Aufführungsbesprechung Wien, Theater an der Wien: Abu Hassan von C. M. von Weber am 28. Mai 1813

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K. K. priv. Theater an der Wien.

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Abu Hassan. Singspiel in einem Aufzuge von F. K. Hiemer. Musik von Karl Maria von Weber (zum ersten Mahl aufgeführt am 28. May)

Abu Hassan, Liebling des Kalifen, der durch Verschwendung mit seiner Gattinn Fatime in den dürftigsten Lebens-Verhältnissen sich befindet, geräth, seine Lage zu verbessern, auf den Gedanken, zur Gemahlinn des Kalifen zu gehen, und ihr mit Trauer den Tod seines Weibes zu verkünden, wo im Gegentheile in Hinsicht ihres Mannes Fatime beim Kalifen ein Aehnliches versuchen möge. Er rechnet auf die dem Landesgebrauche üblichen Geschenke, und auf eine Summe Geldes zur Bestreitung der Leichenkosten. Der Streich gelingt. Beyde bringen Geld und Geschenke zurück. Jetzt kommen sie aber in’s Gedränge. Der Kalif so wie seine Gemahlinn beginnen, beyde vom Gegentheil benachrichtiget, eine ansehnliche Wette, Eines will das Andere von der Wahrheit seiner Sache überzeugen, der Kalif sendet zuerst seinen Oberkämmerling ab. Abu Hassan sieht ihn kommen, schnell legt sich seine Gemahlinn Fatime auf das Ruhbett, er bedeckt ihren Körper, jammert ganz entsetzlich, und sie muß für todt passiren, obschon ihr der Oberkämmerling ziemlich nahe in’s Gesicht schaut. Dasselbe geschieht, als Jemand in gleicher Absicht von der Gemahlinn des Kalifen abgesendet in das Zimmer tritt. Endlich erscheint der Kalif, um aus der Sache klug zu werden, mit seiner Gattin und einem ansehnlichen Gefolge, und dem Ehepaar bleibt nichts anders übrig, als sich gegenseitig todt zu stellen. Der Kalif und seine Gemahlin zanken sich, wer zuerst gestorben sey, der Kalif verheißt dem tausend Goldstücke, der ihm dieses mit Zuverläßigkeit bestimmen könnte. Diese Verheißung erweckt Abu Hassan aus dem Todesschlummer, er spricht ganz naiv: – Ich war’s, der zuerst sich empfahl – Fatime, die ebenfalls so ein goldnes Wörtchen von der Gemahlinn des Kalifen hört, hat auch nicht mehr Lust tod zu seyn. Man stürzt sich zu des Kalifen Füssen, der Wechsler Omar, dem Abu Hassan ein ganz artiges Sümmchen schuldig ist, und den Fatime noch artiger um die von ihrem Mann ausgestellten Wechsel und Schuldscheine prellt, wird aus dem Gemache, wo ihn Fatimens Witz einkerkerte, befreyt, und windet sich weg. – Der Kalif verzeiht, und das Stück hat ein Ende.

So mager der Dialog, so sparsam der Witz verwendet ist, so wenig gezeichnet die Charaktere ans Licht treten, und so unverzeihlich gegen die Wahrscheinlichkeit in dieser Oper gesündigt wird, so ist sie doch für das was sie ist, ziemlich erträglich. – Doch einem gegenseitigen Zusammenwirken, einem Streben nach Wahrheit und richtiger Darstellung ist es gelungen, diesem matten Produkte den Stempel der Vortrefflichkeit aufzudrücken.

Herr Ehlers (Abu Hassan) war ganz das, was er seyn sollte, und wußte auch da wo nichts war, Geist und Leben auszusprechen – er spielte herrlich. – Demoiselle Buchwieser (Fatime) ging wieder ganz aus sich selbst heraus, ihr Spiel war ein Bild der liebenswürdigsten Naivität. Jedes andere Lob wäre überflüssig. Die Blüthen, die dieser in mannigfaltiger Hinsicht großen Künstlerinn die Kunst und der Beyfall des Publikums streut, werden nie verwelken, und man möchte, wenn man nicht die hinkenden Dystchen* und ihre Ausbesserer scheuen würde, ihr zurufen:

Sterne umschimmern dich, die nimmer bleichen und schwinden,Du, ein blendender Stern, strahle ewig uns Licht.

Herr Meyer (Omar) stellte einen Charakter nach dem Geiste solcher Charakter dar – er war eine Wucherseele, nur Fatimens Gunst übersteigt die Geldprocente, und es ließe sich mahlen, mit welchem innern Kampfe er ihr mit weggewandten Gesicht die Schuldverschreibungen ihres Mannes reicht.

Mad Babett Rothe (Zemrud) ließ nichts zu wünschen übrig.

Demois Laroche (Zobeide) schien ihre kleine Rolle nicht begriffen zu haben, sie war ganz aufgelöst, immer sensibl, und wird vielleicht, wenn man sie um die Ursache hievon fragen würde, sich selbst die Antwort schuldig bleiben.

Herr Schmidtmann (der Kalif) und Herr Hennig (der Oberkämmerling) konnten heute nichts leisten, weil sie nichts zu leisten hatten.

Was die Musik des Herrn Karl Maria v. Weber betrifft, so verdient selbe beynahe durchgehends Lob. Vortrefflich war der Chor der Gläubiger, wo Mesrur sein Geld von Hassan fodert, das Ganze zeigt Spuren von Genialität und hoher Kraft, nur dürfte manchmahl das Streben nach Neuheit zu sehr auffallend seyn.
M-ll-r.

Editorial

Summary

Rezension über Abu Hassan-Aufführung

Creation

Responsibilities

Übertragung
Solveig Schreiter

Tradition

  • Text Source: Wiener Theater-Zeitung, Jg. 6, Nr. 65 (1. Juni 1813), pp. 251–252

    Commentary

    • “… man nicht die hinkenden Dystchen”Distichon, Pl. Distichen: Zweizeiler.

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