Prag, Ständetheater, öffentlicher Brief von Johann Carl Liebich an die Redaktion der Wiener Theaterzeitung (22. September 1814)
Prag.
Ueber einige in Ihren Blättern enthaltene Notizen des Pragertheaters betreffend sehe ich mich ver¦anlaßt, an Sie zu schreiben. Ihr Correspondent ist nicht ganz aufrichtig, er hat in einem Ihrer Blätter vor einigen Monathen, Unwahrheiten über die Oper „Fanchon,“ und Anzüglichkeiten über die beiden Künstler Wilhelmi und Polavsky erlaubt, die nicht schön waren, und ganz ungegründet sind. Fanchon ist eigentlich ein Lustspiel mit Gesang, dieses Werkchen will trefflich gespielt seyn, dann macht es selbst mit mittelmäßigem Gesang eine gute Wirkung, dieß war auch hier der Fall. Die öftere Wiederholung und der Beifall des gebildeten Publikums waren die trefflichsten Beweise. –
Ihr Herr Correspondent scheint nicht die Ansicht des hiesigen gebildeten Theils des Publikums, und vorzüglich der vielen Fremden, die wir seit Jahren hier hatten, zu theilen: „daß die hiesige Bühne gegenwärtig eine der besren‡ mit ist, die in Deutschland existiren“ mir – ich gestehe es, ist eine Rezension dieser Art gleichgiltig – denn das Werk muß sich selber loben! aber leid thut es mir, wenn Männer wie Polavsky, Wilhelmi, die nicht einmahl für die Oper engagirt sind, sondern nur aus Liebe und zur Ehre des Ganzen in Opern, welche blos Spiel erfordern mitwirken, wenn solche Männer für ihren guten Willen sollen öffentlich gekränkt werden. Für dießmahl lasse ich es Ihrem Correspondenten hingehen, aber bei ähnlichen Fällen erlauben Sie mir, daß ich Ihn in Ihrem Blatte zwinge, sich zu nennen! Ihre Rechtlichkeit läßt mich erwarten, daß Sie jede Gegenerklärung aufnehmen! – Ueber mich als Schauspieler und Direktor, kann der Correspondent sagen, was er will, darüber habe er seine Meinung, aber meine Leute, die brav und fleißig sind, und die Achtung des ganzen | Publikums genießen und auch verdienen, die muß er mir auf eine solche Art nicht antasten!
In Erwartung einer gefälligen Gegenantwort verharre ich
Euer Wohlgeboren
Ergebener Diener
J. C. Liebich
Direktor des kön. ständischen
Nationaltheatrrs‡ in Prag.
Erklärung der Redaktion.
Ich kann das schätzbare Schreiben des würdigen Herrn Direktors Liebich in Prag nicht besser und zu seiner Genugthuung geziemender beantworten, als wenn ich es ebenfalls so wie jene Rezension, an der ich keine Schuld trage, weil ich mich auf meinen Correspondenten verlassen zu können glaubte, zur öffentlichen Kenntniß bringe. Es ist kein seltener Fall, daß die Herausgeber öffentlicher Blätter manchmahl durch zu strenge Mitarbeiter in die unangenehme Lage versetzt werden, durch ähnliche Beschuldigungen und Gegenerklärungen das gut zu machen, was der übertriebene Tadel einzelner Kunstkenner verdorben hat. Ich bitte meinen Correspondenten, mehr auf seiner Hut zu seyn, und lieber schonender zu Werke zu gehen, als mir Nachrichten einzusenden, die in ihrer Strenge das Gepräge der grellsten Unwahrheit an sich haben. Der Herr Direktor Liebich und seine treffliche Gesellschaft erlaube mir bei dieser Gelegenheit zu sagen, daß ich auf meiner Seite für die Folge alles anwenden will, durch geprüfte Urtheile meine Achtung, und durch eine unpartheische Correspondenz jene Würdigung zu bezeigen, auf welche beide so gerechte Ansprüche an ¦ die Redaktionen öffentlicher kritischer Blätter besitzen.
Adolf Bäuerle,
Redakteur der Theaterzeitung.
Editorial
Creation
–
Responsibilities
- Übertragung
- Charlene Jakob
Tradition
-
Text Source: Wiener Theater-Zeitung, Jg. 7, Nr. 104 (22. September 1814), pp. 414–415