Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Die drei Wahrzeichen“ von Holbein am 3. März 1818 (Teil 2 von 2)

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Die drei Wahrzeichen.
(Beschluß.)

Ritter Conrad von Starkenburg (Hr. Kanow) legte in seine Rolle alle Biederkeit und Gemüthlichkeit, deren sie fähig ist. Das stumme Spiel mit geschlossenem Helm hat eigne Schwierigkeiten. Hier hätten wir wohl noch ausdruckvollere Mimik gewünscht. Hr. Zwick zeigte den denkenden Künstler im Festhalten der Gränzlinie zwischen gemüthlicher und zudringlicher Vertraulichkeit mit seinem Herrn, und zwischen einem Betrunkenen und dem, dem der Wein die Zunge löst, als Conrads alter Knappe. Sein Spiel trug viel zum Gelingen des Stücks bei und erhielt verdienten Beifall. Herr Burmeister gab die Abgeschmacktheit des pedantischen Kanzlers, des travestirten Polonius ohne Caricatur und brachte dadurch Wahrscheinlichkeit in eine Rolle, die leicht zur Posse herabgezogen werden kann. Sein Mienenspiel, als er sich endlich zu den Gewinnenden zu schlagen beschließt, was sehr beredt. Hr. Wilhelmi ergötzte als Laufenheim, indem er die ihm zugetheilte Feigheit gerade mit so viel Gutmüthigkeit versetzte, als nöthig war, um Starkenburgs Duldung gegen dies Milchsuppengesicht erklärbar zu machen. Die vier Ritter, die Elsbeth zum Besten hat, die Hrn. Schirmer, Metzner, Julius und Werdy, waren wie aus einer Gallerie in einem alten Rittersaale herausgeschnitten, und standen in festgezeichneten Umrissen der Künstlerin, die dadurch sich erst ganz an ihnen versuchen konnte, gegenüber. Das Spiel mit dem Schärpen-ablegen gelang jedem nach eigner Individualität. Schade, daß der Lebemann Walrich von Löwenhorst wegbleiben mußte. Es wäre auch ihm durch kleine Abänderungen wohl auf die Füße zu helfen gewesen. Selbst die kleine Rolle der Erzieherin Irmentraut wurde von Dem. Christ sehr wacker gespielt. Immer bleibt aber die Gräfin Elsbeth die Hauptrolle und der Punkt, um welchen allein sich alles herumdreht. Md. Schirmer entwickelte darin den ganzen Umfang ihrer Kunst und spielte auch hier als Meisterin. Schon die vollendete Sorgfalt, womit sie diese höchst schwierige Rolle, in welcher die Schauspielerin zwei Akte hindurch fast unausgesetzt zu spielen und zu sprechen hat, besaß, verdient bei so vielfachem, vorausgegangenen Rollenspiel unsern Dank. Aber sie verwebte auch darin große Gewandheit in den schnellen Uebergängen mit der feinsten Grazie und Wahrheit. Der Grundton ihres Charakters ist eine muntere Heiterkeit, die selbst bis zum neckenden Muthwillen gesteigert werden kann. Aber sie hat unter dem Druck eines alten Griesgrams geseufzt, und gelernt, ihre Gefühle zu meistern. So ist sie, ohne Heu¦chelei, doch jeder Verstellung fähig. Beim ersten Eintritt giebt sie gegen den Kanzler die stolze Herrin (Anklänge der Donna Diana) und die dankbare Pflegetochter gegen die Betraute. In den vier Audienzscenen mit den vier Brautwerbern, die ihre Farbe an der Schärpe tragen, war jede Stellung auf dem Stuhl oder beim Herabtreten charakteristisch, ohne doch im geringsten vorausberechnet zu erscheinen. In der Scene mit dem stolzen Hermann bleibt sie durchweg sitzen, aber dem Neidhard Rix von Langen gegenüber, kommt sie, sich selbst durch die Idee die Wohlthätigkeit begeisternd, behend herab, und ängstigt durch eindringliche Annäherung. Wie fein motivirt sie durch ein sichtbares Rücken und Mienenspiel den augenblicklichen Entschluß, dem ehrlichen Hans von Treuenstein mit Latein einzuheitzen, als dieser zufällig des Lateins erwähnt hat. Kindisch gutmüthig und naiv, aber nicht weinerlich abgeschmackt muß die Rolle des Unverstandes mit dem weisen Kunibert gespielt werden. So nahm sie zur ungemeinen Ergötzlichkeit aller Zuschauer unsere Künstlerin. Stärkere Uebertreibung, Weinen, wie es der Dichter wohl gemeint zu haben scheint, würde daraus ein bloßes Possenspiel machen, an welches es schon so nur zu sehr anstreift. Den Ausruf: wie, ihr könnt gar spinnen! begleitet sie mit dem abmalenden Gest, so wie auch das Kirschkern-werfen und das zugemauerte Fenster. Sehr war, denn kindisch sind überall diese malerischen Geberden. Dagegen sprach sie alle Ahnungen des innern Zusammenhangs, und wo sie sie selbst ist, mit jenem tiefen Gefühl, wodurch ihre vorige Schelmerei nur als Nothwehr erscheint. Wie ergriffen z. B. die affectvollen Worte in der letzten Scene auf der Kronenburg, die sie, abgewandt vom gaffenden Haufen, für sich spricht: Güter – Liebe – Hand und Leben! Glaubte man nun, sie habe alle ihre Kräfte und Künste schon erschöpft, so hatte sie doch mit weiser Sparkunst das lebendigste Spiel für die Schlußscene mit den Wahrzeichen selbst aufbewahrt. Wie scherzhaft untersucht sie die Blutspur auf dem Harnisch, wie muthwillig nimmt sie dem beschämten Laufenheim selbst den Helm ab! Auch die von ihr selbst geordneten doppelten Costüms, besonders der Kopfputz, wie er der Elsbeth als gräflichen Wittwe und als Braut eignet, mag musterhaft genannt werden. Da, wo sie so stolz auf der Estrade thront, hätte ein Fächel aus dem 16ten Jahrhundert (Pfauen- und Straußfedern auf einem schön-gedrechselten Stiele) dem Uebermuthe wohl angestanden. – Das Stück wird bei öfterer Wiederholung, die nicht ausbleiben kann, in manchen Kleinigkeiten noch vollendeter gegeben werden können, aber schwerlich mit größerer Lust und vergnüglicherm Zusammenspiel.

Böttiger.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Die drei Wahrzeichen“ von Holbein (Teil 1 von 2), der erste Teil erschien in der vorigen Ausgabe.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 64 (17. März 1818), Bl. 2v

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