Aufführungsbesprechung Wien, Theater an der Wien: “Moses Errettung” von A. Klingemann und “Abu Hassan” von C. M. von Weber am 28. Mai 1813

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Theater.

Wien. – Am 28. May wurde im Theater an der Wien zum ersten Mahle aufgeführt: Moses Errettung. Ein Schauspiel in einem Aufzuge, von A. Klingemann. Der Stoff dieser Einleitung zu dem bekannten Drama ist, wie dieses selbst, der Urkunde treu bearbeitet. Der Entschluß von Moses Ältern, ihr Kind, um es dem Tode von Henkershand zu entziehen, den Fluthen des Nils Preis zu geben, und des Kindes zufällige Errettung durch die Dazwischenkunft der egyptischen Königstochter bilden den Inhalt. Sehr glücklich hat der Verf. die Scene benützt, worin Moses Mutter zur Wärterinn des Säuglings bestellt wird; die schon etwas matte Handlung gewinnt dadurch neues, erhöhtes Interesse. Die Diction gleicht den übrigen Kindern der Klingemann’schen Muse. Dieß erspart uns ein weltläufiges Lob. Daß er aber zuweilen, vielleicht aus Vorliebe für geschmückte Worte, die Pointe eines wichtigen Moments, wo Rede und That einander wie Blitz und Schlag folgen müssen, durch rednerischen Prunk aus den Augen verliert, ist eine an diesem Dramaturgen bereits gerügte Mangelhaftigkeit. Der Umstand, daß in dem Stücke nur eine bedeutende Männerolle neben vier wichtigen weiblichen Charakteren vorkommt, erschwerte der Direction die passende Besetzung eben so sehr, als die Leidenschaftlichkeit, womit fast alle vorkommenden Personen handeln, den darstellenden Damen ihre Aufgabe gleichfalls erschwerte. Mad. Häser, ein neu angenommenes Mitglied, zeigte sich als Prinzessinn in keinem vortheilhaften Lichte; sie hat einen gezierten Vortrag und zu wenig Ton. Das letztere gilt auch von Mad. Gottdank in der affectvollen Rolle der Thamira und von Mad. Perinet*, als Jechabeth. Dlle. Nan. Laroche (Mirjam) theilte heute ausschließlich mit ihrem Vater Amram (Herr Grüner) die Ehre des Beyfalls, welcher übrigens nicht groß war.

Den Schluß der Vorstellung machte die erste Aufführung des Abu Hassan, ein Singspiel in 1 Act, von F. K. Hiemer, mit Musik von Herrn C. M. von Weber.

Abu Hassan, der Günstling des Kalifen, und sein junges Weibchen, die Favorite der Gemahlinn desselben, sind, um ihren Gaumenkitzel zu befriedigen, in die dürftigsten Umstände gekommen, und in die Hände ungestümer Gläubiger gefallen, deren einer, Omar, ein lüsternes Auge auf die schöne, jedoch arme Fatime wirft, aber mit seinen Anträgen abgewiesen wird. In der dringendsten Verlegenheit geräth Abu Hassan auf den Einfall, zu dem Kalifen zu gehen, und ihm den Tod Fatimens zu verkünden. Fatime sollte das Nähmliche bey der Kalifinn, rücksichtlich ihres Mannes thun; und so hoffte er, einem morgenländischen Gebrauch zu Folge, für die Bestattungskosten eine ziemlich ansehnliche Summe zu erhalten. Der Anschlag wird ausgeführt und gelingt. Beyde spielen die Rolle des trauernden Ehegatten so natürlich, daß sie nicht nur bedauert, sondern auch reichlich beschenkt werden. Während Fatime zu Zobeiden geht, kommt Omar mit den übrigen Gläubigern zu Abu Hassan, um die Bezahlung der fälligen Wechsel zu betreiben. Abu Hassan weiß sich nur dadurch zu retten, daß er dem reichsten unter ihnen, eben diesen Omar, Hoffnung auf Fatimens Besitz macht. Der lüsterne Faun wird dadurch so kirre, daß er ihm verspricht, alle seine Gläubiger zu bezahlen, und zur Tilgung der ganzen Schuld billige Termine einzugehen. Als Abu Hassan zum Kalifen geht, kommt Omar zurück; er trifft die schöne Fatime ganz allein, erneuert seine Anträge, und wird von der Schlauen so an der Nase geführt, daß er ihr im Liebestaumel alle eingelöseten Wechsel der übrigen Gläubiger behändigt. Die plötzliche Zurückkunft Abu Hassans erspart Fatimen die Nothwendigkeit, eine so lästige Conversation fortzusetzen. Flucht ist nicht mehr möglich, und Omar muß sich gefallen lassen, in einem Seitengemach ¦ verborgen zu bleiben. Abu Hassan kommt, und erfährt von seiner Frau den Erfolg ihrer List. Er will zu Omar, in’s Kabinet, um ihn weidlich auszulachen. Bis dahin geht alles glücklich; aber nun wendet sich das Blatt. Der Kalif hat mit seiner Gemahlinn eine Wette eingegangen, daß Abu Hassan todt sey; Zobeide ihrer Seits wettete auf Fatimens Tod; beyde glauben ihrer Sache ganz sicher zu seyn, weil die trauernden Ehegatten so eben die Begräbnißkosten bey ihnen abholten. Der Kalif schickt daher seinen Kämmerling, und Zobeide ihre Amme in die Wohnung Abu Hassans, um sich durch den Augenschein zu überzeugen. Als diese ankommen, spielen Abu Hassan und seine Frau wechselweise die Rolle des Todten, und die Abgesandten werden neuerdings getäuscht. Endlich kommt der Kalif selbst mit Zobeiden. Das verlegene Ehepaar weiß sich nicht anders zu retten, als daß sich beyde zugleich auf das Lotterbettlein wie todt hinlegen. Die Wettenden sind nun ungewiß, wer von beyden zuerst gestorben sey; der Kalif biethet demjenigen, der ihm darüber Aufklärung geben könne, tausend Byzanthiner zur Belohnung, und der todte Abu Hassan springt vom Bette auf, und bittet um jene tausend Byzanthiner. Nun rückt die Entwickelung rasch heran; ein Wink Zobeidens belebt auch Fatimen; Abu Hassan erzählt die dringende Noth, welche ihn zu diesem Betruge verleitet; der gütige Kalif verzeiht seinem Lieblinge den gespielten Schwank, und er sowohl als Zobeide werfen dem Ehepaar ein ansehnliches Jahrgehalt aus. Nun wird auch der schweißtriefende Omar aus seinem Versteck hervorgezogen; der Kalif erklärt die Forderung des Wucherers für ungültig, und verbannt ihn von seinem Hoflager.

Dieser aus den schönen Mährchen der tausend und einen Nacht entlehnte Stoff ist allerdings für eine komische Oper geeignet, und hätte, bey besserer Theaterkenntniß des Dichters noch weit anziehender werden können. Die Musik ist allerliebst; Herr von Weber hat seinen Beruf für dieses Fach auf eine glänzende Art dargethan. Angenehme Melodien, ein schöner Vocalsatz und eine passende, nicht überladene Instrumentirung zeichnen sein Werkchen vortheilhaft aus. In der langen Arie Abu Hassans, welche auch für einen sehr geübten Componisten nicht ohne Klippen seyn dürfte, zeigte er eine reiche Fülle von Modulationen; das Duett Fatimens mit Omar dürfte unter den vielen gelungenen Musikstücken den Ehrenplatz verdienen. Die Ouvertüre, obwohl im türkischen Geschmacke, ist nicht bloß charakteristisch, sondern auch lieblich, wenn schon die Lieblichkeit sonst nicht im türkischen Geschmacke ist. Der Nahme der mitwirkenden Künstler verbürgt eine vorzügliche Darstellung. Dlle. Buchwieser (Fatime) ist in Rollen dieser Art wirklich unübertrefflich. Man muß die Erzählung ihres Wittwenstandes, ihre Scene mit Omar, die liebenswürdige Schlauheit, welche sie darin entwickelt, den Frohsinn und die Schalkaftigkeit bey Übernahme der Schuldbriefe selbst gehört und gesehen haben, um es erklärbar zu finden, daß wir die heutige Darstellung in einer Operette ihren gelungensten Kunstproductionen kühn an die Seite stellen. Leider hinderte sie eine Unpäßlichkeit, welche auch die Wiederhohlung der Oper für den folgenden Tag unmöglich machte, alle Vorzüge ihres Gesanges zu entfalten. An ihrer Seite glänzte Herr Ehlers (Abu Hassan) durch lebhaftes Spiel und richtige Declamirung der Worte und des Gesangtextes. Herr Meier (Omar) weiß dergleichen Rollen immer die glücklichste Seite abzugewinnen, und ist wahrhaft komisch, ohne daß er sich die Miene gibt, es seyn zu wollen. Eine unerläßliche Bedingung zur möglichsten Täuschung. Mad. Bab. Rothe (die Amme) ist in dieser Nebenrolle auszeichnungswerth. Alle übrigen wirkten in ihren entfernteren Standpuncten zum Gelingen des Ganzen mit, und hatten dafür den Lohn, dem Publicum einen sehr vergnügten Abend veschafft zu haben.

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung Wien: Moses Errettung von A. Klingemann und Abu Hassan von C. M. von Weber am 28. Mai 1813

Creation

Responsibilities

Übertragung
Mo, Ran

Tradition

  • Text Source: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 5, Nr. 87 (1. Juni 1813), pp. 348

    Commentary

    • “… Thamira und von Mad. Perinet”Viktoria Perinet, geb. Vamy (1781/83–1822), seit 17. Mai 1803 verheiratet mit Joachim Perinet (1763–1816).

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