Hinrich Lichtenstein und Heinrich Beer an Carl Graf von Brühl in Berlin
Berlin, Montag, 8. Oktober 1827

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Ew: Hochgebohren

haben wir die Ehre, auf dero geehrtes Schreiben vom […] dieses Monats in Betreff der Oper Oberon von C. M. v. Weber folgendes in Ergebenheit zu erwiedern.

Bei dem ganzen Geschäft des Verkaufes dieser Oper hat uns als Freunde des verstorbenen Meisters und als Beauftragte der Hinterlassenen Familie hauptsächlich der Gesichtspunkt geleitet, daß der Ruhm desselben vor Allem bewahrt und sein letztes Werk möglichst ehrenvoll für ihn der Welt bekannt gemacht werden müße. Zu dem Honorar von 800 Rh: Thalern wurde uns durch mündliche Erörterungen Hoffnung gemacht und wir konnten daher, wie wir auch in unseren früheren Mittheilungen nicht verhehlt haben, eine Verringerung desselben und eine bedingungsweise Zahlung nicht anders, denn als eine Herabsetzung des Werkes oder als einen Beweis von Mistrauen in seinem Werth ansehen, zumal da Ew: Hochgebohren uns selbst dabei erklärten, die Darstellung des Oberon werde nicht vor Ende des laufenden Jahres statt finden können. Wenn wir daher, nach vorheriger ganz offener Ankündigung dieses Schrittes und nach vergeblich versuchter Herbeiführung günstigerer Erbietungen, auf die wiederholten Offerten des Königstädter Theaters eingingen, so geschah das keineswegs wegen der Höhe des Honorars sondern lediglich, weil der ganze Handel auf eine für den Ruhm des Komponisten sehr ehrenvolle Weise zum Abschluß gebracht und dabei versprochen wurde, die Oper noch vor Ende des Monats Mai in Scene zu setzen | und weil gleichzeitig von der Direktion der Königl: Bühne auf alle unsere Vorschläge nicht geantwortet und bei dem Abschluß des von uns erbetenen Termins damit zu erkennen gegeben wurde, daß man auf das Werk nicht weiter […].

Daß die Königstädter Bühne uns ihr Wort nicht hat lösen können, daran hat doch nur der Umstand Schuld, daß im Ausspruch der schiedsrichterlichen Commission, ungeachtet aller unserer Vorstellungen nichts hat bewirkt werden können.

Noch in diesem Augenblick würde es uns das Angenehmste sein, wenn eine Entscheidung dieser Commission, sie möchte lauten wie sie wollte einträfe. Wir wären im schlimmsten Falle dann veranlaßt und berechtigt die Lage der Sache und unser ganzes Verfahren zu unsrer Rechtfertigung öffentlich darzulegen und hätten damit gewiß allen Verunglimpfungen, die der Nachruhm Webers erfahren sollte, am besten vorgebeugt und unsre Pflicht gegen den verstorbenen Freund als seine Vertrauten aufs Beste gelöset. Aber wir konnten auch nicht verkennen, daß dabei Punkte zur Öffentlichkeit kommen konnten, die hin und wieder verletzen mußten und Verletzungen wollten wir nach unsrer von den Theaterfehden und nach unsrer Sinnes-Art vermeiden. Darum boten wir die Hand zu einer friedlichen Ausgleichung beider Bühnen über den Besitz der Partitur und beugen bei der Königstädter Direktion unter Verzichtleistung auf einen Theil des Honorars darauf an, daß sie es zur Concurrenz kommen lasse. Die Bedingungen, die sie dabei gestellt hat, haben wir nicht zu vertreten, indem wir nicht ihr Anwald, sondern nur die Mittelspersonen sind und es uns, wie gesagt nur darauf | ankommt, daß das Werk ans Licht treten und nicht absichtlich unterdrückt zu sein scheine.

Es liegt uns also daran, daß die Oper auf einer der beiden wo möglich auf beiden Bühnen einer Stadt gegeben werde die Webers Verdienst zuerst vollständig erkannte und deren Urtheil für den dauernden Ruhm unsres Freundes von der allerhöchsten Wichtigkeit sein, ja über den Werth dieses seines letzten Werkes endlich vollkommen entscheiden muß.

Was also von uns vermittelt, gefordert und zugestanden wird, geschieht Alles nur in diesem Sinne und nur darum verstehen wir uns dazu, auch die Forderung der Königstädter Bühne, für den Fall der Concurrenz zwei ältere Opern auf ihr Repertoir nehmen zu dürfen, zu befürworten. In diesem Sinne nun aber können wir Ew: Hochgebohren […], daß das Königstädter Theater den Oberon nicht eher solle geben dürfen, als bis er auf dem Königl: mindestens 16 mal werde gegeben worden sein nicht anders als höchst drückend für Webers Ehre erkennen, indem der Fall ja denkbar ist, daß die Oper aus anderen als den in ihr selbst liegenden Ursachen durchfiele und die 16t Vorstellung nie erlebte, wo es dann ganz unmöglich gemacht wäre, sie auf dem anderen Theater wieder zu Ehren zu bringen. Wir würden uns daher nur dazu verstehen können, eine Frist von 4 Monaten nach dem Tage des Verkaufs an die Königl: Bühne zu gestatten, vor deren Ablauf das Königstädter Theater sie nicht solle geben dürfen.

Was das Honorar betrifft, so ist dies in der That in unsern Augen und da für die Wittwe namentlich von Berlin aus, auf eine so edelmüthige Weise gesorgt worden, immer nur ein Nebenpunkt gewesen, der nur als man ihn an die Zweifel über den Werth des Werkes knüpfen wollte, für uns tiefere Bedeutung gewann. Am liebsten würden wir, dem ausdrücklichen Wunsche der Wittwe gemäß, ihn ganz in die Gnade Sr: | Majestät und in Ew: Hochgebohren bekannte persönliche wohlwollende Gesinnung gegen den Komponisten gestellt haben, wenn dieselben nicht jetzt auf eine Forderung drängen. Wir glauben es nun, in Betracht der Zugeständnisse eines verminderten Honorars, die wir im Falle der Concurrenz, auch der Königstädter Direktion zu machen haben werden, und in Betracht des geringeren Ertrages den die Oper, als Concurrenz-Oper dem Königl: Theater gewähren wird mit der Ehre des Komponisten vereinigen zu können, wenn wir von beiden Bühnen zusammen nicht das Doppelte sondern nur etwas mehr als das einfache Honorar begehren, und sie jeder zu dem gleichen Preis von 100 Frd’or zu gleichem Rechte überlassen und nur unter Gestaltung der Neben-Bedingungen, die für die gegenseitigen Abtretungen und Zugeständnisse von beiden gemacht und abgeschlossen werden dürften, sofern dieselben nicht mit dem Erfolge in Widerspruch stehn, den die Freunde des Komponisten seinem letzten Werke zu wünschen haben.

Durch diese eben so offene als wehrhafte Darstellung unsrer Ansichten und unsres Verfahrens bei diesem Geschäft hoffen wir Ew: Hochgebohren Verlangen genügt zu haben und haben nur noch die Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung hinzuzufügen die Ehre in welcher wir verharren Ew: Hochgebohren
ganz unterthänige
Diener
H: Lichtenstein H: Beer

Apparat

Zusammenfassung

man habe die Herabsetzung des Honorars von 800 rh für den Oberon als Beweis von Mißtrauen gegen das Werk interpretiert u. daher mit dem Königsstädter Theater abgeschlossen, zumal dort das Werk rasch in Szene gehen sollte; drohen an, die ganzen Verhandlungen öffentlich zu machen, seien aber zu Kompromiß bereit; es ginge darum, das Werk auf einer der beiden Bühnen rasch zu geben; die Forderung, erst nach 16 Auff. am Königlichen dem Königsst. zu erlauben, den Oberon aufzuführen, sei unbillig; allenfalls eine Frist von 4 Monaten nach dem Tage des Verkaufs könne eingeräumt werden; das Honorar sei dann Nebensache

Incipit

Ew: Hochgebohren haben wir die Ehre, auf dero geehrtes Schreiben

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Oliver Huck

Überlieferung in 3 Textzeugen

  • 1. Textzeuge: Berlin (D), Geheimes Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz (D-Bga)
    Signatur: PK (Hausministerium, Rep. 100, Nr. 1119, fol. 14–17)
  • 2. Textzeuge: Kopie: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ms. theor. 1018, Bl. 44–46

    Quellenbeschreibung

    • Kopisten-Abschrift für Brühls Acta Privata zum Oberon
  • 3. Textzeuge: Kopie: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 6 (XXII), Bl. 23a verso bis 24a recto

    Quellenbeschreibung

    • Abschrift aus dem Weber-Familien-Nachlass

Textkonstitution

  • unleserliche Stelle
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