Aufführungsbesprechung Dresden: “Faniska” von Luigi Cherubini, “Elisa e Claudio” von Saverio Mercandante, “Holzdieb” von Friedrich Kind mit Musik von Heinrich Marschner sowie die Erwähnung der Gastrollen von Franz Anton Forti, Februar 1825
Die deutsche Oper begann nach den Weihnachtferien mit der Darstellung von Cherubini’s herrlicher Oper: „Faniska.“ Den Freunden karakteristischer Musik war es ein hohes Fest, einmal ein in allen Theilen so vollendetes Werk wie dieses, zu hören. Welche Abrundung, welche Stimmführung, welche Instrumentation! Es giebt hier zwar viele, denen diese Musik zu barock, zu berechnet, zu – kalt schien. Wer sind aber diese Leute? Menschen, die ohne weitere Kenntniß der Musik, weiter nichts von ihr verlangen, als leicht faßliche Melodien, die sich leicht nachpfeifen lassen, kurz einen angenehmen sinnlichen Genuß, wie ihn wälsche Opern so wohlfeil gewähren. Im Ganzen hatte die Oper aber gefallen und wurde dreimal recht brav und mit ziemlich gutem Erfolg gegeben. Mad. Devrient, in der Hauptrolle, bot alle Kräfte auf, das Ideal des Dichters und Komponisten zu erreichen, und hatte wahrhaft schöne Momente. Die große Arie im 2. Akt (möchten doch Cherubini’s Landsleute selbige bei ihren Arbeiten als Muster annehmen) trug sie wahrhaft ergreifend vor. Dem. Veltheim (Mosca) leistete, trotz | der ihr zu dieser Rolle mangelnden Kräfte, Genügendes. Nur hätten wir sie in einer weniger abstoßenden Maske zu sehen gewünscht. Diese Rolle verlangt ein außerordentlich gewandtes Spiel, durch welches sie aber auch zu einer Hauptrolle gehoben werden kann. Man vermißte recht schmerzlich die noch immer hoffnungslos darniederliegende liebenswürdige Haase. Ueberdem liegt diese Partie für Dem. Veltheim zu tief, wo ihre Stimme besonders in mehrstimmigen Gesängen ganz unhörbar erklang. Herr Mayer (Zamosky) eignet sich vorzüglich zu solchen Karaktern, wo sein etwas rauhes Organ ganz am rechten Orte ist. Der Vortrag seiner schwierigen, aber höchst originellen Arie zu Anftange der Oper hätte wohl laute, ermunternde Anerkennung verdient; doch hierhin fehlt unser Publikum nur zu oft, und vereitelt sich so selbst manchen höhern Genuß. Auch das feurigste Streben erkaltet an dem Gletscher: Gleichgültigkeit. Herr Keller (Oransky) spielte, vorzüglich im Finale des zweiten Akts, recht brav. Seine Stimme besitzt aber nicht die gehörige Kraft, um in solchen Ensembles wirksam durchzugreifen. Doppelt dankbar anzuerkennen aber ist Herrn Keller’s Fleiß, der stets bemüht ist, in den heterogensten und noch so kleinen Partien zum Gelingen eines Werks mitzuwirken, ja ohne dessen, zwar nicht außerordentliches, doch vielseitiges Talent manches gar nicht gegeben werden könnte. Auch die Chöre gingen gut, und das Ganze schien mit viel Liebe einstudirt worden zu sein. Möchte doch einmal Cherubinis Medea gegeben werden, da wir in Mad. Devrient gewiß eine vorzügliche Medea zu besitzen glauben.
Eine sehr angenehme, das deutsche Opern-Repertoir etwas belebende Erscheinung war Herr Forti aus Wien, dem nicht nur ein großer Ruf vorausgegangen war, sondern ihn auch zu rechtfertigen wußte. Er trat auf als: Lysiart in Webers herrlicher Euryanthe (1 mal) als: Othello, ital. (2 mal) als: Herzog von Neuburg im Schnee (2 mal) und endlich, als: Don Juan (2 mal). Als Lysiart wußte Herr Forti trefflich die Bösartigkeit eines Karakters mit wahrhafter Chevalerie zu bedecken, wodurch jene ¦ um so ergreifender wirkte, je wahrscheinlicher der Umstand wird, daß der kurzsichtige Adolar sich verleiten läßt, seine engelreine Euryanthe für so treulos, als sie durch Lysiart und Eglantine verläumdet wird, zu halten und sie so schonungslos zu behandeln, welche Unwahrscheinlichkeit früher, durch Herrn Mayer, der den Lysiart als puren Bösewicht darstellte, noch greller hervortrat. Obgleich Herrn Forti’s Stimme, durch seine Reise bei schlechtem Wetter, etwas belegt schien, so war sie dennoch wahrhaft wohltönend und in den Ensembles höchst wirksam und durchgreifend. Er wurde einstimmig gerufen. Auch als Othello erhielt er lebhafte Beweise des Beifalls, obwohl diese Partie für sein Organ, trotz der geschickten Umänderung der Melodie in den höhern Corden und seines sehr ausgebildeten Falsetts, zu hoch liegt. Dem. Funk als Desdemona verdient ebenfalls mit Ruhm genannt zu werden; ihre Scenen mit Othello gewährten wahrhaften Hochgenuß. Herr Bonfigli war ein drolliger Rodrigo, und Desdemonas Abneigung gegen ihn nicht zu verwundern. Ueber die Musik noch etwas zu sagen, hieße Wasser ins Meer schütten. Erst vor Kurzem ist in diesen Blättern*) mit vieler Umsicht über Rossinis Meisterwerk gesprochen worden, womit wir im Ganzen, wenn auch nicht mit einzelnen Behauptungen, eiverstanden sind. – Als Herzog von Neuburg im Schnee sprach Herr Forti am allgemeinsten an, und wahrlich! diese Rolle wird ihm wol von Niemandem so nach gespielt werden. Wiener und Prager Nachrichten sagten, Hr. F. habe einen ganz neuen Karakter aufgestellt, welches wir verneinen müssen, im Fall die Herrn Korrespondenten Herrn Forti’s Persönlichkeit selbst nicht als etwas Unbekanntes gelten lassen. Wir behaupten: Herr Forti habe in dieser Rolle nur sich selbst, den gutmüthigen, fröhlichen, etwas unbeholfenen Wiener dargestellt. Wer aber diesen Ausspruch nicht für ein großes Lob halten wollte, der müßte die Schwierigkeit nicht kennen, sich auf den Theater so unbefangen natürlich zu geben, wie man im wirklichen Leben in guter Gesellschaft ist. Dem. Veltheim | hat die Partie des Fräulein Bertha übernommen, und – Ehre dem Ehre gebührt – sie führte diese sehr leicht zu ergreifende Partie nicht nur über alle Erwartung gut aus, sondern sie übertraf in manchen Scenen ihre Vorgängerin (Mad. Haase, die freilich durch andre Umstände auch verhindert sein mochte, all ihre Talente zu entwickeln) nicht nur im Gesange, sondern auch im leichten, graziösen Spiel. –
Von den, auf hiesiger Bühne gesehenen Don Juan’s schien uns Herr Forti, wenigstens was den Gesang betrifft, noch der beste, obwol auch er noch nicht das Ideal eines wahrhaften Don Juan erreichte. Man lese hierüber das, was der hiesige, seine Kritiken nur manchmal zu sehr verpfeffernde Merkur sagt und wird viel treffende Bemerkungen finden, die zu widerlegen wol schwer sein möchte. Herr F. hat aufs lebhafteste den Wunsch im hiesigen Publikum erregt, ihn für die hiesige Bühne zu gewinnen. Wir zweifeln aber aus mehren Gründen an dem Gelingen dieses Projekts, obwol es sehr wünschenswerth für die deutsche Oper wäre, die jetzt, hinsichtlich der Stimmen, zu sehr im Nachtheil gegen die italienische Oper steht. –
Die ital. Oper gab Mercadante’s Elisa e Claudio. Maestro Mercadante, obwohl ein Nachzügler Rossinis, hat uns aber in dieser etwas sehr langen Oper dargethan, daß er gar nicht Mangel an Ideen hat und nicht ohne Talent für’s Komische ist. Die Duette zwischen den Herrn Zezi und Benincasa (wo man gezwungen war beider Zungenfertigkeit zu bewundern) so wie das der Siga Sandrini mit Sigr Benincasa erfreuten sich eines großen und gerechten Beifalls. Die Cavatinen der Siga Palazzezi wurden äußerst nett und gefühlvoll vorgetragen. Im Ganzen hatte die Oper keine glänzende Aufnahme. Sie wurde noch nicht wiederholt.‡ vielleicht wegen Uebelbefinden einiger Sänger oder Sängerinnen; sie hatte aber sicher mehr Interesse erregt, als der unterdessen dreimal, zum Uebermaaß wiederholte, Tancredi.
In „L’inganno felice“ versuchte sich (und das Publikum) ein Sigr. Moriani, bereits im Herbste seines Lebens. Eine angenehme, zwar etwas veraltete Methode konnte für den gänzlichen Mangel an Stimme nicht entschädigen. Er wurde von seinen Gönnern mit Beifall beehrt.
Jetzt wird unsers Morlacchi’s, in Venedig mit Furore aufgenommene Oper: „Tebaldo ed Isolina“ einstudirt, worauf alles gespannt ist. Kind’s und Marschner’s „Holzdieb“ (schon durch Ms Taschenbuch „Polyhymnia“ bekannt) wurde am 22. huj. gegeben. Kind’s Buch ist allerliebst, und Marschner’s Musik so ins Ohr und zum Herzen gehend, daß sie gewiß überall mit lautem Beifall aufgenommen werden wird. Als vorzüglich originell bezeichnen wir das Duett: „Sagt’ ich’s nicht schon tausendmal,“ Bartels Leierkasten Arie: „Trägt nach Staaren man Verlangen,“ welche allgemeines Lachen erregte, und das Quartett: „Helft mir, helft um Moses Willen“ so wie auch das Quintett mit Chor: „Es ists, nur angepackt,“ worin der Chor sehr wirksam hervortritt. Die Oper ¦ wurde allerliebst, und mit sichtbarer Liebe gegeben. Dem. Funk, als Suschen, entwickelte ein ganz neues Talent für das Naive. So hatten wir sie noch nicht spielen gesehn, so in einer deutschen Oper noch nicht sprechen gehört. Möge sie doch fortfahren, dieses ihr schönes Talent für die vaterländische Kunst auszubilden. Herr Keller (Bartel) war überaus komisch, und sang sein Leierkastenlied mit wahrhaft komischer Laune, die durch diese Musik wohl auch erregt werden muß. Herr Bergmann (Felix) war beweglicher als je, und sang seine Arie: „Bei Sonnenaufgehn“ wahrhaft schön und gefühlvoll. Herr Mayer war ein recht braver Fahnenschmidt, welcher mit Madam Horak (dessen Frau) in dem höchst originellen Zank-Quartett: „Meister Lorenz“ überaus wirksam eingriff. Es ist ein wahres Seelengaudium für den Verehrer deutscher Kunst, nach langer Zeit wieder einmal eine deutsche komische Original-Oper entstanden gesehen zu haben, die doch den alten Satz mit einer Thatsache umgestoßen hat, als könnten so was nur die Franzosen; den Deutschen fehlten nicht nur Dichter fürs Komische, sondern auch Komponisten. Möchte doch v. Weber recht bald seine „drei Pintos“ beendigen, damit wir für diejenigen, die nur auf allberühmte Namen sehen, in ihnen noch einigen Sukkurs zu unserm gänzlichen Siege erhielten. Uebrigens glauben wir dem Holzdieb mit Gewißheit wahrsagen zu können, daß er überall ein Herzens- und Beifalls-Dieb werden wird.
Herr Dotzauer gab mit seinen talentvollen Kindern ein, leider nicht stark besuchtes, desto mehr aber mit Beifall beehrtes Konzert.
♰ ♰ ♰.Editorial
Creation
–
Responsibilities
- Übertragung
- Amiryan-Stein, Aida
Tradition
-
Text Source: III. Korrespondenz, in: Berliner allgemeine musikalische Zeitung, Jg. 2, issue 11 (16. März 1825), pp. 85–87