Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Pflicht um Pflicht“ von Wolf und „Die Flitterwoche“ von Schilling am 3. Dezember 1818 (Teil 1 von 2)

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Donnerstags, am 3. Dec. Zuerst: Pflicht um Pflicht. Schauspiel in einem Akt, von A. Wolf. Ein Lieblingsstück für Spielende und Zuschauer, was daher bei uns nie alt wird. Achmet und Hassan, die Freunde, die wohl auch in Lucian’s Toxaris einen Platz fänden, werden durch die Herren Kanow und Wilhelmi, der deutsche Ritter durch Hrn. Julius so gefühlvoll declamirt – denn darauf kommt’s hier an – und Rosamunde von Mad. Schirmer so zart und gewinnend gespielt, daß alles im Accord ist. Warum fällt keiner unsrer geistreichen, aber um effectvolle Porträts oft verlegenen Dresdner Maler darauf, einen Moment, wie der Jude die schöne Zuleima entschleiert, in ein Doppel-Porträt zu bringen? Der characteristische, alte Kopf des bärtigen Juden mit dem reizend geschmückten Frauenkopf, welchem der weiße, mit Fleiß emporgehaltene Schleier zum Hintergrund dient, müßte ein Bild in Sassoferrata’s bester Manier geben. – Der deutsche Ritter spricht vom Vollmond, der eben scheine. Da aber dieser aus guten Gründen hier gar nicht sichtbar ist und es vielmehr heller Theater-Tag bleibt: so müßte wohl diese Stelle eine kleine Aenderung leiden.

Darauf zum erstenmale: Die Flitterwoche. Lustspiel in einem Akt, nach der Geschichte dieses Namens, von G. Schilling. Dem hochgeachteten Dichter verdankt das Publikum überhaupt und insbesondere der Lesekreis dieser Abendzeitung so viele und so geistreiche Unterhaltungen und die Erzählung selbst, welche der Erzähler hier dramatisirte, hat, als sie in diesen Blättern zuerst erschien (Jahrgang 1817. No. 95–98) so allgemein ergötzt und belustigt, daß wir uns die Mühe ersparen können, den Inhalt des Stücks hier noch einmal anzugeben. ¦ Es ist eine Comödie in der Comödie. Denn diese spielt ja Concordia, die Neuverheirathete, mit dem Baron, ihrem Mann, indem sie die Einfältige spielt, aber, als der Fürst erscheint, auf einmal die feinste Erziehung und das zarteste Gefühl entwickelt. Allein es ist bei den Zuschauern dieses Erstlingsversuchs eines unsrer beliebtesten Romanendichter im dramatischen Fache gar bald der Zweifel entstanden, ob nicht der so verspottete und gemißhandete Ehemann entweder selbst ein Einfaltspinsel gewesen seyn müßte, wenn er die nur zu handgreiflichen Neckereien der Tante und Nichte nicht auf der Stelle durchschaut hätte, oder doch vollkommen Recht gehabt hätte, von solchen Comödiantinnen sich auf immer zu entfernen. Mit der sentimentalen Aussöhnungsscene zum Schluß ist’s eben so wenig gethan, als mit der kleinen Vorbereitungsscene im Anfang. Die beiden Hauptcharactere sind und bleiben zweideutig, und alles was in der ersten Scene zwischen dem ungehobelten Trommelschläger Jost, den der Schauspieler mit wahrer Virtuosität in der Plattheit gab, und der fantastischen Gloria mit dem Baron verhandelt wird, ist zu sehr Farce und greift so wenig in die wahre Handlung ein, daß es nur zu deutlich wird, der Dichter habe sich mit allem diesen nur einen Rahmen für das einzige Porträt im Stücke, die Concordia, zu schnitzen gesucht. Grade diese Scenen waren es, die eigentlich mißfielen. Sobald das vorgeblich alberne Schätzchen selbst eintritt, hebt ein sehr ergötzliches Spiel an und von hier an erhielt auch das Stück, wie es verdiente, lauten und wiederholten Beifall.

Wir glauben darum dem im übrigen so ausgezeichneten, tieffühlenden Dichter unsre Aufmerksamkeit nicht besser beweisen zu können, als daß wir unsre Zweifel ihm selbst zur Entscheidung vorlegen. Die Hauptidee, den Character des neuverheiratethen Barons in: Stille Wasser sind tief, einmal auf die Neuverheiratete überzutragen, war des genialen Dichters würdig. Aber er band sich zu sehr an seine frühere Erzählung. Was der tiefgekränkte Baron seinen Freund Udo in einer ermüdend langen (aber von Hrn. Kanow, dessen Gedächtniß und Declamation das Spiel trefflich unterstütze, zweckmäßig vorgetragenen) Erzählung bloß mittheilt, mußte in Handlung gebracht werden. Sollte es nicht überhaupt rathsamer gewesen seyn, das Stück aus der Flitterwoche in den Brautstand zu verpflanzen und es lieber die Bräutigams-Probe zu nennen? Es ist voller Stoff zu drei Akten da! Im ersten sehen wir die kleine Verschwörung der Tante mit der Nichte nach der Verlobung. Nun sind die Zuschauer mit ins Geheimniß gezogen, wie in einer ähnlichen Scene in den drei Wahrzeichen. Den Mitwissenden erwächst ein doppelter Genuß im zweiten Act, wobei die Nothülfe aus dem Vogelschießen und den Trommelschläger-Späßen ganz entbehrlich wird. Im dritten Akt erscheint der Fürst und löset den Knoten, wobei wohl bei der patriotischen Scene und beim Königsliede der Vorhang sinken müßte. Dann könnten die spielenden Sänger auch mit singenden verstärkt ein wahres Chor bilden und die schon jetzt, der allgemein gefühlten Beziehung wegen, freudig beklatschte Scene würde noch größere Wirkung thun.

(Der Beschluß folgt.)

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Pflicht um Pflicht“ von P. A. Wolf und „Die Flitterwoche“ von G. Schilling (Teil 1 von 2), der zweite Teil folgt in der nächsten Ausgabe.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 301 (18. Dezember 1818), Bl. 2v

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