Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: darunter “Der Wasserträger” von Luigi Cherubini, Oktober 1813

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Notizen.

Theater.

Prag. – Am 15. Oct. wurde gegeben: Trau’, schau wem? Lustspiel in 1 Aufzuge von L. Schall. Da unser Lustspiel ¦ nun durchaus nicht mehr ohne Liebhaber in Domestiken verkleidet, bestehen kann, so haben wir allerdings große Ursache, uns Glück zu wünschen, wenn die Verkleideten sich so gut benehmen, und die Intrigue so geistreich geschürzt und gelöst wird, als dieß bey Hrn. | Schall der Fall ist. In der That, dieß Stück stellt sich mit Recht den beliebten Vertrauten des Dr. Müllner an die Seite, und kann diesen in mancher Hinsicht den Rang streitig machen. Mad. Junghans als Gräfinn, und die Herren Bayer und Polawsky als Rittmeister und Graf gaben ihre Rollen sehr brav; vorzüglich aber zeichnete sich Mad. Brede in der Rolle der schalkhaften Baroninn aus.

Den 17. Oct.: Der Wasserträger, von Cherubini. Nachdem dieß sehr interessante Werk seit mehreren Jahren nicht auf unserer Bühne erschienen war, sahen wir es nunmehr in einer fast durchaus neuen, leider aber großentheils sehr ungünstigen Besetzung wieder. Wenn gleich Herr Mohrhardt (Armand) und Mad. Grünbaum (Constanze) in Spiel und Gesang vollkommen befriedigten, und vorzüglich die letztere an diesem Abend wieder einen ihrer schönsten Triumpfe feyerte, und bewies, daß die echte Künstlerinn mit rastlosem Eifer nach der Vollendung strebt, so ließen doch die übrigen zu viel zu wünschen übrig. Herr Kainz zeigte, daß er schlechterdings nicht für den Wasserträger passe, und vernichtete mit Hülfe seiner beyden Kinder (Herr Manetinsky und Mad. Allram) allen Effect, welchen die interessantesten Scenen des ersten und zweyten Acts gewöhnlich hervorbringen. Bey der zweyten Aufführung (den 21. Oct.) war die Rolle des Antoine durch Herrn Grünbaum besetzt, der den verdienten Beyfall einerntete, und wordurch besonders das Finale des ersten Acts sehr gewann.

Den 19. Oct: Uthal, heroische Oper in einem Acte von Mehul. Es ist in der That keine leichte Sache, ein Urtheil über ein Werk auszusprechen, das so viele charakteristische Züge und musikalische Schönheiten enthält; nur sind leider die schönen Stellen durchaus nicht im Charakter der Dichtung – die freylich eigentlich nicht ein für sich bestehendes Ganzes, sondern das Fragment eines Ossianischen Fragments ist – und denjenigen Stücken, welche im hochschottischen Costüme gearbeitet sind, fehlt es an gefälliger Form. Daß Mehul die Violinen ganz aus dem Orchester verbannte, scheint uns ohne Zweck, da er doch die Lücken, welche das Außenbleiben dieses Königs aller Instrumente läßt, durch Blasinstrumente zu ersetzen suchen muß, und folglich, ohne durch ein musikalisches Continentalsystem dazu gezwungen zu seyn, sich dem leidigen Surrogat ergibt, wo doch bisher die Kunst von solchem Unwesen nichts wußte. Auch die Besetzung war nicht dazu geeignet, für das zum Theil Bizarre der Oper zu entschädigen. Herr Kainz als Uthal preßte die Töne auf die unnatürlichste Art aus der Kehle, und Herr Siebert als Lathmor ließ uns, wie gewöhnlich, bedauern, daß dieser junge Mann – dessen Stimme bey einiger Ausbildung, die ihm doch unter der Anleitung unsers würdigen Capellmeisters leicht werden müßte, so reiche Früchte verspricht – durchaus nichts für die Benutzung seiner natürlichen Anlagen thun mag. Dlle. Vliegen als Malvina zeigte vielen Fleiß, vorzüglich in Hinsicht auf Spiel und Bewegung, und hat in den tiefen Tönen (die hier ziemlich oft vorkommen, da Stellen aus den Regionen des Contre-Alts, abermahls ein Surrogat des fehlenden Tenors sind) viel Force; dagegen ist sie in der Höhe noch ohne Sicherheit, und daher nicht immer rein. Vermuthlich wird die hoffnungsvolle Anfängerinn bald alle diese Schwierigkeiten überwinden. Die Chöre wurden größtentheils gut ausgeführt.

Den 22. Oct. wegen dem glorreich erfochtenen Sieg Sr. Maj. des Kaisers und Seiner hohen Alliirten bey vollständiger Beleuchtung des Schauspielhauses: Der Tag der Schlacht. Eine ländliche Scene in einem Aufzuge von Herrn Robert, Verfasser des Omasis. Ein zweytes Gelegenheitsstück von dem Verfasser der Scene der Gegenwart, welcher durch seinen Fleiß die Dichter Prags beschämt, und im Ganzen, wenn gleich mehr ein Portrait in Wasserfarben, als ein ideales Bild unserer wichtigen Zeit, hat es doch vor dem ersten manche Vorzüge voraus. Der Inhalt ist ungefähr folgender: Die Bewohner eines Dorfes werden durch eine Kanonade in Besorgniß gesetzt. Der Schulze befiehlt allen Weibern ihre besten Habseligkeiten zusammen zu packen und zu verstecken. Ein alter Invalide will die Leute beruhigen, aber der Barbier – der ¦ Französischgesinnte im Dorfe und eigentlich die Schattenparthie im Stücke, vermehrt ihre Unruhe. Er sagt unter andern: „Ich habe nichts zu fürchten, denn ich habe immer die gehörige Angst gehabt, und den gehörigen Respect vor dem Genie der Herren Franzmänner.“

Ein furchtsamer Bauer kommt gelaufen, das Anrücken der Feinde zu melden, und ermahnt alles, was sich retten will, in’s Wasser zu stürzen, denn „ich habe immer gehört, die Franzosen können zu Wasser nichts ausrichten.“

Auf die Bemerkung, daß die Truppen, welche Peter gesehen, ja aus dem Innern des Landes kommen, wendet der Barbier ein: „Eben darum, die große Armee kommt immer von hinten[]; und dem Einwurf, daß die Leute nur mit Dreschflegeln, Äxten und Hopfenstangen bewaffnet sind, widerlegt der hasenherzige Peter mit folgenden Worten: „Habt ihr denn nicht gehört, was uns der Bader aus der Zeitung vorgelesen hat, daß alle Kuhhirten (Cohorten) aus Frankreich über den Rhein marschirt sind.“

Bey einer nähern Untersuchung zeigt es sich, daß es der Landsturm aus dem Innern des Landes ist; etwas beruhigt, bestimmt der Schulze den Weibern einen Platz, wo sie ihre Habseligkeiten gemeinschaftlich verbergen sollen; aber der Barbier will vom Verstecken nichts wissen, „denn,“ sagt er, „alles können diese unsere Gegner eher ertragen, nur nicht, daß man die Kostbarkeiten versteckt, – sie lieben die Offenheit.“

Endlich kommt ein österreichischer Officier als Courier, der die Relation von der glorreichen Schlacht von Leipzig dem Volke vorliest, worauf unter einstimmigem Jubel und Vivatrufen das Haydn’sche: „Gott erhalte Franz den Kaiser,“ abgesungen wurde. Große Sensation machte der erfreuliche Schluß auf das Publicum, welches mit der innigsten Liebe und Verehrung an seinem Monarchen hängt, und mit Begierde den Resultaten dieses herrlichen Kampfes zum allgemeinen Wohl der Menschheit entgegen sieht; die rührendsten Beweise der Freude und Theilnahme schallten durch das Haus.

Die Stadt war freywillig erleuchtet, Abtheilungen von den bürgerlichen Garden durchzogen die Straßen mit Musik, und überall erscholl das böhmische Volkslied: „Gott erhalt’ uns unsern König!“ von Prof. Meinert, mit Musik vom Dir. F. D. Weber.

Den 24. October sahen wir auch hier das österreichische Feldlager. Dieß Stück, unstreitig eine äußerst glückliche Idee, und wenn schon in der Ausführung nicht durchaus ohne Tadel, doch voll von Stellen, die ganz dazu geeignet sind, Patriotismus zu wecken und zu beleben, ward hier leider nicht so vorgestellt, als wir gewünscht hätten. Das wechselnde Leben und Weben des Lagers muß schnell und mit Präcision vorgetragen werden; und leider konnte dieß nicht der Fall seyn, da die Schauspieler – mit sehr wenigen Ausnahmen – ihre Rollen ganz allein mittelst der Gnade des Soufleurs spielten, der diesen Abend wohl mit Recht sagen konnte: „der erste Liebhaber spielt nur eine Rolle, ich aber muß alle spielen.“ Auch mußten hier alle Mitglieder des recitirenden Spectakels sich zum Singen bequemen, was nun freylich hie und da nicht recht fort wollte; doch müssen wir einigen derselben zugestehen, daß sie minder schlecht sangen, als die beyden Mitglieder der Oper, Herr Siebert und Manetinsky. Das Costüme war großentheils sehr gut, und die lebhafteste Theilnahme erregten die auf der Bühne erscheinenden Abtheilungen von österreichischer Landwehr und russischen und preußischen Truppen, deren vortreffliche Haltung allgemein bewundert wurde.

Von ältern Stücken, die theils noch gar nicht, theils in längerer Zeit nicht gegeben worden, sahen wir Freemann und Sophie van der Daalen, und wir müssen gestehen, das wir fest glauben, die Theaterbiliothek müsse noch Stücke enthalten, die mehr verdienen, der Vergessenheit enztogen zu werden. Mad. Löwe, die uns zu verlassen drohte, ist auf’s Neue engagirt, und wurde am 30. Oct. als Bianca della Porta, nachdem sie ein Paar Wochen nicht aufgetreten war, mit dem rauschendsten Applaudissement empfangen.                                S.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Ziegler, Frank

Tradition

Text Constitution

  • “L.”sic!

Commentary

  • demrecte “den”.

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