Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Die drei Wahrzeichen“ von Holbein am 3. März 1818 (Teil 1 von 2)

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Am 3. März. Zum erstenmal: Die drei Wahrzeichen, Lustspiel in fünf Akten, von Holbein.

Unser mit Recht gefeierter Tragöde, A. Müllner, ist uns in seinem (leider noch immer nur in Bruchstücken vorhandenen) Theaterwörterbuche die schon versprochende Erörterung der Frage: ob jeder tüchtige Schauspieldichter auch ausübender Schauspieler seyn müsse? noch immer schuldig geblieben. Beides zugleich waren die meisten, die Thalia und Melpomene auf eherne Tafeln einschrieb. Doch giebts Ausnahmen. Schiller vermeinte zuweilen, daß es unnöthig sey. Auf jedem Fall mag es selbst auf der zweiten und dritten Linie mannichfach nützen, daß der Schauspieldichter auch durch Ausübung die Theaterpraktik besitze. Er versteht dann wenigstens weit besser, was Wirkung thut. Freilich kann auch dieß wieder auf lächerliche Abwege und Fantasterei führen. Die Beispiele dazu dürfen wir nicht erst in weiter Ferne suchen. -

Holbein’s Name wird nicht erst seit heute und gestern mit Achtung unter den Mimen und dramatischen Dichtern genannt. Sein Fridolin ward auch auf unsrer Bühne mit Theilnahme gesehen. Er hat auch Schillers Bürgschaft dramatisirt, was wir aber nur durch den Ruf kennen. Dem Stücke, was heute zum erstenmale gegeben wurde, ging eine günstige Erwartung voraus. Er hat es selbst durch die Benennung Specktakel-Lustspiel characterisirt, und wenn wir bedenken, daß das sämmtliche Theaterpersonal und außerdem noch an 50 Statisten dabei in Athem gesetzt und ein guter Theil unserer gewiß sehr bedeutenden Theatergarderobe lebendig geworden war, daß wir zwei Prachtaufzüge, im zweiten die Heldin des Stücks sogar von acht Rittern auf einem Sessel in den Burghof einer Felsenveste getragen, erblickten, und daß wir ein vollständiges Turnier, wenn nicht selbst mit ansahen, doch durch die auf Balkons gestellten Zuschauer zu sehen und zu hören glaubten: so ist’s am Tage, daß es mit dem Spektakel seine Richtigkeit hatte. Aber auch die Lust sollte da wohl nicht fehlen, wo die Fabel des Stücks auf einer muntern Witwe beruht, die, um den Einziggeliebten zu besitzen, ein halbes Dutzend ebenbürtige und turnierlustige Ritter, jeden anders überlistet, jeden dahin bringt, daß er die Schärpe ihrer Farbe wieder wegwirft und sich von der vermeinten Thörin lossagt, und wo der hasenherzige Ritter von Laufenheim sich hinter dem Löwen Konrad von Starkenburg versteckend, alle äfft, bis er durch die drei Wahrzeichen beschämt mit seltener Guthmüthigkeit dem rechtmäßigen Sieger die schöne Braut überläßt. Da das gewiß unterhaltende Stück auf allen größern Theatern unfehlbar bald gegeben, dann auch im Druck fürs größere Publikum ¦ zugänglich seyn wird, so bedarf es hier keiner ausführlichen Erzählung. Hier nur noch so viel: So viel auch gegen das Schleppende des ersten Akts, gegen die grellen Unwahrscheinlichkeiten eines über den Balkon hinab, oder über einen Burggraben hinüberspringenden Rodomonte, und überhaupt gegen diese Striche in der derbsten Holzschnittmanier und diese Malerei in Massen erinnert werden mag, so hat das Stück doch viel Leben und Bewegung, einzelne sehr gemüthliche aber auch komische Situationen, ein rasches Fortschreiten der Handlung, die früh anfängt und Abends endet, steigendes Interesse bis zum letzten Auftritt und manches was durch Neuheit überrascht. Am wenigsten dürfte die strengere Kritik wohl mit dem seltsamen Wechsel des Rhythmus in der Sprache, die bald in halbaufgelösten Jamben, bald in allerlei Reimspiel und ziemlich ungelenken Versen einherschreitet, zufrieden seyn. Indeß ist es doch eigentlich nur die scherzende und minnende Gräfin Elsbeth, die sich in solchen Reimen ergeht. Sie mag dieß in früher Jugend irgend einem Ministral abgelernt haben und hie und da, wo sie z. B. die Süßigkeiten des Südens mit der nordischen Bärennatur bald schmelzend, bald scheltend contrastirt, thut’s gute Wirkung. Viel kommt dabei auf Modulation und raschen Vortrag an, der bei uns wirklich kaum irgend etwas zu wünschen übrig ließ.

Ueberhaupt widerfuhr dem Stücke durch musterhafte Präcision im Vortrage und in der Ausführung der Scenerei so viel Gerechtigkeit, daß der im Vorschrift-Ertheilen nur zu freigebige Verfasser, wäre er gegenwärtig gewesen, wohl selbst eingeständig gewesen seyn würde, bei solcher Regie, bei solchen Schauspielern und Maschinisten sey alles Einflüstern des wie? und: womit? völlig überflüssig. Alle spielten mit Lust und so gerieth auch das, was sonst die strengere Probe schwerlich aushalten dürfte. Wir sind überzeugt, daß Herr Hellwig einen unverbesserlichen Starkenburg gegeben hätte. Dennoch wissen wir’s ihm Dank, daß er auf jede Rolle verzichtend, das Ganze trefflich durch seine Anordnungen durchdrang und belebte. Die Rittersäle, die halbverfallene Burg, alles war frisch und schön, und als sich beim vierten Aufzuge der überraschende Prospect mit den stattlich besetzten Gallerien hinter dem Balkon im Hintergrunde aufthat, brach das dadurch seltsam aufgeregte Publikum in lautes Beifallklatschen aus, was sich hier selten zuträgt. Nur hätten wir jenen Statisten auf der Gallerie, besonders gegen das Ende, noch mehr Bewegung und Lebendigkeit gewünscht. Auch wird die Scene, wo Starkenburg auf den Balkon zueilt und durch einen Sprung sich rettet, so wie das Eintreten der Procession im fünften Akte bei einer neuen Vorstellung manche dießmal unvermeidliche Hemmung nicht zu befürchten haben.

(Der Beschluß folgt.)

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Die drei Wahrzeichen“ von Holbein (Teil 1 von 2), der zweite Teil folgt in der nächsten Ausgabe.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 63 (16. März 1818), Bl. 2v

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