“Preciosa, Schauspiel von P. A. Wolf. (Dargestellt auf der Berliner Bühne am 14. u. 19. März 1821.)” (Teil 3 von 5)

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Preciosa, Schauspiel von P. A. Wolf.

(Fortsetzung.)

Ich bin nun absichtlich so weit aus dem Einzelnen hinausgegangen, um an dem vorausbedungenen Allgemeinen eine Rechtfertigung zu haben, wenn ich zuweilen hart oder eingenommen in meinem Urtheile scheinen sollte. Um mich aber ganz vor Mißverständnissen zu sichern, will ich noch zu den früheren Arbeiten des Dichters umkeh¦ren, und von einem in der Zeit gefaßten Standpunkt aus seine jüngste beurtheilen.

Wolf hat in seinen dramatischen Dichtungen ein Talent verrathen, das an sich Unwichtige und Gewöhnliche durch seine theatralische Stellung zu beleben und zu erhöhen. In einigen war sogar eine höhere Anschauung des Lebens begründet, die aber gerade in dem vorwaltenden Streben, den Stoff in’s Theatralische hineinzubilden, unterging. Es schienen sich daher zwei Talente in ihm zu bestreiten. Jenes erstere, das ich als eine glückliche Einsicht in die theatralische Wirkung bezeichnete, ist, durch die Schaufpielerstudien des Künstlers geweckt, und von dem Geschmacke seiner Zeit genährt und erzogen, über das andere hinausgewachsen, und hat dieses zwar nicht zerstört, aber verdunkelt, und ihm den Durchbruch im Schaffen verschlossen. Im Drama „Pflicht um Pflicht“ hat der Dichter den sinnlichen Brand der Leidenschaft, der sich in der heiligen Quelle der Freundschaft abkühlt, und die reine, sehnsüchtige und doch in ihrem Andenken schon glückliche Liebe einander gegenüber gestellt. Nur wollen diese beiden Hälften des Stücks nicht zum Ganzen werden, und wir bleiben im Zweifel, ob wir der großherzigen Gesinnung der Freunde, die sich siegend aus einer mächtigen Sinnlichkeit erhebt, oder der frommen Liebesschwärmerei des deutschen Ritters unsere Theilnahme schenken sollen. Auf der einer Seite zieht uns das Verwandte und Befreundete an, und auf der andern rührt uns eine reine menschliche Vortrefflichkeit, die sich uns nur unter fremden Namen und Kleidern verbirgt. Der Jude aber ist eine störende Person, und nur durch des Dichters schon besprochene Ansicht vom Theatralischen im Drama erklärbar. Was seinen Dichtungen einen eigenthümlichen Liebreiz gibt, ist, daß sich überall schon in den Gränzen des Irdischen eine schöne Erfüllung einstellt, die wir als einen seligen Traum auf unser Leben gern übertragen, um uns die ruhige Heiterkeit des Herzens zu bewahren. Was die Form seiner Dramen betrifft, so finden wir in seinem Lustspiele Cesario einen leicht und geschickt verwebten Dialog. Doch seinen höheren dramatischen Formen fehlt die Frische und Blüthe, und sie sind ein mühsam zusammengebrachtes Frühlingsreich, worin die Blumen los und flatternd und in den wunderlichsten Mischungen über einander liegen, und der Mond und die Sterne verkehrt hineinhängen. Wir treffen also auf einen zweiten Widerspruch, nämlich den zwischen der poetischen Grundansicht des | Kunstwerks und seiner Darstellung in Wort und Bild der Sprache, zwischen dem Gedanken und seiner Verkörperung. Man sieht, der Dichter war nicht Meister über den Geist und die Fülle des Darstellungselements, und die innere Anschauung ging, etwa wie bei einem Menschen, der etwas Geistreiches und Tiefes in einer fremden Sprache vergebens auszudrücken sucht, im künstlich Allegorischen unter.

(Die Forts. folgt.)

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Amiryan-Stein, Aida

Tradition

  • Text Source: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 21, Nr. 68 (5. April 1821), col. 541–543

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