Franz Weber to Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
London, Monday, June 13, 1881
Settings
Show markers in text
Context
Absolute Chronology
Preceding
- 1881-05-29: to Jähns
Following
- 1881-06-17: to Jähns
Direct Context
Preceding
- 1881-05-29: to Jähns
Following
- 1881-06-17: to Jähns
Tausend Dank für Ihre lieben, freundlichen Zeilen vom 9ten d/s und Ihre fortgesetzten Bemühungen mich in die heimathliche Presse einzuführen, wobei mir Ihr Einfluß und ausgedehnte Beziehungen gewiß gut zu Statten kommen werden und ich hoffe mich Ihrer Empfehlung würdig zeigen zu können.
Heute nur eine Zeile. Ich hatt gehofft Ihnen schon jetzt die in der beiliegenden „Antwort“ mehrfach erwähnte „Fortsetzung“ meiner ’Freischütz’ Notizen überschicken zu können, doch habe ich’s noch nicht zustande gebracht, obschon ich dazu nur ein paar ruhige Stunden nöthig habe, die sich morgen oder übermorgen finden werden und sollen. Vorläufig um Ihnen zu beweisen daß ich einmal „im Zuge“ bin, lege ich besagte „Antwort“ bei womit Sie für ein oder zwei Tage vorlieb nehmen wollen.
Ueber die ersten Aufführungen in Coventgarden und Drury Lane habe ich ziemlich Ausführliches herausgefunden.
Ihr aufrichtig dankbarer und ergebener F.Weber
Beilage [von F. W. Jähns]
Zu Ihrem Brief v. 28.‡ Mai u. Ihre Freisch-Notizen
- (Ihre No. I.) Der Rockstro-Mould ’sche Freischütz ist mir total unbekannt; auch bei Frau v. Weber in W’s Nachlaß fand ich ihn nicht. Alles was Sie darüber sagen ist mir sehr wichtig. Schade, daß er von Boosey et C. wohl nicht mehr zu erreichen sein dürfte, eben so wenig wie der von Hawes zuerst herausgegebene, wie dasselbe Machwerk, bei Cramer, Addison u. Beale 1835 erschienen. Ich habe doch richtig verstanden, daß Cramer pp. es waren, die den Hawes’schen Clav.-Auszug 1835 herausgaben? Wann der Hawes’sche bei Hawes erschien, ist wohl nicht mehr festzustellen? Jede noch erfolgende Notiz aus Rockstro wird mir äußerst willkommen sein!
- (in Ihrem Brief = No. II) Die Daten der ersten Freisch. Aufführ. (14. Oct. Für Coventgarden und 10. Nov. 1824 für Drury Lane) sind also die richtigen?
- (in Ihrem Brief = No. IV) Sie sagen, der Fr. sei 1832 u. 1833 von deutschen Truppen auf dem „King’s Theatre“, später „Her Majesty’s Theatre“ gegeben worden. „King’s Th.“ u. „Her Maj. Th.“ waren also ein u. dasselbe Theater? ─ Meine Notizen nennen für die deutschen Aufführ. die Jahre 1840 u. 1842.
- (in Ihr. Brief = No. V.) Sie sagen: „Ich habe bei diesen Nachforschungen so manches Interessante über den Freisch. u. andere W’sche Sachen (untergeschobene Lieder u. degl.) gefunden, daß es mir werth scheint, mehrere Artikel darüber in der Musical Times zu bringen.“ Ich bin äußerst gespannt darauf. Bitte, mir nur anzuzeigen, wann dies geschehen sein wird, ich lasse sie mir dann von meiner Schwiegertochter übersetzen.
Das in Ihren (Ihrem Briefe beiliegenden) Notizen zum Freisch. (in 4° Format) Mitgetheilte, gehört wohl schon zu diesem von Ihnen Aufgefundenen? Ich meine die dort besprochenen eingelegten (oder untergeschobenen) Lieder, von welchen ich einige bereits in meinem gedruckten Hauptwerk auf Pag. 317 genannt habe; es sind: „Wenn die Maien grün sich kleiden“ = „Gay my heart“ ─ Der Schweizerbub = „Thro’ the gay path of life“ ─ „Love, Good night“ ─ „Oh fortune we hail thee“ ─ „Then to day drive care away“ dem ich den Text des deutschen Volksliede[s] beifügte „Drunten im Unterland“, Sie aber als den Text „War’s vielleicht um Eins, war’s vielleicht um Zwei“ geben. Die von Ihnen in Noten gegebenen Melodien zu „Love (Now), good night“ ─ O blest are the moments whose visions are over!“ ─ „Oh Fortune we hail thee“ kenne ich nicht, werde mich aber an unsern größten Kenner deutscher Volksmelodien wenden (Ludw. Erk), wenn er erst von seiner schweren Krankheit genesen ist.
Zu Ihrer Randbemerkung in Ihrem Briefe: Ihre Worte über Max Maria v. W. werde ich dessen Tochter Maria mittheilen, die noch hier, (vorläufig bis Oct.) in Berlin sich aufhält u. zu den nächsten Freunden meines Hauses gehört. ─ Den Artikel in der Musical Times „Music of the Future in Berlin“ werde ich mit Interesse mir durch Maria v. Weber übersetzen lassen. Herrn Langhans kenne ich persönlich nicht. Als Musik-Schriftsteller hat er in Berlin aber einen sehr geschätzten Namen.
Meine grenzenlose Zerstreuung betreffs des Vornamens Ferdinand statt Franz bitte ich mir zu verzeihen. Woher mir diese Thorheit zugeflossen, ist mir gänzlich unfaßlich. ─ Es soll aber nicht wiedergeschehn.
Nun ─ ausschließlich zu Ihren für mich so hoch werthvollen speziellen Mittheilungen über den Freischütz (in Quartformat):
a.) Wer ist der eigentliche Verleger des ersten Clav.-Auszuges durch Hawes? „Welsh u. Hawes “ oder bloß „Hawes“ oder „The Royal Harmonic Institution ?“
B.) Ist „Lyceum “ ─ „Her Maj. Theatre “ und „Her Maj. Opera “ ein u. dasselbe? Zürnen Sie mir nicht über die ewigen Fragen nach dieser Richtung hin! Ich bin ganz confus u. kann mich gar nicht zurecht finden. So möchte ich auch noch fragen: ist „English Opera House“, ─ „Theatre Royal “ ─ „English Opera House in the Strand “ ─ ist dies alles ein u. dasselbe? Es giebt oder es gab auch ein „Royal-Strand-Theatre“, wo der Freisch. notorisch gegeben wurde; ist das auch gleich mit den vorgenannten drei Theatern? Auch ein Flee[t] street Theatre gabs nach meiner alten Notiz, die ich wohl aus Max v. W’s, habe; Ihre Randbemerkung auf pag. 1 Ihrer Notizen in 4° rectificiren diese Mittheilung Max v. W’s, indem Sie feststellen, nicht in „Flee[t]street“ sondern im „English Opera House in the Strand“ sei der Freisch. zuerst am 22. Juli 24 gegeben. Dies English Opera House in the Strand wäre also gleichbedeutend mit dem Coventgarden-Theatre, denn hier eben wurde diese Oper an diesem Tage zuerst gegeben.
C.) Die Mittheilungen der Anzeige vor der Aufführ. vom 21. Juli so wie die Titel der verschiedenen Ausgaben sind mir überaus werthvoll, eben so alles was die Dedication u. den ganzen Inhalt der Rockstro’schen Ausgabe betrifft.
D.) Die Spezification der Nummern des Hawes’schen Machwerks ist nur gar erst kostbar! Ich denke das Veränderte, Beschnittene, Untergeschobene, kurz so viel als nur möglich von dem ganzen Unfug mitzutheilen, wozu Sie mir ja so sehr gütig Ihre Erlaubniß ertheilen wofür ich Ihnen noch besonders von Herzen danke. ─ Doch wie viel oder was ich nun auch mittheilen werde, kein Wort von Ihnen geht verloren, denn das geht alles in meine „Weberiana“, die als ein höchst großartiges Ganze in den Besitz unserer Königl. Staatsbibliothek übergeht u. eigentlich schon übergegangen ist, u. sich auch dort befindet. Hoffentlich, nächstens darüber ganz ausführlich! ─
E.) Die Besetzung des Ottokar u. Cuno von damals 1824 wäre mir sehr erwünscht!
F.) Ist denn in die jetzigen oder früheren späteren Aufführ. des Fr. der Eremit mit hineingenommen? Die Weglassung ist doch zu thöricht.
G.) Ist denn in dem Rockstro schen Auszug die schöne Stelle des Eremiten (Solo) „Leicht kann des Frommen Herz auch wanken“ bis „Wer griff’ in seinen Busen nicht?!“ (22 Takte) auch gestrichen, wie sie leider auf den meisten Theatern weggelassen wird, was eigentlich ganz unsinnig ist. (?)
H.) Sie sagen: No. 6. „Durch die Wälder etc“ ─ ungekürzt. ─ Also mit dem Recit. vor „Durch die Wälder“: „Nein! Länger trag’ ich nicht die Qualen“, ─ danach Recit : „Hat denn der Himmel mich verlassen?“ Arioso : „Jetzt steht wohl ihr Fenster offen“ u. das große Schluß- Allegro : „Doch mich umgarnen finstre Mächte!“ ─ Ja, wer in die Hawes’sche Hexenküche von Clav.-Auszug nur eine halbe Stunde hineinblicken könnte!
I.) Sie sagen: „Trübe Augen“: „Die Romanze (von der Base) bleibt weg und Ännchen ist um einige 30 Tacte gekürzt. Agathe hat keinen Tact in dieser Nummer zu singen.“ ─ Ich kann mir diese letzten Worte nicht recht deuten, denn sie hat in der That nichts bei dieser Arie zu singen. Haben Ihre Worte vielleicht einen besonderen Grund?
K.) Die Preise der verschiedenen Ausgaben sind wohl nicht zu erfahren; es wäre mir lieb, da ich neben den Ausgaben u. dem Verleger auch jedesmal den Preis nenne. Es wäre also die der Ausgaben:
- Hawes (oder Welsh u. Hawes) [Vermerk von F. Weber: Eine u dieselbe Ausgabe]
- Harmonic Institution)
- Cramer, Addison u. Beale
- Boosey & C. (Rockstro)
Bei der Cramer-Ausg. Habe ich die Notiz 15f.- Über die bei Welsh u. Hawes erschienen[en] einzelnen Nummern habe ich die Notiz: „Zusammen: 59 sh.“
L. In meinen Notizen über engl. Theater habe ich noch allerlei dergl. z. B.
- „Theatre Prince of Wales in Shoreditch“ (östliches London)
- „Queens Theatre“ wohl = mit Kings-Theatre
- „New-Strand-Theatre.“
- „Miss Kelly’s Theatre“.
- „The Olympic Theatre“.
- „Surrey-Theatre“
Auf dem Th. Prince of Wales in Shoreditch ist der Fr. notorisch gegeben. fragt mich aber nicht: wie? Es soll der rasendste Unsinn gewesen sein! ─
Jetzt werden Sie nothgedrungen den Freund Samiel zu Hülfe rufen zu‡ müssen, der der richtige Mann zu sein scheint, solche wie die obige Unverschämtheit abzufertigen; und selbst der würde sich höchst auf‡ wahrscheinlich aigrirt von solchem Ansinnen abwenden und nichts donnern als:
Werft das Scheusal in die Wolfsschlucht!!!
F. W. Jähns
Wenn Sie Ihre Güte so weit ausdehnen wollen, auf einige der obigen Fragen eine Erwiederung erfolgen zu lassen, so bitte, bei gef. Zurücksendung dieser 1½ Bogen Beilage das Betreffende unter der jedesmaligen Nummer der Beilage auf ein zugelegtes Blatt bemerken zu wollen. F. W. J.
Antwort auf [Jähns: meine] Beilage v. 7. Juni 1881. [von Franz Weber]
1.− Es freut mich daß ich Ihnen den Rockstro-Mould entdeckt habe; hoffentlich gelingt es mir demnächst, diese Ausgabe an mich zu bringen. Jedenfalls theile ich Ihnen noch, wenn ich Ihnen nicht das Buch selbst überschicken kann, das Wichtigste daraus mit (zum größten Theil habe ich’s ja schon gethan). Ueber Hawe’s Ausgabe siehe unter chiffer A.
2.− Die Daten der ersten Freisch. Aufführungen in Coventgarden u. Drury Lane‡ sind richtig, siehe auch meine „Fortsetzung“.
3.− Ein speziell dem regierenden Haupte gewidmetes jedoch nicht subventionirtes‡, Theater bestand schon zu Händels Zeit in London. hier gab man vorzugsweise italienische Oper‡ Damals regierte, wie bekannt, und bis zum Jahre 1837 ein König in England; daher hieß das Theater solange The King’s Theatre. Danach, als die gegenw. Königin zur Reg. kam, nannte sich dasselbe Theater „Her Majesty’s“. In 1832 u. 33 fanden Vorstell. Des Freisch. mit deutschen Truppen statt, ebenso auf andern Bühnen London’s in 1840, 1841, 1842 u. 1849. Die Besetzungen stelle ich noch künftig fest.
4.− Meine, noch zuschreibenden, Artikel werden sich zum Theil auf das Ihnen bereits Mitgetheilte stützen. − Damit kein Zweifel über das eingeschobene Lied „Then today, drive care“ obliegt folge hier die Melodie [Sample Notation: Notenbeispiel] umgestaltet i. e. verunstaltet von W. Hawes Esq.
A.− Der erste Klavier Auszug v 1824 (englisch) des „Freischütz“ auf welchen meine neulichen Notizen der einzelnen Nummern basirt sind, wurde von der Royal Harmonic Institution heraus gegeben. Dieses Institut war übrigens nur eine Musikalien Handlung und zwar im Besitze von Welsh & Hawes, sodaß Beide eins u. dasselbe sind. Die erste Ausgabe ist also von Welsh & Hawes unter der Firma R. Harm. Inst. erschienen, bei späteren Auflagen desselben Klavierauszugs heißt es dann auch wohl: published by Welsh & Hawes at the Royal Harm. Institution. Dann gaben die Nachfolger von W & H, nämlich Cramer Addison Beale, 1835 dasselbe Machwerk wieder heraus.
B − Also immer noch kein Licht über die erste Bühne des engl. Freischütz.! Ich meinte es doch so klar festgestellt zu haben, daß diese Oper zuerst am 22ten Juli 1824 im English Opera House, in the Strand (nicht Fleet Street) gegeben wurde. Nun fragen Sie, werther Herr Professor, ob das nicht „gleichbedeutend wäre mit dem Coventgarden Theatre, denn hier eben wurde diese Oper an diesem Tage zuerst gegeben.“ Wer sagt denn das? Sie geben ja selbst unter No 2 der „Beilage“ das Datum der ersten Auffg. Im Coventgarden richtig als den 14ten October dess. Jahres an. Coventgarden Theatre ist ein ganz andres wie das English Opera House, das Lyceum wieder ein Andres, Her Majesty’s Theatre (oder opera) auch ein Andres; English Opera House in the Strand hat Nichts mit dem „Strand Theatre“ zu thun welches erst entstand lange nachdem das E. O. H. das Zeitliche gesegnet hatte. Siehe auch meine „Fortsetzung“.
E Siehe „Fortsetzung“.
F −
G − Rockstro hat Nichts gestrichen.
H. Ungekürzt, mit Recit vor Arie, dann Recit, Arioso u. Schluß-Allegro. Wo ich immer „ungekürzt“ bezeichnet habe meine ich die ganze Nummer wie Weber sie geschrieben, sofern man nicht ganz unbedeutende Abweichungen wegen der Deklamation des Textes, und hie und da eine kleine „Verzierung“ davon ausnehmen will.
I − Siehe „Fortsetzung“
K − Ich finde das noch heraus.
L − Uhui! Uhui!! Samiel hilf!!!
Eine böse Aufgabe steht hier schwarz auf weiß vor mir, und muthet mich wolfsschluchts schaurig an! Doch, wer weiß über welche Böhmische Dörfer mir der „Black Huntsman of Bohemia“ (siehe Fortsetzung) mir noch in seinem englischen Gewande hinaus helfen wird. Vorläufig dieses: Prince of Wales Theatre, Shoreditch, kann nicht in Betracht kommen, es war niemals mehr als ein höchst unbedeutendes Volkstheaterchen.
Queens Theatre | New Strand Theatre | Miss Kelly’s Theatre | Olympic Theatre Komme noch darauf zurück; jedenfalls alles spätere Aufführungen von schwacher Bedeutung.
Surrey Theatre − Siehe meine „Fortsetzung“.
Anmerkung zur Schluß-Bemerkung Ihrerseits.
Die Hülfe Samiel’s habe ich wie Sie sehen bereits in Anspruch genommen, und er hat vorläufig, wenn er mir in meinen Forschungen beistehen will, vollauf genug zu schaffen; Sie können also dreist mit ferneren Anfragen u. s. w. bei mir vorsprechen, Er thut Ihnen Nichts zu Leide! − F.W.
Editorial
Summary
dankt für J's Bemühungen, ihn in die deutsche Fachpresse einzuführen und schickt ihm Antworten auf seine Fragen vom 7. Juni 1881
Incipit
“Tausend Dank für Ihre lieben, freundlichen Zeilen”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Weberiana Cl. X, Nr. 659Physical Description
- 1 Dbl. (2 b. S. ohne Adr.), nebst 2 Bl.(4 b. S.)
- Beil.von Jähns u. 1 Dbl. (4 b. S.) 4° von F. Weber
- Am oberen linken Rand Bl. 1r Briefnumerierung (rote Tinte)
- No. 9. Mit Beilage in 4° von Jähns
Corresponding sources
-
Tv in: Weberiana 18 (2008), S. 117–119, 133f., 141 (Auszüge)
Text Constitution
-
“28.”sic!
-
“zu”crossed out
-
“auf”crossed out
-
“Coventgarden u. Drury Lane”added in the margin
-
“jedoch nicht subventionirtes”added above
-
“hier gab man vorzugsweise italienische Oper”added above