Karl Seidel: “Der Brautkampf”, Novelle, Abdruck in der Abend-Zeitung 1819 (Teil 3 von 4)

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Der Brautkampf.

(Fortsetzung.)

Das Ernste war mit dem Komischen wundersam gemischt in dieser einzigen Scene. Der Schöpfer derselben, Don Gaston Viratos, gab dabei einen stummen Zeugen ab, und weidete sein fast neidisches Auge an Clarissens dankenden Blicken. In diesem süßen Schauen störte ihn der glückliche Alte, der jetzt dem fremden Gast in bester Form seine Höflichkeit bezeigte, und sich endlich auch erkundigte nach dem edlen Don Nonno Mansos de Fonseca. Don Gaston entgegnete darauf, daß nur Kränklichkeit den werthen Capitano abgehalten hätte, das Glück dieser schönen Stunde zu theilen. – Diese Antwort stimmte sehr gut mit dem Inhalt des bewußten Briefes, welchen Don Pantaleon jetzt erbrach. In demselben schrieb Don Nunno, er hätte sein Söhnlein Pinto in guter Begleitung vorangeschickt, damit derselbe am gewünschten Tage in Sevilla wäre; er selbst könne wegen seiner körperlichen Beschaffenheit nur in ganz kleinen Tagereisen folgen, und würde demnach etwas später ¦ eintreffen. – Eben wollte Don Pantaleon wahrscheinlich neue Fragen thun, als ihm Don Gaston in die Rede fiel und sprach, indem er sich zu den Liebenden wendete: So genießet denn, Ihr gutartigen Kinder, die Ihr so willig den Wünschen Eurer Väter lebt, in ungestörter Wonne die ersten Minuten Eures Glücks. Laßt uns gehen, edler Don Pantaleon, wir sind hier unnütze Zeugen. – Don Gomez Freires mußte jetzt im Stillen die Gewandtheit seines neuen Freundes bewundern; und Clarissa lächelte verschämt über das schalkhafte Lob, in Folge dessen ihr der Alte zärtlich die Stirn küßte, und darauf mit Don Gaston Hand in Hand den Saal verließ.

Wie ein schöner Glockenton klingt durch das Gewirr so mancher verwickelter Begebenheiten das zarte Verhältniß der beiden Liebenden. Es ist selten, daß hoffnungloser Schmerz und drohende Gefahr des Verlustes so nahe grenzen mit dem glücklich zugesicherten Besitz, es scheint beinahe einzig, daß die Verlobungsstunde zugleich auch diejenige sey, welche, wie hier, zum ersten Mal zwei freudebebende Hände in einander legt. – Ohne Zeugen umschlingen sich jetzt die zitternden Arme; Brust an Brust gepreßt durchzucken die Wonnen des ersten Kusses die Seligen. – Alle Gedanken der Vergangenheit, alle sorgenvolle[n] Blicke in die drohende Zukunft sind vernichtet durch diesen großen Augenblick; in Clarissens Herzen schweigen jetzt sogar die stillen Vorwürfe über ihr Verfahren gegen einen verehrten Vater. –

Indeß nun die Liebenden die schönste Stunde ihres Lebens genießen, unterhält Don Pantaleon seinen Gast von den Liederwerthen Thaten der Pachecco’s. Ueber dieses Liebling[s]thema des Alten konnte so leicht niemand besser sprechen als Don Gaston Viratos; unter anderem behauptete er ganz ernst, ein Nachkomme des weiland* berühmten Viriathus zu seyn, der vor Numantia’s Fall das Schrecken der Römer gewesen war. Darüber hatte denn der alte Herr eine fast neidische Freude, und überhäufte den vermeinten Jugendfreund seines neuen Sohnes mit Artigkeiten. – Endlich schloß ein prächtiges Ma[h]l den festlichen Tag, der nicht leicht in dem weiten Sevilla noch einmal vier so frohe Menschen beisammen sah. –

Als die beiden Herren sich endlich allein befangen, gerieth Pinto der zweite, bei aller Gewandtheit, doch in einige Verlegenheit; einmal durch den stürmisch ausgesprochenen Dank des dritten | Pinto, besonders aber durch dessen natürliche Frage, wie denn das lose Spiel nun enden solle. Don Gaston mußte noch schweigen von seinen Streichen in Salvaleon, um nicht plötzlich einen Freudenhimmel zu vernichten, in dem Don Gomez noch einige Zeit ungetrübt zu leben wünschte; und so waren denn Beide zufrieden, mit dem endlich gefaßten Beschluß, die Enthüllung dieser Mummerei dem Zufall anheim zu stellen.

Auf diese Weise verstrichen mehrere sehr heitere Tage, gewürzt durch manche komische Scene mit dem Alten. Don Pantaleon hielt, wie mancher glückliche Feldherr, die Fügungen des Zufalls, für sein Werk, und wußte sich deshalb nicht wenig mit der glücklichen Wahl des Bräutigams. Der vermeinte Fonseca hatte auch für seine Person die höchste Gunst des alten Herrn erworben, welcher sich sehr geschmeichelt fühlte, durch die respectvolle Scheu im Benehmen des erkohrnen Sohnes.

Eines Mittags saß Don Pantaleon wohlgemuth in der Mitte seiner Kinder, und trieb den verlegenen Bräutigam in die Enge durch mancherlei Fragen nach den Familien-Bekanntschaften des Don Gaston, welcher hingegangen war, der schönen Laura Freires Gesellschaft zu leisten. – Plötzlich öffnet sich die Flügelthür; ein langer, hagerer Mann vom allerseltsamsten Aeußeren tritt ein, schreitet hinkenden Fußes auf den Don Pantaleon zu, umarmt ihn sprachlos, und bleibt darauf wie erstarrt stehen vor dem abgewendet sitzenden Don Gomez. – In dieser angewurzelten Stellung sah Don Nunno Mansos de Fonseca dem schrecklichen Räuberhauptmann eines Wachsfiguren-Kabinets nicht unähnlich. – Bei meinen Thaten, brüllte er endlich, indem er nach dem jungen Paare schielte, was ist das hier? – Sprich Alter, wo hast du meinen lieben Sohn Pinto? – Euren Pinto? wiederholte Don Pantaleon stotternd, und schaute dabei in nicht geringer Verwunderung auf den Bräutigam. – Was nach diesem erfolgte, kann man sich leicht denken. Der edle Don Gomez Freires erzählte den staunenden Alten, ohne Rückhalt, den Verlauf der Begebenheiten und bat, von Clarissen unterstützt, um Vergebung eines losen Spiels, welches Don Pinto de Fonseca selbst angezettelt haben sollte. – Don Pantaleon schien während dessen die Sprache ganz verloren zu haben, der Capitano aber schrie: Was? mein Sohn, mein Pinto sollte seine Braut ¦ abgetreten haben ohne meinen Willen? Bei meinen Thaten, das sind nichtswürdige Lügen. Schurke! Du hast den Edlen gemordet und meine Briefe gestohlen. – Ereifert Euch nicht unnütz, entgegnete darauf Don Gomez; binnen kurzer Zeit soll Euer Sohn in eigener Person die Wahrheit meiner Aussage bekräftigen.

(Der Beschluß folgt.)

Editorial

Summary

Abdruck des dritten Teils der Novelle “Der Brautkampf” von Karl Seidel, die als Vorlage für das Libretto von Karl Theodor Winkler zu Webers Oper “Die Drei Pintos” dient.

Creation

Responsibilities

Übertragung
Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 301 (17. Dezember 1819), f 1v–2r

Text Constitution

  • “das”sic!

Commentary

  • Nonnorecte “Nunno”.
  • “… ernst, ein Nachkomme des weiland”bedeutet vormals.

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