Korrespondenz-Nachrichten Leipzig vom 8. bis 23. April
Leipzig. Folgendes war der Inhalt der, seit unserm letzten Bericht, (von Mitte Februars in diesem Jahr, No. 9) gegebenen Concerte, mit Ausschluss derjenigen, welche fremde Virtuosen auf eigene Rechnung veranstalteten, und welche jederzeit sogleich angezeigt worden sind. Wir geben diesen Inhalt diesmal vollständig, nicht nur, weil eben in der Auswahl und Anordnung der aufgeführten Werke unser Institut einen seiner wesentlichen Vorzüge behauptet; (warum sollten wir das nicht selbst sagen, da es offen daliegt, und, vergleicht man diesen Inhalt mit dem, aller andern Concertanstalten, sogleich geprüft werden kann?) sondern auch, weil wir damit auf nicht wenige ganz neue und bedeutende Werke aufmerksam machen, oder an ältere, von grossem Werth, aber anderwärts nicht genug benutzt, erinnern können.
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¦Den 8ten April. Symphonie von J. Haydn, aus D und G dur, in London geschrieben. Eine wahrhaft grosse und edle Scene und Arie, von Hrn. Kapellm. Mar. von Weber einzeln componirt und von Mad. N. Sessi vorgetragen, fand den grössten Beyfall. Sie scheint uns, und zwar im Recitativ, wie in der Arie, ein echtes Meisterstück, originell, kunst- und ausdruckvoll; übrigens ist sie aber sehr schwer zu singen – so nämlich, wie es vom Componisten gemeynt ist, und wie sie hier, im Beysein desselben, gesungen ward. Dann spielte Hr. von Weber sein neuestes Pianoforteconc., aus Es und H dur, (bey Schlesinger,) über welches geist- und effectreiche Stück wir schon früher ausführlich gesprochen haben; und spielte – was kaum versichert zu werden braucht – wie ein wahrer Meister. Der zweyte Theil enthielt desselben, vornämlich von Prag und Berlin aus mit Ruhm bekannte, und in diesen Blättern umständlich besprochene Cantate: Kampf und Sieg, gedichtet von Wohlbrück, den wir nun, als Regisseur unsrer künftigen Bühne, mit Vergnügen den unsrigen nennen, und, der Veranlassung nach, zum Theil auch stürmischer Musik, bey welcher überdies der Verf. nicht wenig Nebenrücksichten auf Historisches u. dgl. genommen hat, lässt sich, nach einmaligem Anhören, kaum mit einiger Bestimmtheit und Sicherheit sprechen. Wir beschränken uns daher auf die Versicherung: das Werk sey ein neuer Beweis von dieses Künstlers reicher Phantasie, von der Eigenthümlichkeit seiner Intentionen, von dem Feuer und der Kraft seiner Arbeit. Und sollen wir ja etwas über einzelne Stücke desselben äussern, so werden mit gleicher Aufrichtigkeit diejenigen genannt, welche uns ganz vorzüglich gelungen, als die, gegen welche ¦ uns, in irgend einer Hinsicht, gerechte Ausstellungen möglich scheinen. Jene sind: Terzett: Brüderlich, Hand in Hand –; Chor: Wohlauf! Wohlan! –; Chor: es naht der Feind ; die ganze Schlachtmusik; (das God save the king, wie es hier aufgestellt ist, reisst unwiderstehlich hin;) und die Soli: Söhne des Ruhms – Wo ew’ger Friede ist – Das Wort des Herrn ist Felsengrund –; diese aber: die Einleitung, als zu lang; die Intention mit Einführung der Melodie zu Körners: Wie auch die Hölle braus’t – als voraussetzend, was doch wol nicht vorauszusetzen ist, und gewiss wenigstens als nicht so wirksam, wie es gedacht war; und die Schlussfuge, als nicht an ihrem Platz.
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Den 23sten Apr. Symphonie von Beethoven: die neueste, aus A dur*, auf Verlangen wiederholt, und auch diesmal nach Wunsch vorgetragen und ¦ aufgenommen. Rondo aus Clemenza di Tito von Mozart: Deh, per questo istante solo – ges. von Mad. N. Sessi. Neues Violinconc., comp. und gespielt vom königl. sächs. Concertm., Hrn. Polledro, in Dresden. Die Composition war zunächst darauf berechnet, dem Virtuosen Gelegenheit zu geben, sich glänzend hervorzuthun; und in dieser Hinsicht nicht zu tadeln. Jene Gelegenheit benutzte nun auch Hr. P., zum Entzücken des Auditoriums, indem er, in seiner, ehemals Pugnani’s Weise, mit köstlichem, eben so kräftigem und hellem, als angenehmen und ansprechendem Ton, mit vollkommener Reinheit der Intonation, auch in den schwierigsten, mehrstimmigen Sätzen, mit Feuer und Klarheit alles Vorgetragenen, eine höchstseltene Herrschaft über das Instument, und eine bewundernswürdige Kunst in glänzendem, fortreissendem, aber auch in gefälligem, anmuthigem Spiel entwickelte. Eben in dieser Art der Virtuosität gestehen wir, keinen von allen jetztlebenden Violinisten zu kennen, der Hrn. P. überträfe; wogegen wir ihm zutrauen, er werde die Vorzüge Anderer, in anderer Weise, eben so unparteyisch und gerecht anerkennen. Mit weniger, doch ebenfalls nicht geringem Beyfall hörte man im zweyten Theile seine Variationen; und wenn sie nicht lebhafter begeistern, so lag das blos an dem gar zu wenig Bedeutenden der Composition. – Eine noch ungedruckte Ouvertüre von Clasing in Hamburg zeugte von Einsicht in die Kunst und von Feuer in der Ausarbeitung. Rousseau’s Lied in drey Tönen, zu Meissners deutschem Gedicht harmonisch mit Orchester ausgeführt von Vogler, (Trichordium von ihm genannt; Offenbach, b. André,) wurde sehr gut ausgeführt, und gefiel, als eine mit Geist, Geschmack und grosser Geschicklichkeit gelösete, schwere Aufgabe.
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Editorial
Summary
Aufführungsberichte Leipzig, Konzerte im April 1817
Creation
vor 21. Mai 1817
Responsibilities
- Übertragung
- Goldlücke, Annelie
Tradition
-
Text Source: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 19, Nr. 21 (21. Mai 1817), col. 353–360