Aufführungsbesprechung Berlin, Schauspielhaus: “Der Freischütz” von Carl Maria von Weber am 18. Juni 1821 (Teil 2 von 2) und Konzert Webers im Schauspielhaus am 25. Juni 1821

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Correspondenz-Nachrichten.

(Schluß.) Berlin.

Ein ausführliches Urtheil über das vortreffliche, neuste und größte Webersche Werk muß ich mir leider! für einen Raum ersparen, der der Musik mehr ausschließlich gewidmet ist, als diese Blätter, und eine Erzählung des Inhaltes werde ich meinen Lesern noch weniger geben, denn Ihre Wiener Bühne wird sich eine so geniale, gar angenehme Oper nicht lange fremd seyn lassen, und die Überraschung und die Theaterkoups sind bey diesem dramatischen Produkte auch zu etwas anzuschlagen. Nur so viel, daß alle die Eigenschaften, die Weber schon seit seinem ersten Auftreten charakteristisch von allen andern Musikern der Mit- und Vor-Zeit unterschieden, ich meine jenes Genie, das mit den Regeln und Gesetzen spielt und kühn scherzt, ohne sie je zu verletzen, jene kaustische Kraft der Melodien, die unwiderruflich in’s Herz gehen, jene Ge|wandtheit im Behandeln der Harmonien, und vor allen jene Geschicklichkeit – man erlaube uns eine triviale, aber bezeichnende Redensart – jene Geschicklichkeit, den Nagel überall auf den Kopf zu treffen, alle diese Prädikate glänzen höchst erfreulich in dem „Freyschütz,“ und erheben das Werk auf eine Höhe, auf der es, wie einer unserer Recensenten ganz richtig bemerkt hat, „seit Mozart’s Tode mit Beethoven’s ‚Fidelio‘ einzig dasteht.“ Wollte ich Ihnen auch nur die bedeutendsten und vollendetsten Stücke der Oper hervorheben, so würde ich eine Analyse des ganzen Werkes schreiben müssen, deren ich mich enthalten soll; im Allgemeinen ernteten den rauschendsten Beyfall gleich das erste Lied des komischen Bauern (g-dur) mit einem ganz neu behandelten Mädchenchore, alle Jägerchöre des Stückes, ein wildes, schön gemahltes Lied des Freyschützen (h-moll), den Hr. Blume sehr brav spielt und singt, die lyrische, ganz vortrefflich gemahlte große Scene der Agathe, von Mad. Seidler wie die ganze Rolle, mit gewohnter Meisterschaft gesungen, derselben süße und elegische Kavatine (As-dur) im dritten Akte; das unübertreffliche, einfache und ungemein geniale Volkslied: „wir winden dir den Jungfernkranz“ und der Schluß der Oper. Genug vom Einzelnen. Sie werden das Ganze ohne Zweifel bald hören, und Ihre Leser sollen hoffentlich ihrem Berliner Korrespondenten noch danken, daß er sie schon vorläufig auf einen großen Genuß aufmerksam gemacht hat.

Weber gab am letzten Montage auch, vielen Menschen sich fügend, ein Konzert, und wir hatten seit Jahren nun auch wieder einmahl Gelegenheit, den vollendeten Pianisten in ihm zu bewundern. Er spielte mit der Elasticität des Anschlages, der perlenrunden Geläufigkeit, und dem originellen Geiste, die wir an ihm gewohnt waren, eine schwierige Konzertscene von eigner Komposition, ein Rondo brillante, in welchen beyden Stücken er sich denselben rauschenden, warmen und wahrhaft südlichen Beyfall gewann, den er den Zuhörern mit seiner Oper entlockt hatte, und endlich Variationen auf ein norwegisches Lied mit dem wunderlich merkwürdigen Violinisten Alex. Boucher, der immer noch bey uns ist, und immer wieder, wenn er auftritt, den Saal füllt, die Leute erst unterhält, dann ergetzt, und damit endet, sie hinzureißen. Wie dieser höchst interessante und bizarre Mensch denn einmahl immer seinen eigenthümlichen Weg geht, so machte er sich auch den Spaß, in einer Fermate den begleitenden Kapellmeister Weber um einen Augenblick Pause zu einer Kadenz zu ersuchen, und nun gab er in dieser improvisirt eine wahre Perlenschnur von Thematen aus dem „Freyschütz,“ die er, wie alle Musikfreunde, im Kopfe behalten hatte, und nun als originelles, artiges Zeichen seiner Aufmerksamkeit und Verehrung dem Komponisten auf diese geistreiche Art zurückgab; das Publikum erkannte die Originalität, wie die Artigkeit, und die Meisterschaft der unvorbereiteten Ausführung mit lebhaftem Applaus an.

[…]

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung Berlin: “Der Freischütz” von Carl Maria von Weber am 18. Juni 1821 (Teil 2 von 2). Der erste Teil erschien in der vorigen Ausgabe. Dazu Besprechung eines Konzertes von Carl Maria von Weber und Alexandre Boucher.

Creation

Responsibilities

Übertragung
Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, Jg. 6, Nr. 89 (26. Juli 1821), pp. 758–759

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