Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 27. Januar 1817: Franul von Weißenthurn, Die Erben

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Am 27. Januar: Die Erben, Orig. Lustspiel in 4 Aufzügen von Frau v. Weissenthurn. Die Vorstellung dieses Stücks blieb auch dießmal nicht hinter früherer Leistung zurück. Frau von Weissenthurn hat den alten Kunstgriff, die Zuschauer zu Mitwissenden einer durch das ganze Stück laufenden Mystificaten zweier Gauner zu machen, mit befriedigender Behaglichkeit durchgeführt. Schärfer muß man freilich nicht untersuchen. Da fällt alles, was schnell durchgespielt erträglich seyn mag, ohne Haltung und wahre Charakterzeichnung auseinander. Da weiß Iffland seine Pfälzischen Amtleute und Vormünder ganz anders zu zeichnen. Vieles muß auch in diesem Stücke gleichsam mit dem Auge eines Wieners angesehen werden. Vorzügliche Gunst ertheilt dießmal der lebenslustige Baron Withen, in welchem Herr Kanow, durch seine wohlgerundete Figur (with good capon lin’d, um mit Shakspeare zu sprechen) und natürliche Jovialität unterstützt, aller Scherzhaftigkeit, um nicht zu sagen Spaßhaftigkeit eines recht ansteckenden Frohsinns zu legen wußte. Die Anerkennung des Publikums fehlte nicht. Die sehr ins Sentimentale hinüberstreifende Rolle des verkappten Grafen, des Pachters Wallmann, wurde von Hrn. Haffner dem Publikum gleichfalls sehr zu Dank gespielt. Wir erinnern uns indeß diese Rolle durch den Contrast des wahrhaft vornehmen, angebornen Anstandes in jenen Scenen, wo Wallmann als wirklicher Graf auftritt, oder wo, um mit Homer zu reden, Ulyssis aus den Lumpen hervortritt, mehr kräftiger hervorgehoben gesehen zu haben. Ifflands Kunst, die Gemeinheit zu heben, ohne der charakteristischen Wahrheit zu nahe zu treten, möge uns doch als ein freundlicher Schatten recht oft erscheinen! Mad. Schirmer wußte in die an sich unbedeutende Rolle der Julie alles zu legen, wodurch uns wirklich eine vor wenig Monaten erst aus England Zurückgekehrte mit aller brittischer Selbstständigkeit vors Auge trat. Das gemessene ihres Tones, Ganges und ganzen Anstandes war genteel, also sehr fern davon, spröde oder manierirt zu seyn. Um so mehr ist zu wünschen, daß der junge Graf August einer solchen, alles in Einklang bringenden Künstlerin gegenüber, sich ähnliche Haltung und Vornehmheit, wie man sie auf Reisen sich aneignet, überall zu zeigen angelegen seyn lasse. Die Herren Geyer und Bösenberg genügten ihren Rollen und erndteten den gerechten Beifall. Herr Geyer zeigte den denkenden Künstler auch hier durch ein sehr angemessenes und durchdachtes Mienen- und Geberdenspiel. Das Sündergefühl und die wachsende Angst zuckte ihm auf Lippen und in den Händen, selbst durch die Tressen an der Weste durch!

B.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden: „Die Erben“ von Johanna Franul von Weißenthurn am 27. Januar 1817

Entstehung

vor 5. Februar 1817

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 31 (5. Februar 1817), Bl. 2v

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