Aufführungsbesprechung London: “Oberon” von Carl Maria von Weber am 12. April 1826

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Correspondenz-Nachrichten.

Ich schreibe Ihnen nur vorläufig über die endlich vorgestern erfolgte Aufführung der neuen Oper unseres Karl Maria v. Weber auf dem Coventgarden-Theater. Sie führte den Namen Oberon, oder des Elfen-Königs Schwur. Der Text ist kaum jemand bekannter als Ihnen, der ihn in’s Deutsche übertrug, und Sie werden mit mir gern zugeben, daß Planché ein sehr gutes Stück Arbeit darin geliefert hat. Ich spreche daher auch über diesen, bei der drängenden Eile, nicht, sondern bloß über Musik und Darstellung.

Das Haus war bis zum Brechen angefüllt, und mehrere Tausende mußten zurückgehen. Endlich trat die längsterwartete Stunde ein. Weber erschien im Orchester und wurde mit einem Beifalle empfangen, wie er mir selten vorgekommen ist. Die Ouvertüre mußte wiederholt werden, und zog bereits ausserordentlich an. Nun kam die reizende Introduktion, die eben so zart als phantasievoll gehalten ist, und neuer Beifall erscholl. Er steigerte sich jedoch bei der großen Scene, die dann mit Rezia’s Erscheinung eintritt. Sie ist ein Beweis für des Tonsetzers Meisterschaft im hohen, pathetischen Style. Auch ward sie von Miß Paton als Rezia und Braham als Huon, vortrefflich gesungen. Das Finale des ersten Aktes ist eben so neu als gediegen.

Im zweiten Akte folgte einer unendlich lieblichen Arie der Fatime unstreitig das Kleinod der ganzen Oper, das Quartett zwischen Huon, Hassan*, Rezia und Fatime. Nicht nur den Kenner befriedigt es, sondern auch jeden Dilettanten, so daß vorauszusehen ist, daß es in Kurzem allgemeines Lieblingsstück werden wird. In der folgenden Scene zog die höchst glänzende Decoration einen Augenblick die Aufmerksamkeit von der wahrhaft schönen Musik ab, bald aber widmete sie sich dieser wieder ganz. Das hier eintretende Recitativ der Rezia ist eine der ausgezeichnetsten Arbeiten Webers in Hinsicht auf musikalische Deklamation. Köstlich schließt sich dieser Akt mit einem Chore der Feen, Meermädchen u. s. w.

Im dritten tritt uns gleich ein reizender Gesang der Fatime und dann eine schwermüthige Cavatine der Rezia entgegen. Beide gefielen sehr, weniger jedoch die Polacca für Braham als Huon. Destomehr aber das letzte Finale.

Weber wurde mit allgemeinem Jubel gerufen. Eine Auszeichnung, die vor ihm noch keinem Tonsetzer wiederfahren ist. Er erschien, dankte mit der ihm eigenen Bescheidenheit und lautes Bravorufen begleitete ihn zurück. Dieß war auch bei der gestrigen Wiederholung der Oper der Fall, und der Beifall wo möglich noch gesteigert, so daß man unserm Landsmanne das höchste Glück zu diesem ausgezeichneten Erfolge seines neuesten Meisterwerkes wünschen muß.

Die Darsteller waren von sehr verschiedenem Kaliber. Ausgezeichnet kann man nur die Paton und Braham, so wie die Vestris als Fatime, allenfalls auch die Cawse als Puck nennen. An allen andern war mancherlei auszusetzen. Dagegen war von Seiten der Scenerie und Costüme ein Glanz und eine Mannigfaltigkeit entfaltet, die den darauf verwendeten Kosten von mehr als 7000 Pfund Sterl. würdig entsprachen. Die Herren Grieve hatten, als Decorationsmaler, einen neuen Beweis ihrer Talente in Erfindung und Ausführung gegeben. ¦

Jetzt wird nun diese Oper so lange fort aufgeführt werden, als es die Sänger aushalten, und Weber ist vorläufig zur Leitung der 12 ersten Vorstellungen engagirt worden. – Freuen Sie sich mit mir dieses Triumphs deutscher Tonkunst, und wünschen Sie dem Triumphator nur recht kräftige Gesundheit.

Editorial

Summary

über die erfolgreiche Premiere des “Oberon” in London

Creation

Responsibilities

Übertragung
Schreiter, Solveig

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 10, Nr. 98 (25. April 1826), pp. 392

    Commentary

    • “… Quartett zwischen Huon , Hassan”Lt. Partitur Webers singt im Quartett Scherasmin. Bei der Londoner Aufführungsserie wurde die Rolle des Scherasmin allerdings mit drei Darstellern gleichzeitig besetzt. Teilweise wurde Scherasmins Gesangspartie mit von dem Darsteller des Kapitäns (Hassan) übernommen, vgl. dazu Kritische Textbuch-Edition des „Oberon“ von S. Schreiter, München 2018, S. 270.

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