Rezension über “Zwölf 4stimmige Gesänge” mit Klavierbegleitung von Gottfried Weber

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Zwölf 4stimmige Gesänge für 2 Soprane, Tenor und Bass, mit begleitendem Pianoforte - von Gottfried Weber. (In drey Hefte vertheilt.) Augsburg, bey Gombart. (Preis jedes Hefts 16 Gr.)

Bey der so überaus zahlreichen Menge neuer musikal. Compositionen, und bey den Rücksichten, die man in diesem Institut nehmen muss, dass keines der Fächer musikal. Productionen und keine Art der Liebhaber, auch nur auf einigermaasen geraume Zeit, leer ausgehe, wird es immer mehr unmöglich, auch nur alles wahrhaft Vorzügliche ausführlich zu beurtheilen. So müssen wir uns denn auch mit der Anzeige dieses Werks, das allerdings unter das Vorzügliche in dieser, seit einigen Jahren sehr begünstigten Gattung der Compositionen gehört, nur kurz fassen; und können es um so mehr, da der Verf. auch aus diesen Blättern, als ein wahrer Kenner der Tonkunst, und als ein gründlicher, immer auf das Würdigere gerichteter Componist, den achtbarern Kunstfreunden schon bekannt ist.

Man findet hier nicht eigentliche Lieder; noch weniger – wie jetzt unter dem Titel vierstimmiger Gesänge nicht selten – im Grunde nur einstimmige Stücke, zu denen blos die harmonischen Accorde ausgesetzt und an die andern Stimmen vertheilt sind: sondern recht eigentlich vierstimmig ausgeführte Gesänge, in der Idee, wie in der ästhetischen und artistischen Behandlung, am meisten denen ähnlich, welche J. Haydn nicht lange vor seinem Tode, (in der Sammlung bey Breitkopf und Härtel in Leipzig,) zum Vergnügen unzähliger Liebhaber, herausgegeben hat.

Die Texte sind nicht nur überhaupt, fast ohne Ausnahme, gut gewählt, sondern auch in gutem Verhältnis zu solcher geselliger Behandlungsart. Der Sinn eines jeden ist in der Musik getroffen; besonders [hat] aber auch durch weitere und bestimmtere Benutzung einzelner Wendungen der Dichter jedem Stücke mehr Individualität und Leben gegeben. Im Inhalte herrscht grosse Verschiedenheit; und die tiefe Schwermuth, wie die lustigste Laune, oder der kräftigste Mannessinn, finden hier etwas ihnen Zusagendes.

Im ersten Hefte scheint uns No. 1. zwar gut, aber, eben vierstimmig gesungen, nicht recht effectuirend, bis von da an, wo das erste Tempo zurückkehrt. No. 2. dagegen wird wol Jedermann mit uns für trefflich erklären, mag man nun, wie man soll, auf das Ganze, oder, wie man darf, auf das Einzelne sehen, z. B. auf die treue Nachfolge und Darstellung des Gedichts, die kunstverständige Führung der Stimmen etc. – No. 3. stehet, seinem Gegenstande gemäss, nicht eben hoch, ist aber angenehm, und gerade, was es seyn soll. Die eben so ungewöhnliche, als affectvolle Wendung der Harmonie um die Mitte des Stücks ist keine geringe Zierde desselben – wie es denn überhaupt an kunstreichen harmonischen Wendungen in dem ganzen Werke, eher zu viel, als zu wenig giebt. – No. 4. finden wir sehr würdig, ausdrucksvoll, den Dichter rühmlich unterstützend. Im Einzelnden werden Achtsame die Stelle, S. 15 vom 2ten Takt an, gewiss nicht leichthin übergehen; und zwar noch weniger, um des, allerdings auserlesenen Ganges der Harmonie selbst willen – denn diesen sind auch schon Andere, z. B. C. Ph. Em. Bach, gewandelt – als wegen der Anordnung und Vertheilung an die Stimmen, dass alles rein und wirksam bleibe, ohne in der Ausführung zu schwierig zu werden. Das Fis dur, bey seinem Eintritt, und eben auf diesen Worten, macht einen tiefen Eindruck.

Aus dem 2ten und dritten Heft führen wir nur die Stücke an, die uns vorzüglich gefallen haben: II. Seite 10, S. 15, (ungeachtet der ¦ Derbheit der Schnurre;) III. Seite 4, (trefflich!) und Seite 6.

Die Ausführung verlangt verständige, nicht kalte, tonfeste, und überhaupt ernsthaft gebildete Sänger, erlässt ihnen aber auch alle sogenannte Galanterien. Doch sind einige Stücke leicht vorzutragen. Die Begleitung ist sehr gut bearbeitet, so, dass sie zugleich die Stimmen, wo es am nöthigsten ist, (der Ausführbarkeit, wie des Effectes wegen,) gut unterstützt, und auch für sich zur Wirkung des Ganzen beyträgt.

Editorial

General Remark

Becker (Meyerbeer-Briefe), Bd. I, S. 608f. schließt die Autorschaft von Meyerbeer nicht aus, vgl. auch Brief von Meyerbeer an Weber vom 8. Januar 1812; bei Kaiser wohl fälschlich C. M. v. Weber zugeschrieben; Autor aus dem Harmonischen Verein nicht sicher nachweisbar, vgl. Ziegler in Weberiana 21, S. 109 Anm. 29.

Creation

vor 29. Juli 1812

Tradition

  • Text Source: Zwölf 4stimmige Gesänge für 2 Soprane, Tenor und Bass, mit begleitendem Pianoforte - von Gottfried Weber. (In drey Hefte vertheilt.) Augsburg, bey Gombart. (Preis jedes Hefts 16 Gr.), in: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 14, Nr. 31 (29. Juli 1812), col. 515–517

    Corresponding sources

    • Badisches Magazin, Jg. 2, Nr. 239 (14. Oktober 1812), S. 945–946 (unvollständig)
    • Kaiser (Schriften), S. 179–181 (Nr. 44)

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