Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 15. November 1817 (Teil 2 von 4)
(Fortsetzung.)
Wir erblicken nun das mit farbigen Lampen geschmackvoll ausgeschmückte, aber verhangene Portal eines Tempels mitten im Hintergrunde. Zu beiden Seiten Lauben mit Blumengewinden, gleichfalls in voller Lampenpracht. Die Farben von Toskana und Sachsen brennen in diesen Farbengläsern. Die gebetene Gesellschaft (die vorzüglichsten Mitglieder des italienischen und deutschen Bühnenvereins) tritt Paar und Paar auf und nimmt rechts und links auf dem Vorplatz seine Stellung als Zuschauer ein. Vater Heinau mitten unter den Gästen. So ist, im alten Sinne, ein Chor für das kleine Drama im Drama gewonnen. Sie sind auch die Sänger des Rundgesangs, der nun zwischen den Declamationen sich durchflicht. Der Dichter Wilhelm macht den Sprecher: Anna und Leopold, die Herrscher, reichen sich heut die Hände. Die Trennung der erhabenen Braut von Sachsens Gefielden soll durch den Anblick eines Gebildes versüßt werden, das nach dem Lande ihrer Lieben heißt, also Bilder à l’Eusque. Dreimal rollt der mittelste Vorhang auf. Dreimal zeigen sich, durch lebensgroße Figuren auf schwarzem Grunde dargestellt, antike Vasengemälde, durch den vorn stehenden Dichter mit geistreicher Beziehung auf das patriotische Fest, in anmuthigen Sonetten und Stanzen ausgedeutet. Erst Triptolemus auf dem Drachenwagen der Ceres, die ihnen den, allen Ackerbau begründenden Aehrenbündel darreicht, hier zugleich als Gott des Gedeihens (Bonus Eventus) dem hohen Brautpaare erscheinend. Dann ein Bacchischer Tanz mit einer Flötenspielerin und einem Tambourinschläger. Diese Symbole des Winzerfestes erinnern zugleich an die (in Italien) sich um die Ulmenbäume schlingenden Weinreben, des hohen Brautpaares geheiligtes Band. Anna Heil und Leopold, die sich so gefunden, tönet der Chorgesang dazwischen. Zuletzt, das Ganze herrlich krönend, eine griechische Braut auf goldenem Seffel, das Fußbad, welches ein Genius bereitet, zu ihren Füßen, der durch Liebe beglückte, mit Myrten gekränzte Liebling steht ihr im Rücken. Dies bedarf kaum einer Deutung. Jetzt springt der alte Heinau vor. Ihr habt das gut gemacht! ruft er, und, da das griechische Brautpaar auch das des heutigen Weinbergsfestes ist, so ruft er, um originell zu seyn, so Braut als Bräutigam hinter dem zugerollten Vorhang hervor. Sie kommen, den väterlichen Segen und Kränze an demselben Tage zu empfangen,
den glorreich Leopold, ein theurer Name, schmückt,an dem die hold’ste Braut das erste Licht erblickt,wo sich die Glücklichen nun Aug’ in Aug’ umfangen.Genien mit Hochzeitfackeln bringen die Kränze. Nicht uns, dort Jenen gebühren heut alle Kränze, auf die Neuverlobten! Auf’s neue öffnen sich die Vorhänge. Im Hintergunde der Prospekt von Dresden. Im Tempel die Büste der hohen Braut, um die in gefälligster Gruppirung drei Mädchen ¦ als Grazien Blumengewinde von weißen und rothen Rosen halten. Anna und Florentin knieen auf der vorletzten Stufe, eine Guirlande schlingt sich von ihnen zu allen Anwesenden herab, die zwei Genien überkreuzen ihre Hochzeitfackeln an der Büste, Anna spricht die vollendenden Worte der Weihe:
Heil Ihr und Ihm. O denk’ in heitern Stundenan uns zurück, was wir für Dich empfunden.dein Muttervolk entläßt Dich still in Segen,Dein künft’ges Volk jauchzt freudig Dir entgegen.Dies die Außenlinien eines Festspiels, das gerade durch diese feineingeflochtenen, und doch selbst schon in seinen Namen, Anna und Florentin, beziehungsreichen Scenen der Häuslichkeit, da alle Zuhörer entzücken mußte, wo alles nur Ein Vaterhaus ist. Auch wurden die vier Hauptrollen von Mad. Schirmer (Anna) und von den Hrn. Wilhelmi (Florentin), Kanow (Wilhelm) und Burmeister (Vater Heinau) mit einer Rundung und Lebendigkeit dargestellt, die nichts zu wünschen übrig ließ. Der Dichter vergißt keinen Augenblick die höhere Weihe des Tages, und doch ist alles so natürlich und gemüthlich in die eigentliche Handlung des kleinen Liebeshandels verflochten. Das diesmal auf’s lebhafteste aufgeregte Publikum ergriff und bezeichnete mit allen hier schicklichen Beifallszeichen, jede leise Anspielung, wie die auf die Königsmyrte und auf den 7ten Juni, brach aber auch bei einigen Stellen, z. B. bei den mit Flammenschrift in treuer Sachsenbrust brennenden Worten:
Der Lorbeer grünt, nie wird die Raute bleichen,in unaufhaltbarern Jubel aus. Eine rauschend beklatschte Stelle, in welcher der alte Vater seine Empfindung, beim Blick auf die still vorüberfluthende Elbe abwärts, bei der Abendbeleuchtung, schildert, die jedem fröhlichen Beschauer von unsern Rebhügeln herab ganz aus der Seele geschrieben zu seyn schien, und die von tausend Fremdlingen, die unser Elbpanorama von den Rebgebirgen nach Pilnitz zu erblicken, mit empfunden wurde, stehe hier als Probe für die auswärtigen Leser:
Ich trat an’s Fenster hin, die Gegend zu besehen.Die Sonne nahte sich bereits dem Untergehen.Hier sah ich Rebengrün, dort dunkle Tannenwand:die Elbe schlang sich durch, ein silberflornes Band.Gold und Violenblau durchwob sich in den Lüften,Rechts lag die Königsstadt in rosenfarbnen Düften,die Thürme winkten mir; der Kuppeln Schatten fiel – ich sah’s genau durch’s Glas, – in’s rege Wellenspiel.Links kam von fern ein Schiff auf lichterhellten Wogenin voller Majestät, recht wie ein Schwan, gezogen,ein Feuer brennt darauf. Das Segel blähte voll,bei diesem Segel gleich mein Herz im Busen schwoll.Da wünscht’ ich mir das Schiff, daß ich’s hinauf zur Brücke,mit Kränzen reich verziert, um dort zu ankern, schicke:Daß mit dem Blumenschmuck es nach dem Schlosse hinund nach dem Altan zu mit Flagg’ und Wimpel wehe,daß wohl mein König selbst, wie wir ihn lieben, sehe!(Die Fortsetzung folgt.)
Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbericht Dresden: „Der Weinberg an der Elbe“ von Friedrich Kind am 15. November 1817
Entstehung
vor 25. November 1817
Überlieferung
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Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 282 (25. November 1817), Bl. 2v