit deutlicher.

Vom Serpent gesteht Ref. wenig mehr zu wissen, als daß das Instrument an sich selbst zu gar wenigem taugt, und es sich kaum der Mühe lohnte, ein Schule dafür zu schreiben; darum mag diese denn auch hier mit Stillschweigen übergangen werden.

Die IVte Abtheilung endlich enthält die Lehre von den Bogen-Instrumenten, welche allgemeine Bemerkungen über den Charakter, über Bau, Besaitung, Stimmung u. s. w. dieser Instrumente vorausgeschickt sind. Mit Recht hat auch hier der Verf. die Violinschule des Pariser Conservatoriums sehr benutzt, und somit auch die Haltung des Instrumentes angenommen, wo das Zugblatt zur rechten Saite des Kinns befindlich ist: diese letztere Stellung erschwert aber offenbar die Richtung des Bogens in rechtem Winkel gegen den Saitenbezug, welche nur durch bedeutendes Hervorrücken des | rechten Armes wieder hergestellt werden kann. Zweckmäßiger und auch schöner bleibt am Ende denn doch die Haltung auf der entgegengesetzten Seite des Griffbret[t]es, welche denn auch die meisten uns bekannten Geiger erster Größe sancirt haben, die beyden Fränzl, u. a. m.

Die Zeichnung der Violinhaltung ist in mehrern Exemplaren verunglückt, in andern aber verbessert und richtig.

Die Violaschule ist, wie billig, bloß als kurzer Anhang zur Violinschule behandelt.

Die Violoncellschule, ist beynahe ganz aus Duport entlehnt, dessen Grundsätze bekannt sind. Er greift daher z. B. auf der d-Saite nicht wie Romberg u.a.

e fis gis a h cis d
mit . . . . 1 3 4 0 1 3 4
sondern mit . 1 2 4 0 1 3 4

Letztere Methode, welche die Inconsequenz herbeyführt, das fis mit 2, das gerade gegenüber liegende cis’ aber nicht mit 2, sondern mit 3 zu greifen (S. 69), und daß im obigen Beyspiel drey Finger aus ihrer Lage vorgerückt werden, statt bloß der vierte u. dgl., hat den Vorzug in manchen einzelnen Fällen bequemer zu seyn, erstere aber den größerer Einfachheit und Gleichförmigkeit, da sie von dem gleichförmigen und einfachen Grundsatze ausgeht, die beyden innern Finger bey einerley Lage der ganzen Hand (in einerley Applicatur) nicht vor, noch zurück zu recken, und nur die beyden äußersten (1 und 4) nach Bedürfnis rück- und vorwärts ausgreifen und strecken zu lassen. Gleichfalls ist die Duportische Maxime beybehalten, beym Daumenaufsatz den vierten Finger wenig oder gar nicht zu gebrauchen.

Die Contrabaßschule scheint der Verf. wieder ganz nach eigner Ansicht, und mit besonderer Vorliebe ausgearbeitet zu haben. Er besteht fürs erste, mit Recht, auf viersaitigem Bezug, die Haltung, Stellung und Bogenführung sind wahrhaft musterhaft angegeben. Weniger einverstanden sind wir mit der Applicatur. Herr Fr. hat überall nur zwey Griffe, greift überall nur entweder mit dem ersten Finger allein, oder mit der ganzen Faust: folglich |

die Töne D E F
mit . . 0 1 4
und . . D E Fis
ebenfalls mit 0 1 4

was immer nicht ganz consequent ist, und auf jeden Fall weniger Fertigkeit gewähren kann, als die Methode, welche mehrere Griffe kennt und benutzt, wie z. B. in W. Hause’s Contrabaßschule, wo als constante Regel angenommen wird: „der erste und vierte Finger machen eine große, der zweyte und vierte eine kleine Stufe aus,“ wornach denn

D E F
mit . . 0 2 4
und . . D E Fis
mit . . 0 1 4
und . . E Fis Gis
mit . . 1 4 2

gegriffen wird – wenn nicht selbst vor dieser letztern Methode diejenige noch den Vorzug verdienen möchte, welche vollends jeden Finger einen halben Ton gelten und ausgreifen läßt.

Doch genug über das Einzelne, worüber ausführlich genug zu seyn, der Raum des Blattes denn doch nicht gestattet. Nur noch die Bemerkung sey beygefügt, daß es bisher in der That an einem Werke der Art mangelte, welches die gesammelten Regeln der vortragenden Musik nicht nur in einer zusammenhängenden Reihe, sondern auch nach einerley übereinstimmenden Grundsätzen abhandelte, und es folglich von Seiten des Verf. sowohl, als Verlegers gleich löblich ist, hierin die Bahn gebrochen zu haben.

Gottfried Weber.

Editorial

Summary

1813-Gottfried-16: Rezension von J. Fröhlichs “Vollständiger theoretisch praktischer Musikschule”

Creation

Responsibilities

Übertragung
Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, vol. 6 (1813), issue 41, pp. 647–652

Text Constitution

  • “Saite”sic!

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