Korrespondenznachrichten Dresden, März 1818, darunter Aufführung der Missa sancta Nr. 1 von Carl Maria von Weber

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Korrespondenz und Notizen.

Aus Dresden, den 16. März.

Unser Theater hat seit dem 6. März Vacanz, und wird erst mit dem 26sten wieder mit einer neuen Oper, der Testa di Bronzo, eröffnet. Unterdessen fehlt es für die Freunde der himmlischen Tonkunst doch nicht an andächtigen Genüssen. Unser allgemein geschätzter Kapellmeister, Maria von Weber, dessen seltenen Kenntnissen und Genialität in der Musik von allen Unbefangenen die höchste Anerkennung zu Theil wird, der aber damit auch den Charakter eines deutschen Biedermanns und unerschrockenen Wahrheitsfreundes verbindet, und eben dadurch in allen seinen Verhältnissen Zutrauen einflößt und erhält, hat am Sonntage Judica zum ersten Mal eine von ihm komponirte Messe aufgeführt, die durch gediegene Einfachheit, wahre Erhebung zur Andacht, ungeschminkte Erhabenheit und Neuheit alle wahre Kenner befriedigt, und den Beruf des Meisters auch für den großen Kirchenstyl außer Zweifel gesetzt hat. Es kann nicht fehlen, daß gerade das Ungewöhnliche und der jetzt herkömmlichen Verbrämungen ganz Entlastete in dieser Komposition hie und da eher Befremden erregt, als Bewunderung. Allein dies ist ja eben das Merkmal des wahrhaft Guten, daß es sich erst durchkämpfen muß. Hoffentlich wird die mit Recht geachtete musikalische Zeitung das große Publikum über diese merkwürdige Erscheinung in genauere Kenntniß sezzen. Auch hoffen wir, daß die Leipziger Kunstblätter darüber nicht schweigen und einer recht unparteiischen Beurtheilung gern einen Platz einräumen werden. Unterdessen sind auch ganz vernehmliche Posaunen-Töne von dem außerordentlichen Beifall, womit unsers Morlachi Boadicea in Neapel über die Unfälle der ersten Vorstellung siegte, von allen Seiten bis hieher angeklungen.Unsere Wünsche begleiten den mit Kränzen aller Art gekrönten Liebling der Polyhymnia zum della Scala in Mailand. Wird ihm auch da gleichrauschender Beifall: so soll er von uns als ein neuer Orpheus gern bewillkommnet werden. In der Boadicea sang auch unsere mit königlicher Unterstützung in Italien befindliche Landsmännin, Dem. Funk, mit Beifall. Sie wird noch in diesem Frühling zurückerwartet, und unserer Oper, bei welcher man doch zuweilen einige Anwandlung von Alterschwäche bemerkt haben will, zur großen Erfrischung gereichen. – Im deutschen recitirenden Schauspiel sahen wir in den letzten Monaten manche Neuigkeit, zuletzt noch den Erntekranz, ein versifizirtes kleines Lustspiel von unserm als Darsteller durch Mimik und Pinsel gleich geachteten Geyer, worin seine Stieftochter, die Dem. Wagner, als Rosalie, nicht ohne Beifall zum ersten Mal auftrat. Bei größerer Reife und Entwicklung, selbst ihrer Aeußerlichkeit, die jetzt noch fast zu viel Kindliches hat, und bei fortgesetztem Studium unter den bildenden Händen erfahrner Meisterinnen, deren hier außer und auf dem Theater so manche zu finden seyn dürfte, kann sie für unsere Bühne einmal eine recht erwünschte Erwerbung werden. Denn es fehlt uns durchaus – das wird allgemein anerkannt – an einer wahrhaft talentvollen jungen Schauspielerin für das Fach der ganz jugendlichen Liebhaberinnen. Demois. Julchen Zucker scheint mehr Beruf für die deutsche Oper in sich zu emfinden und das recitirende Schauspiel eher als Nebensache zu behandeln. Dem. Schubert verbindet mit einer angenehmen Gestalt doch nur beschränktere Anlage zu sentimentalen und pathetischen Darstellungen. Darum mußte auch unsere hochgefeierte und jeder Rolle mit meisterhafter Gemessenheit gnügende Mad. Schirmer vielleicht öfter, als ihre zarte Gesundheit gestattet, spielen, indem sie sich nur wenig Erholung gestatten konnte. Sie entfaltete noch zuletzte als Gräfin Elsbeth in Holbein’s unterhaltendem Spektakel-Lustspiel: die drei Wahrzeichen, ihre ganze Kunst, indem sie hier, recht betrachtet, nicht weniger als 5 Rollen auf einmal durchzuspielen hatte. Unter ihren frühern Leistungen dürfte, die pantomimische Rolle der Waise abgerechnet, ¦ worin sie einzig dasteht, ihre Gabriele in Fr. Kinds Nachtlager vor Granada wohl zu ihren zartesten und gelungensten Darstellungen zu rechnen seyn. So wie man diesem Stück überhaupt, wegen seiner zarten Situationen und feinen Schönheit sowohl, als wegen seiner wahrhaft poetischen Diktion, hier nicht die volle Gerechtigkeit widerfahren ließ, die es in Wien erhielt, und gewiß auch auf vielen andern Bühnen finden wird: so scheint auch die Kunstleistung der trefflichen Schauspielerin die verdiente Anerkennung nicht durchaus gefunden zu haben, die ihr der schwer zu befriedigende Dichter selbst in einigen Strophen aussprach, welche in unserer Abendzeitung abgedruckt wurden. Denn wie hätte sonst ein gewiß nicht ungeübter Kritiker gerade das, was sie hier als ein reines Kind der Natur, als eine durch unvermuthete Erscheinungen verlegene Hirtin, absichtlich in ihre Gebehrdung legte, wir meinen eine weniger geründete Bewegung der Arme, eine Stellung, die den Ausdruck des Erstaunens bezeichnete, indem sie den Oberleib zurückbog, in öffentlicher Andeutung als etwas Fehlerhaftes bezeichnen können. – Bei der Wiedereröffnung der Bühne hoffen wir bald mit der Vorstellung der Emilia Galotti und des Don Carlos, beide nach ganz neuen Besetzungen, als auch mit West’s trefflicher Bearbeitung von Calderon’s Arzt eigener Ehre oder Don Gutierre, welche in Wien so viel Beifall fand, erfreut zu werden. C.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Jakob, Charlene

Tradition

  • Text Source: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 18, Nr. 60 (27. März 1818), col. 479f.

Text Constitution

  • “vor”sic!

Commentary

  • gnügenderecte “genügende”.

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