Aufführungsbesprechung Hamburg: “Der Freischütz” von Carl Maria von Weber am 5. Februar 1822 (EA) (Teil 1 von 5)
Hamburgische Theater-Zeitung.
Stadt-Theater.
Dienstag, den 5. Febr. Der Freischütz, Oper von Friedr. Kind, Musik von C. M. v. Weber, in drei Aufzügen.
Von der Wiege schon wächst im Menschen der Hang zum Grauenhaften und zu Mährchen auf, vergebens arbeitet die kalte Vernunft gegen die Mystik der Mährchen (die leicht einen tieferen Grund haben könnte, als der Zweck dieser Blätter auszuführen verstattet,) sie werden ewig begehrt bleiben. Am Stoffe kann es nicht fehlen, jeder Stand der mit Gefahren oder nächtlichen Abentheuern zu kämpfen hat, liefert Beiträge, vorzüglich aber Bergleute, Köhler und Jäger. Das Interesse nimmt auch nie ab, weil diese Leute zugleich einen tüchtigen Stamm von Aberglauben in sich führen. Der Jägerspuck bleibt wegen des nächtlichen Umhertreibens, wegen des Waldlebens stets am meisten romantisch. Die hier erzählte Geschichte ist unter ähnlichen Erzählungen die schauerlichste, und wird in Böhmen, Sachsen und überall in gebirgischen Waldungen ernstlich geglaubt und wieder erzählt. Der Glaube an einen Weidmann der Büchse gesetzt, und an Freikugeln ist dort unzertrennlich von der Jägerei. Als Apel im ersten Theil seines Gespensterbuches die Sage vom Freischützen so trefflich erzählt hatte, mußte jeder Leser wünschen diesen Stoff dramatisch bearbeitet zu sehen. Die Form, die Eintheilung war schon da, nur ein dem Unternehmen gewachsener Dichter und Tonsetzer, und es mußte eine gute Oper entstehen. Daß Fr. Kind seinem Vorhaben Ehre machen würde, war vorauszusehen, und er hat in vieler Rücksicht die Erwartung noch übertroffen. Der dramatische Plan lag, wie gesagt schon in der Erzählung, der Dichter brauchte dieser nur zu folgen, und er konnte nicht irren, aber die poetische Einkleidung ist ganz unsers Kind’s Werk, und macht ihm wahrhafte Ehre. – Daß er den grauenvollen Schluß in einen erfreulichen umgeändert, und das negative Princip in dem satanischen Caspar bestrafen läßt, verdient in der Rücksicht unsern Dank, weil es ohnehin des Grauenhaften für die Bühne genug enthält, auf der anderen Seite aber deuten die Vorbedeutungen, die Wunde an der Stirn der Agathe, die Verwandlung des Brautkranzes in einen Todtenkranz auf eine trübe Entwickelung, und das heitere Ende paßt nicht recht dazu; doch bleiben wir dabei, es ist so besser.
(Die Fortsetzung folgt.)
Editorial
Creation
–
Responsibilities
- Übertragung
- Frank Ziegler
- Korrektur
- Eveline Bartlitz
Tradition
-
Text Source: Originalien aus dem Gebiete der Wahrheit, Kunst, Laune und Phantasie, Jg. 6, Nr. 17 (9. Februar 1822), col. 136