Aufführungsbericht Wien, Theater an der Wien, 28. Mai 1813: Abu Hassan

Back

Show markers in text

Theater an der Wien.

Den 28. May und 1. Junius: Moses Errettung, Schauspiel in einem Aufzuge von A. Klingemann, und Abu Hassan, Singspiel in einem Aufzuge von Hiemer, die Musik von Herrn Karl Maria v. Weber.

[…] ¦ […]

Abu Hassan ist ein allerliebstes Singspiel, wenn man die Aufführung zum Standpunkte der Beurtheilung wählt. An und für sich ist die Sprache in demselben korrekt und gut gehalten, die Verbindung ziemlich leicht, und die Versifikation überaus gefällig. Man kann sie den | Reimfabrikanten, die so gerne mit schimmernden Sternen erscheinen und den Trochäus zum Spondäus, den Spondäus zum Trochäus umformen, zum Vorbilde anrühmen. Das Ganze ist auf gutes Spiel und Theatereffekt berechnet, daß es dabey auf das mehr oder minder Wahrscheinliche nicht ankommt, sieht Jeder ein. Wollte man davon ausgehen und strenge der Wahrscheinlichkeit getreu bleiben, so hätten wir zwar eine Menge schulgerechter aber effektloser Opern zu erwarten. Die Handlung (aus: Tausend und eine Nacht) ist nur zu sehr zusammengedrängt; sie könnte bey einigen Erweiterungen und Episoden einen ganzen Abend füllen. So wie sie jetzt erscheint, reduzirt sie sich darauf, daß zwey junge Eheleute, die lustig gelebt, ihr Vermögen verschwendet haben und zur Verbesserung ihrer Lage sich beyderseitig todt stellen, wodurch sie, als Lieblinge des Kalifen auch ihren Zweck erreichen. Die Charaktere der drey dabey am meisten interessirten Personen sind gut gezeichnet, die übrigen stehen als schwache Umrisse da, mehr war auch nicht erforderlich.

Demoiselle Buchwieser gab die Fatime. Sie erschöpfte alle Forderungen der Kunst, sie übertraf die kühnste Erwartung. Wer die Dichtung kannte und mit schaffender Phantasie ein Ideal der Darstellung sich gebildet hatte, fand es zu schwach und stellte es gern ihrer Produktion nach. Glänzte sie auch in keiner andern Rolle, diese allein würde ihren Künstlerruhm begründen, ihre entschiedenen Talente unwidersprechlich beurkunden. Von ihrem ersten Erscheinen, mit dem ersten Ton ihrer einschmeichelnden Stimme

„Weder weißen Wein noch rothen.“

mit dem ersten Ausdruck ihres beredten Gesichts und mit dem ersten Blick ihres sprechenden Auges bey,

„Mahomet hat es verboten.“

war sie in jeder Scene, in jeder Bewegung, bis zum Schlußchor ein fortlaufendes Gemählde, das durch Farbe, Ton, Haltung und Rundung unwiderstehlich an sich zog. Mit dieser Wahr¦heit und Natürlichkeit, mit dieser leichten Grazie und liebenswürdigen Frivolität, mit dieser Umsicht, Präzision und feinen Nuanzirung kann nur eine Rolle gegeben werden, wenn man sich selbst den Ton der eleganten Welt so angeeignet hat, daß Natur und Kunst nicht mehr von einander zu unterscheiden sind. Die siebente Scene mit Omar ist ihr Triumph. Keine Schilderung kann die Schönheit ihres Spiels versinnlichen, man müßte es punktweise analysiren um über den eigenthümlichen Werth dieser seltenen Künstlerin, die anerkannt die Hauptzierde unserer Oper ist, abzusprechen. Mit Reinheit und Geschmack wurden die Musikstücke, von denen die Arie:

„Wird Philomele trauern,
dem Käficht kaum entschlüpft.“
das schwerste ist, vorgetragen. – Im herrlichen Einklange mit ihrem Spiele stand Abu Hassan (Herr Ehlers). Die Leichtigkeit, mit der er sich in der Sprache des Umganges bewegt, die richtige Deklamation, die Ansicht, die er jeder Situation abgewinnt und festzuhalten weiß, haben ihn lange schon den vorzüglichen Künstlern angereiht und mehrere Versuche anderer nicht mittelmäßiger Sänger in seinem Rollenfache bewiesen, daß sich Talent mit Geschmack paaren muß, wenn etwas Vollständiges und Großes geliefert werden soll. Ihm und Fatime wird Niemand Originalität und Vielgestaltigkeit absprechen; ihnen lächelte der Genius der Kunst und es bedarf keiner Künstlerweihe und Apotheose, um ihrem Verdienste zu huldigen. Ueberhaupt und insbesondere bey der Arie:

„Was denn zu machen
Um mit Geschmack die kleinen goldnen Schelme
In alle Welt zu senden –“
zeigte er von Neuem, daß er den Geist der Noten zu geben und in seinem Gesange den Wechsel verschiedenartiger Empfindungen bemerkbar zu machen weiß.

Omar, der Wechsler, Herr Mayer, war die dritte angenehme Erscheinung. Auch er spielte mit Präzision, Umsicht und Wahrheit. Seine Hauptscene ist die mit Fatime, wo er seine Liebe | erklärt und die Verschreibungen ihr einhändigt. Sein ganzes Spiel ist bis zur Täuschung aus der Natur des Verhältnisses geschöpft. Lebhaft erinnerte er uns an seine vollendete Darstellung des Exau in den Gemsenjägern* und an die Arie: „Im Trüben muß man fischen &c.[] Das Duett mit Fatime:

„Siehst du diese große Menge &c.“
gelang ganz vorzüglich &c.
Die Musik vom Herrn v. Weber bewährt den Künstler. Sie hat viele allerliebste Ideen, nur scheint sie zuweilen für die leichte Art der Dichtung etwas zu schwer. Sie erhielt den verdienten Beyfall.

Editorial

Summary

Rezension der Abu Hassan-Aufführung am 28. Mai 1813 im Theater an der Wien

Creation

Responsibilities

Übertragung
Ziegler, Frank

Tradition

  • Text Source: Thalia, Jg. 1813, Nr. 67 (5. Juni 1813), pp. 266–268

    Commentary

    • “… des Exau in den Gemsenjägern”Die Gemsenjäger, Oper in zwei Aufzügen (Libretto: S. G. Bürde), Musik von G. B. Bierey, UA Breslau 1811.

      XML

      If you've spotted some error or inaccurateness please do not hesitate to inform us via bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.