Dramaturgisches Wochenblatt in nächster Beziehung auf die königlichen Schauspiele zu Berlin, Jg. 2, Nr. 47 (24. Mai 1817), S. 373
Theaternachrichten aus Dresden.
Den 19. April wiederholte die italiänische Oper den Tancred, heroisches Melodrama in zwei Aufzügen von Roßini.
Ob es dem Gedeihen der Wissenschaften zuträglich sey, die Kreuzschüler wöchentlich zweimal in der Oper und täglich in den Proben zu beschäftigen, gehört nicht hierher; allein, wenn diese Bildungsanstalt, besonders jetzt, da wir Pforta verloren*, eine der ersten im Lande sein soll; wenn aus ihr unterrichtete und tüchtige Geschäftsmänner hervorgehen sollen, und wenn nicht zu läugnen ist, daß die Opernamüsements die jungen Studirenden unendlich zerstreuen; so ist das Gerücht, daß diesem alten von vormaligen Schuldirektoren zu sehr nachgesehenen Unwesen, durch Errichtung eines eigenen Chors, endlich abgeholfen, und die Jugend der Kreuzschule ihren ungestörten Studien wiedergegeben werden soll, ein sehr erfreuliches zu nennen. Darum mag ich von dem unangenehmen Gefühl, das mich überraschte, als ich, nach der zusammengesuchten und doch am Ende effektlosen Ouvertüre, den Vorhang aufrollen, und die Kreuzschüler, statt hinter ihren Büchern, als Ritter auf den Brettern figuriren sah, nichts weiter erwähnen.
Die Kostüme werden in No. 79. der Abendzeitung herrlich genannt. Tancred, die Hauptperson, hatte, statt des Eisenharnisches, ein eisenähnlich gemaltes, hinten zusammengebundenes Vortuch von Taffent oder Leinewand, was so eigen schimmerte, daß viele wähnten, es habe Aehnlichkeit mit der Haut des Bücklings. Wie man ein solches Kostüm, mitten unter uns, die wir doch auch Augen und wenigstens ein bischen Geschmack haben, herrlich nennen kann, ist allen Abendzeitungslesern unbegreiflich.
Dazu – wir dummen Deutschen können uns nun einmal nicht daran gewöhnen, einen Helden mit einer Kapaunenstimme lieb zu gewinnen, und so geht uns hier der herrliche Sänger, der ungesehen in der katholischen Kirche, uns jeden Sonntag zu einem Festtag macht, ganz verloren.
Ueber die Musik selbst ist in öffentlichen Blättern für und wider schon so viel gesagt worden, daß ein Weiteres überflüssig erscheinen mögte. Sie hat einige ungemein gefällige Duetts und Quartetts, aber vom Heroischen wollte man nicht ¦ viel finden; auch stößt man auf recht liebe alte Bekannte, und geht im Ganzen halb befriediget nach Hause. Würden, in eine Bearbeitung für deutsche Bühnen, die Rezitative weggelassen, und ein sinniger Text an deren Stelle eingelegt, was keine zu schwierige Aufgabe sein mögte; so kann eine Oper daraus werden, die das deutsche Publikum wohl ansprechen würde; nur, versteht sich, müßte dann vor allem die Partie des Tancred, keiner Altstimme, sondern einem Tenoristen übertragen werden.
Hr. Weixelbaum hatte die Rolle des Argir. Personen, die ihn früher gehört, wollen behaupten, daß seine Stimme gegen sonst, etwas verloren; in Hinsicht des Spiels, stellen wir ihn neben unsern lieben Hrn. Bergmann.
Mad. Weixelbaum, die Tochter der geschätzten Marchetti Fantozzi*, in früherer Jugend hier als dritte Sängerin angestellt, gefiel in der Rolle der Amenaide allgemein; selbst wer vorher Signora Sandrini in dieser Rolle gesehen, schenkte der fremden Künstlerin, nicht den Vorzug, aber gleichen Beifall.
Die Kapelle spielte brav.
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Herr Haffner, Mitglied des deutschen Theaters, ist vom Schlage gerührt worden; zu seinem Aufkommen ist leider wenige Hoffnung vorhanden.
Editorial
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Joachim Veit
Tradition
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Text Source: Dramaturgisches Wochenblatt in nächster Beziehung auf die königlichen Schauspiele zu Berlin, vol. 2, issue 47 (24. Mai 1817), pp. 373
Commentary
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“… Tochter der geschätzten Marchetti Fantozzi”Maria Marchetti-Fantozzi (geb. 1766).