Aufführungsbesprechung Hamburg: “Der Freischütz” von Carl Maria von Weber am 5. Februar 1822 (EA) (Teil 2 von 5)
Hamburgische Theater-Zeitung.
Stadt-Theater.
Der Freischütz. (Fortsetzung.)
Auch ohne den tragischen Ausgang giebt es des Schauerlichen und Grausenvollen genug. Wirklich hatte Apel vieles gemein mit Hoffmann, und bei dem Freischützen überläuft es einem fast so kalt wie bei den Teufels-Elyxiren. Aber auch selbst diese nehmen ja einen friedlichen Ausgang, und es kann überhaupt dem wackeren Kind nicht verargt werden, wenn er seine Zuschauer lieber mit beruhigtem Gemüth, als mit zerrüttetem Herzen entlassen wollte, vorzüglich da ihm die Zwischenkunft des Klausners eine ganz schickliche Auskunft anbot.
Die dramatische Einrichtung so wie die Versification ist völlig des Dichters würdig, und nach unserer Meinung hätte nur der hingeschiedene Verfasser selbst oder Hoffmann mehr Phontasie‡ in die scenische Behandlung legen können. Auch ohne Musik würde das Stück als dramatisirtes Mährchen großen, verdienten Beifall finden. Auch haben wir, so häufig sich viele einzelne Stimmen unseres Publikums gegen das Stück erheben, nicht der Dichtung, nur der Tendenz Vorwürfe machen hören. Einige meinen, der † Gott sey bei uns könne bei uns kein Gegenstand der Aesthetik seyn, aber ohne Contrast verliert auch das Schöne an Interesse, und es ist doch einmal nicht zu läugnen, daß dieser Böse, nach Göthe und Schlegel das verneinende Princip in der Aesthetik so gut wie überall spuckt, und manche treffliche Anlage zu einem schlechten Werk herabsinken läßt; so ist es doch immer am besten, man läßt ihn zur Abwechslung in romantischer Gestalt sein Daseyn beweisen. Andere sagen: das Stück habe keine Moral, dem widersprechen wir aber geradezu. Wir wagen sogar auf die Gefahr, es könne uns für Profanation ausgelegt werden, die Behauptung, daß die Bitte: „führe uns nicht in Versuchung,“ durchaus in dieser Dichtung commentirt sey. Max ist ein edler, wackerer Mensch, der Liebe seines Mädchens und aller, die ihn kennen, vollkommen würdig, nun wird seine Büchse verzaubert, und von dem Augenblick an thut er lauter Fehlschüsse, und wird sogar bei einem Sternschießen öffentlich verhöhnt, und noch dazu den Tag vorher, ehe der Probeschuß über sein ganzes Lebens- und Liebesglück entscheiden soll. In diesem furchtbaren Augenblick treibt ihm‡ der Versucher, Caspar, bereits eine Beute des Bösen, an, und verleitet ihn den Versuch mit einer Freikugel zu machen, von diesem Augenblick an ist ihm der Rückweg versperrt, obgleich der Gefahr die seiner Seele droht noch bewußt, muß er dem Verführer zur Wolfsschlucht folgen und das Werk der höllischen Finsterniß beginnen. Fürwahr ein lehrreicher Wink, sich vor dem ersten Schritt zu hüten, der halb im Ernst halb im Scherz mehr versinnlicht als manches dicke Compendium der Moral, denn nicht immer findet sich am Schluße ein Eremit der die Absicht nach die‡ That abwägt und ein freundliches Ende herbeiführt. Doch vor der Hand genug von dem Gedicht, wenden wir uns jetzt zu der Musik.
(Der Beschlu߇ folgt.)
Editorial
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Frank Ziegler
- Korrektur
- Eveline Bartlitz
Tradition
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Text Source: Originalien aus dem Gebiete der Wahrheit, Kunst, Laune und Phantasie, Jg. 6, Nr. 19 (13. Februar 1822), col. 152