Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 25. September 1817
Den 25. September. Im Königl. Hoftheater. Die vornehmen Wirthe. Komische Oper in 3 Akten, nach dem Französischen von I. R. von Seyfried, Musik von Catèl.
Eine nach allen ihren Theilen höchst angenehme Production, welche uns jedoch hinter dem Schimmer fließender Leichtigkeit manche für Instrumente sehr schwierige Stellen zu haben schien, wie z. b. in der Ouvertüre einige Gänge für die Violine; in dem lieblichen Vorspiel zum dritten Akt, das Flötensolo, für dessen vortreffliche Ausführung Herr Steudel mit dem lautesten Beifall wiederholt belohnt wurde. Ueber die Musik selbst kein Wort, da eine gewichtige Feder in diesen Blättern schon das Gehörige darüber gesagt hat. – Herr Bergmann (Chev. Villeroi) leistete im Gesang sehr viel Gutes, besonders im zweiten Finale und in dem Duett mit Pauline. Möge Er doch die freundliche Bitte freundlich aufnehmen und sich befleißigen, seinen Bewegungen mehr Leben und Grazie zu geben, und im Gesang das Herz mit wirken zu lassen, da sein Ton so viel Vorzügliches hat. Herr Wilhelmi beurkundete in der schwierigen und ermüdenden Rolle des Marquis de Ravannes, seinen rastlosen Fleiß und sehr bemerkbare Fortschritte im Gesang, welche, verbunden mit einem äüßerst eingreifenden, lebendigen und besonnenen Spiel uns heute wirklich einen gebildeten und leichten jungen Franzosen recht anmuthig darstellten. Mad. Sandrini trat heute, als Pauline, in Dresden zum erstenmal in der deutschen Oper auf, und wurde als der langjährig gefeierte Liebling mit lauter Freude beim ersten Auftreten begrüßt. Diese Rolle ist für sich von nicht großer Bedeutung, gewann aber durch die edle Haltung und das zarte Spiel dieser sinnigen Frau einen höhern Werth. Die reine verständliche Aussprache und der seelenvolle Ausdruck in der Modulation berechtigen zu der Hoffnung, daß eine wiederholte Uebung einige falsche Accente und Dehnungen der Endsylben verwischen, und somit auch die deutsche Oper an dieser bewährten Künstlerin eine neue Zierde erhalten werde. Hr. Geiling gab heute mit recht lebendiger – nur vielleicht im Anfange der Scene beim Diktiren des Briefes mit zu vieler – Laune den Weinliebenden Dutreillage, das Gegenstück zu dem deutschen Dupperich. Dieser erfahrne, denkende und oft ¦ noch recht jugendlich frische Künstler ist nunmehr für die Königliche Bühne engagirt. Mit ihm wetteiferte der geniale Veteran, Herr Bösenberg*, um den Kranz; ihr Zusammenwirken hatte entschiedenen Einfluß auf den angenehmen Eindruck am Schluß der Oper. – Demois. J. Zucker ist immer, sobald sie die erste Schüchternheit abgelegt hat, eine liebliche Erscheinung, und war es heute besonders als Annette; auch im Gesang hatte sie recht gelungene Stellen. Herr Genast ließ als Charlot nichts wünschen, als daß die Rolle bedeutender seyn möchte. Herr Metzner gab sich als Bernard viele Mühe seine Rolle so komisch als möglich zu geben, und gleichsam den Dreiklang der lustigen Weinliebhaber rein zu studiren. – Mademois. E. Zucker, als seine Frau, zeigte, wie immer, lobenswerthen Fleiß und Bekanntschaft mit der Bühne. Herr Burmeister wußte als Gouverneur* den Ernst der Pflicht mit der Weichheit seines Herzens recht gut zu vereinen, und sprach sich überall als gebildeter Hofmann aus. – Das Costüme war dem Geiste vollkommen angemessen und in würdigen Abstufungen unter die Spielenden vertheilt. Die Arrangements entsprachen dem Uebrigen; nur dürfte der bescheidene Wunsch erlaubt seyn, daß bei einer zweiten Darstellungen, statt des modern dekorirten Saales im dritten Akt, ein andres passendes Zimmer gewählt werden möge. Die heutige Darstellung war vielleicht die gerundetste und reinste, welche die deutsche Oper hier bis jetzt gab, und wir glauben den sinnigen Bemühungen des, uns nun für immer angehörenden, Hern Kapellmeisters M. v. Weber den aufrichtigsten Dank zollen zu müssen. Die Meisterschaft und besonders jene unübertroffene Einheit der Kön. Kapelle ist schon längst anerkannt; das lebendige Auffassen des Geistes der Musik in Abwechselung der Tempi, des Forte und Piano, des zarten Anschmiegens an den Charakter der einzelnen Gesangsstücke, ist ein Verdienst des Direktors, was wir in allen deutschen Opern freudigst anerkennen mußten. Höhere Kräfte schaffen kann kein sterblicher Meister, aber die vorhandene Summe der Kraft und richtigere Vertheilung, sinniges Einstudiren und unermüthlichen Fleiß zu einer wohlthätigen Gesammtwirkung zu vereinigen, dies ist eine Aufgabe, welche nicht überall so rein gelöst wird, als wir es heute zu sehen das Vergnügen hatten.
B..d.....d.
Editorial
Summary
Aufführungsbericht Dresden: “Die vornehmen Wirte” von Charles Simon Catel am 25. September 1817
Creation
vor 4. Oktober 1817
Tradition
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Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 238 (4. Oktober 1817), f 2v