Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Maske für Maske“ von Jünger am 18. März 1819 (Teil 1 von 2)
Am 18. März. Nach der Laune des Verliebten, folgte Maske für Maske, Lustspiel in 3 Akten, von Jünger. Die Wiederaufführung dieses Stücks hat zur Gnüge bewiesen, daß unsre bessern Bühnen sehr unrecht haben, die Jüngerschen Stücke als veraltet zurückzuschieben. Die heutige Vorstellung wurde mit ungewöhnlicher Aufregung und Zufriedenheit des ganzen Publikums gegeben und man verlangt laut, es bald wiederzusehen. Was hindert auch gewisse Längen, wie auch hier der Fall ist, zu beschneiden, einzelne Ausdrücke zu verjüngen! So dürften wir jede Wette wagen, daß sein Strich durch die Rechnung, sein Verstand und Leichtsinn, das kleine Nachspiel der Instinkt, seine Weiberlist, vor allen aber seine Geschwister vom Lande, wegen der naiven Rolle Theresens, mit gehöriger Nachhülfe noch jetzt weit mehr gefallen würden, als manche auch auf fremdem Boden entsprossene Ephemere des Tages in und außer Wien – Jünger war ja Hoftheaterdichter in Wien – befriedigen und guten Schauspielern den dankbarsten Stoff für ihre Kunst, der nur zu oft an Mißgeburten vergeudet wird, darbieten würden. Noch jetzt ist das französische Original zur Maske in Maske, Marivaux Jeu de l’amour et du hasard ein Liebling der Pariser Hauptbühne, wo in Antoniens Rolle die ältere Dem. Mars entzückt. Man kann nichts runderes und ergötzlicheres sehen, als wie am heutigen Abend dies Stück von unsern braven Künstlern gegeben wurde. Fremde, die die Vorstellung in Paris gesehen, auch wohl im geselligen Verein selbst darin gespielt hatten, erkannten dieß mit lebhaftem Vergnügen. Dem. Schaffner gab als Gast die Rolle des in ihre gnädige Frau metamorphosirten Kammermädchens. Sie muß stark auftragen. Aber sie überschritt nie die vom Dichter selbst vorgezeichnete Linie in der ergötzlichen, keck sich brüstenden und doch immer beim Abseit sich über sich selbst wundernden, vornehmthuenden Gemeinheit. Vorzüglich gefiel sie in der Wechselentlarvung mit Johann, die Staatsräthin dem Kabinetsrath gegenüber. Selbst die ¦ hier sehr zweckmäßige Aussprache im gemeinen Ton, das Fächerspiel, die Gesticulation mit Kopf und Händen, alles war ein Ganzes. Auch wissen wir ihr Dank, daß sie als Dame travestirt nicht lächerlich, sondern anständig sich verkleidet hatte. Ihre Gebieterin kann ja nur eine geschmackvolle Garderobe haben. Eine solche Soubrette verdiente und erhielt bis zum Schluß lauten Beifall. Ihr gegenüber gab Hr. Geyer die Maske seines Herrn mit einem Ueberfluß von tölpelhafter Stutzerhaftigkeit und Syrup-Süßigkeit. Frisur, Backenbart, alles was zur eigentlichen Maske gehört, ganz so, wie es von einem Künstler zu erwarten steht, der auch außer der Bühne andere zu malen versteht. Vieler Flitter und Geklimper in Uhrketten und andern Anhängseln. Wer wollte da über das Mehr oder Weniger rechten! Es war Ein Guß von Anfang bis Ende, doch immer, wo die zerknirschenden Selbstgeständnisse kommen, mit verstärktem Anlauf von Unverschämtheit, also mit berechneter, künstlerischer Ausgelassenheit. Hier ist’s erlaubt, von Eigenen zuzufügen, Hr. Geyer gab zur allgemeinen, laut ausbrechenden Ergötzlichkeit eine Menge Impromtü’s und Lazzi. Daß der Scherz mit dem Aufheben des Huts, den sein als Bedienter verkleideter Herr fallen läßt, nicht fehlte, versteht sich. Aber eigenthümlich war ihm der sultanische Schnupftuch-Zuwurf bei der förmlichen Liebeserklärung, das Präsentiren des Tabaks, das Niederknieen auf der Unterlage des prächtigen Federhuts, um die seidnen Hosen zu schonen, die drollige Verwechslung des Gests bei Himmel und Erde in einer von ihm selbst eingeschobenen Stelle, und das Radebrechen aufgehaschter französischer Phraseologie. Nur einige Ausdrücke konnten vielleicht an die niedrigste Posse erinnern. Aber man soll da nicht besonnen kritteln, wo es so braust und fortsprudelt. Der wahre Komiker muß ausgelassen seyn dürfen. Hier abwägen, heißt Aufguß von kaltem Wasser zu schütten. Der sichere Instinkt muß leiten! Wir wünschen diesen Johann oft und immer neu ausgestattet zu sehn. Das zeigt eben den Reichthum des genialen Selbsterfinders.
(Der Beschluß folgt.)
Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Maske für Maske“ von Jünger am 18. März 1819 (Teil 1 von 2). Der zweite Teil folgt in der nächsten Ausgabe.
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Fukerider, Andreas
Überlieferung
-
Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 79 (2. April 1819), Bl. 2v