Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad vom 4. bis 15. Mai 1819

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Am 4. Mai. Stille Wasser sind betrüglich.

Am 6. Mai. Zum Erstenmale: Czaar Iwan, dram. Anekdote in 2 Akten, von I. H. Castelli.

Es ist eine eigne Sache um den Witterungseinfluß auf den Beifall. Je wärmer es vor dem Schauspielhause ist, desto kälter ist es gewöhnlich darin. So war der heutige schöne Frühlingstag recht dazu geeignet, nur ein ganz kleines Publikum für diese Neuigkeit zu versammeln, das noch dazu größtentheils der nachfolgenden Oper zu Gunsten erschienen war. Ein größeres hätte gewiß diese Kleinigkeit wenigstens mit einigen Zeichen des Beifalls aufgenommen. Wir wollen gar nicht ableugnen, daß hie und da die Verse, in denen es geschrieben ist, fließender gewünscht werden möchten, daß das Erscheinen des eben gebornen Kindes auf der Bühne nicht ohne Lächeln bleiben kann, daß der Steuereinnehmer ein oft gesehener Character ist; aber die kleine Anekdote ist wahr und dadurch schon interessant, die Scenenverwicklung wohl erfunden, die Episode von Alexis und Eudoxia’s Liebe gut in’s Ganze gewebt, der Character des Holzhauers Petrowitsch gefällig und kräftig, und selbst der Czaar nicht würdelos gehalten, so daß wenigstens kein unangenehmer Eindruck der Erfolg der Darstellung seyn kann. Dies war auch bei der heutigen Vorstellung nicht der Fall, aber sie ließ doch kalt. Vielleicht geht es einer zweiten besser. Manche gemüthliche und witzige Stelle, wie z. B. Petrowitsch Rede, Akt 1, Scene 12, wo ihn der Czaar zum Singen auffodert und er antwortet:

Meinetwegen – ich liebe den Czaar ja von Herzen,obschon ich sein Schuldner eigentlich bin.So hört denn – ich sag’s Euch, es wird jämmerlich klingenMüßt’s nehmen, wie’s kommt. – Ei was liegt daran?Zum mindesten will ich den Czaar besingen,Da ich ihn leider nicht bezahlen kann.

oder Akt 2, Scene 2, wo Petrowitsch die Schilderung seines Neugebornen mit den Worten schließt:

Die Backen sind voll und die Stirn erhaben,anstatt zu weinen, schreit er vielmehr,Und was man ihm zeigt, das will er gleich haben,Das ist ein geborner großer Herr.

zeigen gewiß von Talent, nur ist auch in der letztern der Reim wieder vernachlässigt.

Das Anziehende der Anekdote selbst beweiset, daß sie der jetzt hier anwesende Prof. Carl Bonafont schon im Jahre 1810 unter dem Titel: Iwan der Vierte, jedoch in Prosa, dramatisch bearbeitete und zu Leipzig im Druck herausgab.

¦ Hierauf: Die Junggesellenwirthschaft. Kom. Oper in einem Akt, von Treitzschke, Musik von Girowetz. Wird bei der zweiten Aufführung näher beurtheilt werden.

Am 9. Mai. Raoul, der Blaubart.

Am 11. Mai. Johanna von Arc. Dem. Schubert gab die Rolle der Johanna.

Am 14. Mai. (Als erste Vorstellung auf dem Linkeschen Bade.) Vetter Benjahmin aus Pohlen.

Am 15. Mai. In der Stadt: La gazza ladra.

Editorial

Summary

Chronik Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad vom 4. bis 15. Mai 1819. Dabei besonders über “Czaar Iwan” von Ignaz Castelli.

Creation

Responsibilities

Übertragung
Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 125 (26. Mai 1819), f 2v

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