Caroline von Weber an Max Jähns in Berlin
Dresden, erhalten Mittwoch, 18. April 1838
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Wahrscheinlich mein lieber kleiner Max werde ich die erste Frau sein welche einen Liebesbrief an Dich schreibt, und obgleich ich wohl weiss, dass ich mit der Orsina werde ausrufen müssen „Nicht einmal gelesen[“]*!! so macht es mir doch grosse Freude mit Dir zu plauden, und wenn es wahr ist, das Alles was von Herzen kommt wieder zum Herzen geht dann, Du lieber kleiner Schelm, weisst, und fühlst Du ja wie lieb Mutter Weber Dich hatt, ohne ihre schöne Schrift entziffert zu haben.
Sieh mein lieber Pathe Max, Du bist nun eigendlich schon ein alter Mensch, hast schon (wills Gott) den 80ten Theil Deiner Lebenszeit zurück gelegt; hast gelacht und geweint, hast geliebt, und bist geliebt worden, hast den Deinen Freude gemacht, und hast sie betrübt, kurz hast schon, im Duodezformat, das Leben durch geliebt, Was nun noch nach kömt, sind nur Variationen auf das einfache Thema was Du jetzt gespielt.
Ich bitte Dich mein lieber Max, sey auch künftig Philosoph wie bisher, und fällt Dir einmal die Puppe, oder der Zulp* in den Sand, so mache es wie jetzt, und sey zufrieden wenn man Dir, um Dich zu beruhigen, ganz etwas anderes in die Hand stopft als das, warum Du geweint —. Ja mein Max, ohne Dir ein Compliment damit machen zu wollen, muss ich Dich versichern, dass es recht viel grosse, gescheute und gute Menschen giebt, die lange, lange nicht so klug sind wie Du kleiner Hampelmann; die sich plagen und quelen und vor Dingen fürchten die da einmal komen könnten oder sich selbst Gespenster heraufbeschwören, vor denen sie sich dann wie kleine Kinder fürchten. Ja lache nur, es giebt unter den grossen Leuten recht, recht viel kleine Kinder. Wäre es nicht gegen den Respekt, so könnte ich Dir in Dresden eine Person zeigen die recht gut von Dir das Leben, zu leben lernen könnte, aber auch in Berlin, dünkt mich, könntest Du Unterricht ertheilen, frage nur Deinen Papa. — — —
Ich kann Dir darum heute, wie immerdar, nichts anderes, und besseres wünschen, als dass Du bleibest, ein gutes, liebes, genügsames Kind wie bisher, dass Gott Dir Gesundheit des Leibes und der Seele erhalte, und dass Deine guten Eltern Dich so lieb haben mögten, dass sie Dich nicht zu lieb haben. Der Segen der Mutter Weber geleite Dich auf Deinen Lebenswege, und gehen all ihre guten Wünsche für Dich in erfüllung, dann mein Max, wirst Du so glücklich sein, als man es hier auf Erden aushalten kann. Zu diesen Wünschen gehört es dann freilich nicht dass Du Dich immer nach beikommender Decke sollst strecken müssen, dann würdest Du wohl bald krum liegen müssen, nein Maxel, ist Dir die Decke zu kurz, dann gieb sie nur den Schwesterchen, und Mutter Weber sorgt für eine Neue. Ach sie hatte für Dich noch grosse Rosinen in der Tasche, aber leider wurde die arme Frau krank, und alle Handarbeit musste unterbleiben. Nimm vorlieb, guter Max, mit der ganz kleinen Gabe, ein andermal wird Mutter schon fleissiger sein. Doch nun auch einen Auftrag an Vater und Mutter den Du aber hübsch ortendlich aus richten musst. Na, geh hin, und sag ein recht schön Compliment von der Weber in Dresden und der Herr Doctor hätte die Pintos wohl behalten abgeliefert; von seiner Liebenswürdigkeit könnte sie aber nichts sagen, weil der gute Mann* kaum 10 Worte gesprochen, und gleich wieder wie ein Krebs zur Thür hinaus gekrochen sei. Dafür habe sie aber eine andere Berliner Bekanntschaft gemacht von der manches zu sagen wäre, wenn ihr nicht schon die Finger vom Schreiben weh thären, nur den Namen lässt sie Euch sagen damit ihr allenfals denken könnt, was sie von dem Manne denkt. Herr Rudolph Gernlein. Im nächsten Brief wolle Mutter Weber recht viel von dem Manne erzählen und manches mittheilen was Euch interssieren wird. Das Geld, sage dem Vater, mögte er mir nur durch die Post schiken. Herr Gernlein hatte gehört dass noch Kleinigkeiten von Weber ungestochen wären und beschwor die Mutter ihn die Sachen nach Prag und Wien mit zu geben, aber Mutter Weber mag sich mit dem fremden Mann in nichts einlassen, darum mag der Jude die Sachen nur behalten. Sag aber den Papa er mögte mir bey Gelegenheit einmal etwas über Herrn Gernlein schreiben denn ich mögte doch gern wissen wer der Mann ist, der Webern, und uns Alle, so unmenschlich lieb hat. Na Maxel, nun komm, nun lass Dich tüchtig abküssen, und geh dann hin und gieb dem Papa die Hand, und die Mutter umarmst Du von mir. Der Mutter sage aber noch, sie solle nicht so gut sein, und den grossen Papa allein reisen lassen (aber das sagst Du ihr ins Ohr). Wer weiss wo der hinreisste!! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Du siehst mein Kind dass ich Dich zu allen Guten anhalte, und Dir die besten Lehren gebe folge mir nur, und es soll des Vaters Freude aus Dir erwachsen. Nun, Gott sey mit Euch Allen + + + + + behaltet uns lieb, wie wir Euch. Max lässt bitten ihm zu sagen in welchen Monat Bruder Jähns hieher kommen will, weil er eine Fussreise machen, und doch den Jähns nicht verfehlen will. Bis dahin wird die Brieftaube wohl noch einigemal hin und her flattern. Möge sie bald ein Oehlblatt bringen
Eurer
Weber
Tausend Tausend Grüsse unsern guten Lichtenstein, wenn Sie ihn sehn.
Apparat
Zusammenfassung
allerliebster Brief zum 1. Geburtstag ihres Patensohnes Max Jähns; zum Ende hin bestätigt sie auch die Übergabe der Pintos-Entwürfe durch einen Beauftragten von Jähns und berichtet vom Besuch eines Herrn Rudolph Gernlein, der sich als Weber‑Verehrer bezeichnet hat und auch Interesse an den ungedruckten Manuskripten bekundete
Incipit
„Wahrscheinlich, mein lieber kleiner Max“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Frank Ziegler, Eveline Bartlitz
Überlieferung
-
Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
Signatur: Mscr. Dresd. App. 2097, 37Quellenbeschreibung
- masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 37 des Konvoluts)
- 3 S.
Beilagen
- am Kopf die Notiz: „Empfangen den 18. April. 38. | An Max zu seinem Geburtstage | als er ein Jahr wurde.“
Dazugehörige Textwiedergaben
-
MJ, S. 148–149 (Auszug)
-
Weberiana 27 (2017), S. 69 (Auszug)