Beschreibung des Personalbestandes des Prager Ständetheaters im April 1813
Prag, den 20 April.
(Beschluß.)
Das hiesige Personale hat der Herr Referent sehr einseitig beurtheilt, wir haben nie Gelegenheit gefunden, Herrn Bayer ein ne quid magis (!) soll wohl nimis heißen, zuzurufen. Was seinem Künstlerverdienste die Krone aufsetzt, ist eben seine weise Mässigung im Sturme der Leidenschaft, seine meisterhafte Berechnung des Affekts, der immer bey ihm wohl angebracht, und nur da, wo er hingehört, erscheinet, der die Zuschauer darum auch unwiderstehlich hinreißt. Uebrigens hat Herr Bayer seine Verdienste auch in Conversations Stücken bewiesen, wir wollen hier nur die Rollen des Hauptmann Erlach, des Hauptmann Klinker, des Kaufmann Fresen, des Major Tellheim u. a. m. nennen, die er mit einer Vollendung mit einer Wahrheit gibt, die sein großes vielseitiges Talent beurkunden. Sein Ruhm steht in ganz Deutschland festgegründet.
Herr Brückl ist immer noch ein sehr braver Schauspieler.
Herr Allram hat durch die Gunst, in der er sich bey den höher und niederer Stehenden, durch so viele Jahre erhalten hat, bewiesen, daß er ein vortrefflicher Komiker sey. Er hat sich nie die Uebertreibungen zu Schulden kommen lassen, die dem Gebildeteren an Herrn Schmelka sehr oft unangenehm waren.
Herr Löwe hat sich in einigen Rollen Polavskys nicht ohne Glück versucht. Es wäre unbillig zu verlangen, daß er uns jetzt schon ganz diesen Künstler ersetzen sollte. Das Gute kann nur durch Zeit und Reife gedeihen, es ist schön von der Direktion, daß sie auch jüngeren Künstlern Gelegenheit zur Ausbildung gibt.
Herr Wilhelmi ist noch nicht lange bey dem Theater, und berechtigt zu den schönsten Erwartungen für die deutsche Bühne. Herr Gerstl ist ein sehr brauchbares Mitglied.
Madame Liebich, Madame Löwe, Madame Brede sind Künstlerinnen auf die jedes Theater ¦ Ursache hätte, stolz zu seyn. Madame Liebich scheint jetzt mit einer viel zu frühen, aber für sie nur desto mehr ehrenvollen Resignation in das Fach der zärtlichen Mütter übergehen zu wollen. Was sie darinn leisten kann, hat sie als Oberförsterinn in den Jägern und in dem Vaterhause bewiesen, die höchste Wahrheit vereinigte sie in diesen beyden Rollen. Möge sie uns aber noch oft als Heldenfrau durch ihre herrlichen Darstellungen erfreuen, die unvergänglich in allen Gemüthern leben. Sie scheint der Erreichung zum harmonischen Einklang des Ganzen, als gutes Beyspiel, sehr gerne ein Opfer zu bringen, da sie vor kurzer Zeit die sehr unvortheilhafte Rolle der Babekan in der Toni von Körner übernommen hat, die wohl freylich anders, aber nicht so vortrefflich hätte besetzt werden können. Uebrigens spielt Madame Liebich sehr fleißig, und erscheint fast in allen Stücken.
Der Herr Referent beliebe zu erklären, was er eigentlich die höheren Forderungen der Kunst nennt, damit Madame Löwe sich hiernach richten kann.
Madame Brede vereinigt die höchste Liebenswürdigkeit mit dem anständigsten Benehmen, in munteren Frauen und Mädchenrollen. Das Auffassen der kleinsten Nüancen, die Einheit, die Präcision in ihrem Spiele verbreiten einen unwiderstehlichen Zauber. Ihre klassische Darstellung der Franziska, in Minna von Barnhelm, kann allen Soubretten zum Muster aufgestellt werden. In munteren Rollen wird jetzt nicht so leicht ihres Gleichen gefunden werden können, in ernsten, wird Niemand die verständige gebildete Frau, die Künstlerinn vom richtigen Takte verkennen.
Herr Reinecke und Madame Junghanns, zwey der vorzüglicheren Mitglieder der hiesigen Bühne, die jedem Theater Ehre machen würden, scheinen dem Herrn Referenten gar keine Erwähnung zu verdienen, oder sind wohl wahrscheinlich von ihm ganz vergessen worden. Wir sehen, daß sein Aufsatz etwas flüchtig geschrieben ist, dieser Aufsatz wird den Ruhm nie schmälern, den das hiesige Schauspiel mit Recht behaupten kann, den Ruhm: eines der ersten in ganz Deutschland zu seyn.
– sch –
Editorial
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Charlene Jakob
Tradition
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Text Source: Wiener Theater-Zeitung, Jg. 6, Nr. 51 (29. April 1813), pp. 204