Nachrichten aus Leipzig vom 12. April 1817 (Teil 2 von 2)
Correspondenz-Nachrichten.
(Beschluß.) Leipzig, den 12. April 1817.
Die durch den Bau des Schauspielhauses bewirkte Theaterpause hat das Directorium des Conzerts veranlaßt, für das gebildete Publikum und zur Unterstützung des Orchesters mehrere Extraconzerte zu veranstalten, wobei wir das Vergnügen haben werden, einige fremde Virtuosen bei uns zu sehen. Das erste dieser Conzerte zum Besten der Musiker des Conzerts und Theaters war am 1sten; das zweite am 3ten Osterfeiertage*. Daß sie nicht, wie man erwarten konnte, besucht waren, lag am Wetter, welches mit einer schönen Ouvertüre zum Frühling jedermann angenehm täuschte. In dem ersteren dieser Conzerte wurde zum ersten Male ein Stabat mater von Stunz gegeben. Durch einen ausgezeichnet schönen Gesang von fließender, doch nicht unbedeutender Begleitung getragen, wird die Aufmerksamkeit des Hörers angezogen. Das Ganze würde jedoch noch mehr wirken, wenn die einzelnen Sätze sich mehr unterscheidend hervorhüben, da im Gegentheil der Mangel an Abwechselung im Charakter der einzelnen Sätze bei solchem Umfange, die ziemlich gleichförmige Bewegung, bei immer fortgehender voller Begleitung das Gefühl etwas ermüden.
Der heitern Feier der Ostertage noch angemessener war die Aufführung von Kunzen’s prächtigem Hallelujah der Schöpfung (Text von Baggesen) Der Glanz dieser kräftigen Composition beeinträchtigt die religiöse Würde des Gedichtes nicht. Das Orchester und der kräftige Chor wirkten kräftig zusammen; auch die Soloparthieen befriedigten vollkommen. Eine neue Fantasie für 24 Blasinstrumente von C. Mayer*, einem Mitgliede des Orchesters, welchem wir schon mehrere ausgezeichnete Harmonieen verdanken, rundete sich nicht gehörig zum Ganzen, wurde aber recht wacker ausgeführt. Den herrlichen Genuß verschafften uns die Herrn Matthäi und Lange durch den zart vollendeten Vortrag des meisterhaften Doppelconcerts von Spohr.
Das zweite der genannten Conzerte war durch des Herrn Kapellmeister Carl Maria von Weber geniale Kunstleistungen herrlich ausgestattet, den Sie mit Stolz den Ihrigen nennen. Die Scene und Arie dieses Componisten, welche Mad. Neumann-Sessi sehr brav vortrug, hat einen ernsten kräftigen Charakter und gediegene Haltung. Als großen Virtuosen auf dem Pianoforte zeigte er sich durch sein von ihm selbst vorgetragenes Pianoforteconcert (Esdur). Als ausgezeichneten Director und geistvollen Componisten zugleich bewährte er sich durch Aufführung seiner von Wohlbrück (sehr musikalisch) gedichteten Cantate: Kampf und Sieg. Das rastlose Fortschreiten dieser glänzenden Composition erschwert das Auffassen der mit Geist und Einsicht kunstreich ausgebildeten Einzelnheiten, daher dieses große Stück bei mehrmaliger Wiederholung gewinnen muß. Schade nur, daß es von den meisten, wiewohl ungerechter Weise, für ein bloßes Gelegenheitsstück genommen wird. In das Einzelne hier einzugehen, verbietet der Raum, doch ¦ erlaube ich mir zu bemerken, daß wenn auch dieses Werk weniger als Ganzes empfunden, als durch den kunstsuchenden Geist aufgefaßt wird, und das natürliche Gefühl sich mehrere Ruhepunkte und längeres Verweilen auf melodischen Stellen wünscht, der Gegenstand jedoch, welcher den Mittelpunkt des Werkes ausmacht, nämlich die Verherrlichung des großen Gefühlmoments, welchen ein entscheidender Heldenkampf herbeiführte, in keinem uns bekannten Tonstücke so kräftig vorbereitet und so planmäßig und ergreifend ausgeführt worden ist. Der Gipfel desselben ist da, wo Pracht und Rührung auf wunderbare Weise sich verschmelzen, und das God save the King auf den jubelnden Wogen der Harmonie emporgetragen wird.
A. W.Editorial
Creation
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Tradition
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Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 99 (25. April 1817), f 2v