Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: Mai 1816
Theater.
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Prag. – Welcher ist der Bräutigam? Lustspiel in 4 Acten von Mad. Weissenthurn. Es ist hier der Dichterinn besser, als im Gut Sternberg gelungen, das Interesse bis zum Ende des Stückes zu pflegen und zu bewahren, und es könnte unter die gefälligsten teutschen Lustspiele gerechnet werden, wenn sie etwas mehr Rücksicht auf Haltung der Charaktere genommen und sich nicht so sehr in politische und volksthümliche Redensarten vertieft hätte. Julie ist ein Gänschen, die auch selbst, als ihr die Liebe endlich die Zunge löst, schwatzt, als ob sie auswendig gelernt hätte; Rosalie und Langers wären ein Paar recht unterhaltende Personen, wenn sie nicht in so hohem Grade von der Germanomanie befallen wären. Die Duellscene ist so grell, als sich selbe je nur ein Poéte des boulevards erlaubt hat, und dem Bauermädchen guckt überall der Kotzebuesche Rehbock vor. Die Vorstellung war sehr gut; vor allen gebührt aber der Kranz Mad. Allram als Bäuerinn, die in der That dieser Arabeske ein hohes Interesse zu geben verstand, und nach der Meinung des Ref. mehr für diesen Character gethan hat, als die Dichterinn selbst, und Herrn Polawsky als Langers. Mad. Liebich (die Mutter) und Dlle. Brand (Rosalie) spielten ebenfalls sehr brav, und auch Herr ¦ Wilhelmi (Fritz), dessen Rolle ihm nicht ganz entsprach, gab selbe doch mit lobenswerthem Fleiß und Einsicht.
Athalia, heroische Oper in 3 Aufzügen nach Racine von Wohlbrück, mit Musik von Herrn Poißl. Herr Capellmeister von Weber verkündete uns in den dramatisch-musikalischen Notizen der Prager Zeitung, was wir zu hoffen hatten, und erregte dadurch die Aufmerksamkeit der Verehrer eines ernsten Opernstyls, deren Zahl jedoch – wie das leere Haus bewies – eben nicht Legion zu seyn scheint. Der Beyfall des Werkes war getheilt, weil es sich fast zum Kirchenstyl hinneigt, größtentheils aber, weil der Stoff durchaus ungünstig ist, worauf in Prag mehr als in jeder andern Stadt bey der Oper Rücksicht genommen wird. Die Ausführung war in jeder Hinsicht gelungen zu nennen, und mit der größten Auszeichnung sangen Mad. Grünbaum (Athalia) und Mad. Czegka (Iosaleth) ihre Parten. Auch das männliche Personale war durchaus am rechten Platze; nur die Chöre ließen dießmahl manches zu wünschen übrig.
Die blühende und verblühte Jungfrau. Lustspiel in zwey Abtheilungen (die erste in drey, die zweyte in zwey Acten) von Julius von Voß. Ein reicher Tischlermeister‡ (Herr Allram) hat eine närrische Frau und eine elegante Tochter, die sehr viel Geld verthun und auf einem großen Fuß leben wollen. Der letzteren macht ein junger Baron und Lieutenant, der in dem Hause ihres Vaters einquartiert ist, die Cour, und Mutter und Tochter rechnen darauf, daß er sie heirathen solle. Mehrere Freyer, darunter ein Kaufmann aus einer Landstadt, ein Subrector, ein Claviermeister, ein Student, ein Poet u. s. w. machen Anträge, werden aber auf die höhnischste Weise um des Lieutenants willen abgewiesen. Das Stubenmädchen, das einen Sappeur zum Liebhaber hat, macht es wie ihre Herrschaft, und verschmäht die Liebe des Branntweinbrennerknechts. Endlich kommt Marschbefehl und die erste Abtheilung schließt mit Abschiedsscenen, Ohnmachten und Verzweiflung; zwischen dieser und der zweyten liegt ein Zeitraum von zwölf Jahren, während welchen der Branntweinbrenner verarmt und gestorben ist, der Knecht seine Nahrung übernommen, der Subrector Rector, der Student ein reicher Arzt, der Claviermeister Organist, der Poet aber – Nachtwächter geworden ist. Die nun verblühte Jungfrau ernährt sich in Compagnie mit ihrem Stubenmädchen mit Nähen und Sticken, hat einstweilen Tabakschnupfen, Kartenaufschlagen, Kaffehgießen u. s. w. erlernt, hofft immer auf die Rückkehr der alten Freyer, schreibt endlich an alle, macht sich auf jede Weise lächerlich und verächtlich, wird von allen ausgescholten, und am meisten vom Arzte, dessen Vorwürfe ihr Herz bewegen, und der, nachdem er fortgegangen ist, gleich wieder umkehrt und sich durch ihre Komödienreue so rühren läßt, daß er – die abgeschmackteste Person der Welt zur Frau nimmt. Der Nachtwächter heirathet das Stubenmädchen!! Alles dieses folgt in einzelnen Scenen gleich Guckkastenbildern, ohne einen Schatten von dramatischer Verbindung. Es sind Gespräche aus dem Leben einer Närrinn, aber durchaus kein Drama, und, was das größte Unglück ist, höchst selten zum Lachen. Gegeben ward es sehr gut, aber dennoch wird es wohl schwerlich noch einmahl auf die Bühne kommen.
Editorial
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Jakob, Charlene
Tradition
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Text Source: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 8, Nr. 85 (16. Juli 1816), pp. 352