Aufführungsbesprechung Berlin, Schauspielhaus: “Der Freischütz” von Carl Maria von Weber am 18. Juni 1821 (Teil 1 von 2)

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Correspondenz-Nachrichten.

Berlin im Juny.

Der Gott des Tages ist jetzt bey uns der vielgefeyerte Kapellmeister Karl Maria von Weber. Alles drängt sich, ihn zu sehen, ihm Feste zu geben, seitdem er sich zu den längst verdienten Kränzen so eben neue, glänzende Lorbeeren in unsern Mauern errungen hat. Ich habe Ihnen, denke ich, schon geschrieben, daß wir nach der vielbesprochenen Olympia eine neue romantische Oper von Weber (und Kind) „der Freyschütz“ erwarteten. Was wir von einem Weber erwarten konnten, können Sie sich denken, oder können Sie sich vielmehr nicht denken, denn Weber hat hier in Berlin gewiß die innigsten und zahlreichsten Verehrer seines seltenen Geistes, und die Hoffnung etwas ganz Außerordentliches zu hören, konnte nirgends lebendiger seyn, als sie das zahlreiche Publikum belebte, welches vor acht Tagen der ersten Vorstellung beywohnte. Lassen Sie es mich von vorn herein aussprechen, daß selten, vielleicht nie, eine erste Aufführung hier ein solches Glück gemacht hat. Jedes einzelne Stück ward lebhaft beklascht, von der Ouvertüre bis zum Schlußchor, und als der Vorhang kaum gefallen war, rief man stürmisch Hrn. v. Weber hervor. Und es regnete Blumen, Kränze und Gedichte. Seitdem ist in einer Woche die Oper dreymahl bey gedrängt vollem Hause gegeben worden, und wäre wohl noch öfter wiederhohlt worden, wenn nicht die Krankheit eines Hauptakteurs die Vorstellungen einen Augenblick unterbrochen hätte. Die einschmeichelnden Melodien, die originellen, geistreichen Gedanken der herrlichen Musik haben sich so geschickt in die Herzen und Ohren zu schleichen gewußt, daß sie überall in allen musikalischen Zirkeln aus dem Freyschütz trällern hören, und wer sähe nicht mit Begier der Erscheinung des Klavierauszuges entgegen, den Weber und der Musikhändler Schlesinger bereits im Werke haben?

Die Opposition, die längst hier gegen Spontini sich gebildet hat, ob mit Recht oder Unrecht, darüber nächstens einmahl mehr – trug auch nur noch mehr dazu bey, Weber’s Erfolg zu unterstützen, denn wie viele hätten nicht lieber den jungen, thätigen, genialen, bescheidenen und vorwärts strebenden Weber hier gehabt, als einen Meister; der freylich als solcher in Europa längst anerkannt, aber zu dem Posten, auf den er hier gestellt, wohl nicht geschaffen ist. Freylich macht sich die Opposition hier und da auf eine Weise Luft, die wohl gerade der Kunst und den Verhältnissen nicht günstig ist, und diesen Tadel ließ sich u. A. der Verfasser des an jenem Abend im Theater ausgestreuten Gedichtes zu Schulden kommen, das ein gewaltiges Stadtgerede, auch eine höfliche Antwort von Maria v. Weber veranlaßt hat, und der Mühe werth ist, hier erwähnt zu werden. Als Weber nähmlich auf das enthusiastische Verlangen des Publikums vor dem Vorhange erschien, streute man folgendes Gedichtchen mit Profusion unter die Zuschauer aus:

Dem Hrn. Kapellmeister Maria v. Weber. Berlin am Tage von Belle-Alliance 1821.
(dem Tage der ersten Aufführung).

Das Hurrah jauchzet, die Büchse knallt,Willkommen, du Freyschütz, im duftenden Wald;Wir winden zum Kranze das grüne ReisUnd reichen dir freudig den rühmlichen Preis. | Du sangst uns Lützows verwegene Jagd,Da haben wir immer nach dir gefragt.Willkommen, willkommen in unserm Hain,Du sollst uns der trefflichste Jäger seyn.So laß dir’s gefallen auf unserm Revier:"Hier bleiben" so rufen, so bitten wir;Und wenn es auch keinen Elephanten gilt –Du jagst wohl nach anderm, edlerem Wild!

Der Stachel liegt nähmlich in der vorletzten Strophe. Sie wissen aus meinem Berichte, daß in Olympia uns ein künstlicher Elephant vorgeführt wird, der 800 Rthlr. gekostet haben soll, und eigentlich zu nichts weiter dient, als die Kosten der Oper zu erhöhen, und der Laune des Komponisten zu fröhnen, der sein Werk herausputzen wollte – et si pereat mundus! Das Thier hat denn auch wirklich gewaltigen Lärm verursacht, und die Opposition fand an dem stämmigen Thier einen mächtigen Anhalt, um ihre Meinungen zu vertheidigen. Das war es, worüber der ironische Epigrammatist seine Geisel schwang. Weber mußte aber, wegen Verhältnissen, die zu zart sind um hier berührt werden zu können, für den Augenblick dieser Freund sehr unwillkommen seyn, und er fand es für gut auf die ganze ehrenvolle Aufnahme und auf dieß Gedicht einen Dank und eine Erwiederung in unsere Zeitungen rücken zu lassen, die den gebildeten und den feinen Mann gleich sehr bewährte. Er sagte darin am Schlusse:

„Je mehr ich mir der Reinheit meines Strebens bewußt bin, desto schmerzlicher mußte mir der einzige, bittre Tropfen seyn, der in den Freudenbecher fiel. Ich würde den Beyfall eines solchen Publikums nicht verdienen, wenn ich nicht hoch zu ehren wüßte, was hoch zu ehren ist. Ein Witzspiel aber, das einem berühmten Manne kaum ein Nadelstich seyn kann, muß, in dieser Weise für mich gesprochen, mich selbst mehr verwunden, als ein Dolchstich. Und wahrlich bey der Vergleichung mit dem Elephanten könnten meine Eulen und die andern harmlosen Geschöpfchen sehr zu kurz kommen!“

(Der Schluß folgt.)

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung Berlin: “Der Freischütz” von Carl Maria von Weber am 18. Juni 1821 (Teil 1 von 2). Der zweite Teil erscheint in der folgenden Ausgabe.

Creation

Responsibilities

Übertragung
Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, Jg. 6, Nr. 88 (24. Juli 1821), pp. 750–751

    Commentary

    • beklaschtrecte “beklatscht”.

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